Die Fasnacht war in der Kindheit eines der aufregendsten Ereignisse. Schon tagelang vorher herrschte nicht nur Vorfreude, sondern galt es, eifrig Motivwagen zu gestalten und beim Schmücken zu helfen. Jedes Jahr ein neues Märchen unter der Regie der Gotte darstellen, so hieß damals das Motto. Fasnacht als Märchen, lang ist‘s her. Es gibt heute kaum noch solche mit Herzblut gestalteten Motivwagen. Den Spaß an der Fasnacht leben aber viele Menschen weiter. Schon von Berufs wegen hat sich im Laufe der Jahre eine eigene Distanz entwickelt. Ein Zeitungsreporter genießt zwar das Privileg ganz vorne bei Veranstaltungen und somit mittendrin zu sein. Es gilt aber auch, seine Arbeit zu erledigen, wenngleich es sicherlich unangenehmere gibt.

Spaß steckt an

Nun bot eine Berlin-Reise mit der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee Gelegenheit, die Narretei aus einer neuen Perspektive zu erleben. Unter den Vertretern der verschiedensten Zünften im farbenprächtigen Häs kommt das Gefühl auf, unverkleidet den Status eines närrischen Exoten einzunehmen. Das ändert sich aber schnell. Der pure Spaß an der Fasnacht, den die Narren verbreiten, steckt schnell an. Ob beim Empfang des früheren Singener Oberbürgermeisters Andreas Renner in dessen Berliner EnBW-Bürotrakt mit eindrucksvollem nächtlichen Blick auf die Spree und geschichtsträchtige Berliner Gebäude, dem Besuch des Bundestags oder einem Bunten Abend im Haus Baden-Württemberg: Es gelingt schnell, mit den Narren eins zu werden.

Die Reichenauer-Grundele auf den CDU-Sitzen des Fraktionssaals der Union.
Die Reichenauer-Grundele auf den CDU-Sitzen des Fraktionssaals der Union. | Bild: Bittlingmaier, Albert

Gute Laune steckt an. Auch zwischen den dicht gedrängten Programmpunkten bleibt noch Zeit für viele neue Kontakte und herzliche Gespräche. Haften bleiben auch bewegende Momente, als die Narren durch das Brandenburger Tor ziehen oder Bundestagspräsidentin Claudia Roth uns in einer Plenarsitzung gesondert begrüßt und die bunte Schar sich unter Applaus der Bundestagsabgeordneten winkend erhebt. Stehende Ovationen einmal andersherum.

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Garde als CSU-ler

Ein besonderes Bild bieten die Narren auch, als sie im CDU-Fraktionssaal auf den Stühlen sitzen, auf denen normalerweise Abgeordnete Platz nehmen. Die jungen Reichenauer Grundele-Tänzerinnen hocken auf den Stühlen der CSU-Vertreter. Aufmerksam lauschen die jungen Damen interessiert den Ausführungen des regionalen Bundestagsabgeordneten Andreas Jung. Der wohnt auch auf der Reichenau. Abends wirbeln die Grundele mit schwungvollen Tänzen über die Bühne, wie zwei Tage später beim Narrenspiegel der Bohlinger Trubehüeter.

Die eigene Erkenntnis nach der Berlin-Reise: Der Spaß an der Fasnacht lebt neu auf, mit der Vorfreude, närrische Weggefährten wieder zu treffen. In närrischen Tagen wie diesen.

albert.bittlingmaier@suedkurier.de