Während andere Jugendliche die Schulbank drücken, dürfen 26 Schüler einer neunten Klasse aus dem Friedrich-Wöhler-Gymnasium in Singen für eine Woche zu Filmemachern werden. Das Projekt „spots. – Bündnisse für Filmkultur, Jugend und Demokratie“ der Deutschen Filmakademie besteht aus einer Reihe praxisnaher Workshops.
Ziel ist nach Angaben der Veranstalter die Stärkung von kulturellem und sozialem Engagement im ländlichen Raum. Sprich: Die Schüler sollen sich kritisch mit Themen wie Diskriminierung und Sozialverhalten auseinandersetzen. Und das in Form von eigenständigen Filmdrehs, um im gleichen Zuge die Filmbildung zu stärken.
Das Kulturzentrum Gems sei über einen Aufruf von „spots.“ auf das Projekt aufmerksam geworden und nach Rücksprache mit der Deutschen Filmakademie als Standort ausgewählt worden, berichtet die lokale Projektkoordinatorin Melanie Patzke. Da die Gems schon seit vielen Jahren in Form von Theateraufführungen mit dem Friedrich-Wöhler-Gymnasium kooperiere, habe die Schule sofort Ja zum Projekt gesagt.
So wird aus der Theorie nun Praxis
Patzke zufolge begann die Woche für die Jugendlichen mit einem dreistündigen Workshop zum Thema Antidiskriminierung und Einfühlungsvermögen. Anschließend wurde die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt, um mit der Filmpraxis beginnen zu können. Die beiden Berliner Regisseure und Drehbuchautoren Jöns Jönsson und Tatjana Moutchnik übernahmen die Gruppen als Workshop-Leiter.
Das Projekt begann erst einmal mit einer theoretischen Einführung in das Thema Film, so Patzke. Anschließend startete die Entwicklung der eigenen Kurzfilme. „Erst einmal musste ich herausfinden, was die Jugendlichen beschäftigt. Ich habe sie gefragt, was sie im Alltagsleben nervt“, erklärt der schwedische Filmemacher Jönsson seine Herangehensweise.
Die Antworten seien recht ähnlich gewesen: Das Thema Identität spiele eine entscheidende Rolle im Leben der Schüler. Das Thema solle nun durch das Filmen von Gesprächen in einen kleinen Dokumentarfilm umgesetzt werden. Es sei angedacht, dass die Schüler sich gegenseitig filmen und spontan über Identität sprechen.

Doch bevor die erste Klappe geschlagen wird, sitzen die Schüler mit Jönsson in einem Stuhlkreis zusammen und besprechen die Aufgaben- und Rollenverteilung. „Alle sollen Spaß haben und sich wohlfühlen“, das ist Jönsson wichtig. Außerdem seien nur die filmische Umsetzung und die verschiedenen Fragen geplant, aber auf keinen Fall die Antworten. „Das ist auch ein realistisches Projekt in der kurzen Zeit“, so Jönsson. Denn am Freitag solle der Film vollständig abgedreht und geschnitten sein.
So kommt das Projekt an
Auch Tatjana Moutchnik, die den anderen Teil der Klasse übernommen hat, plant eine Dokumentation mit Interviewausschnitten. „Verschiedene Schüler sollen nach dem Biotop Schule befragt werden. Es werden Themen wie Cliquenbildung, Ausgrenzung und Diskriminierung angerissen“, fasst sie das Vorhaben zusammen. Momentan sei ihre Gruppe damit beschäftigt ein zum Wohlfühlen geeignetes Setting aufzubauen, den Drehplan zu entwerfen und Motive zu suchen, bevor es dann an den Dreh mit Tablets und Stativen geht.
Das Projekt käme insgesamt sehr gut an, durch die vielen Informationen seien auch einige Fragen aufgekommen, erzählt Moutchnik. Schülerstimmen bestätigen diesen Eindruck: Sie hätten viel Neues gelernt und echt etwas erlebt mit der Klasse. „Das Projekt stärkt auf jeden Fall die Klassengemeinschaft. Alle reden miteinander und keiner wird ausgeschlossen“, sagt eine Schülerin. Auch Moutchnik lobt die Teamfähigkeit, die unter anderem Ziel des Projekts ist: „Sie ziehen alle an einem Strang!“
Erst kritisch schauen, dann selbst zeigen
Nach dieser Woche voller Eindrücke und filmischer Erfahrungen werden die Schüler des Singener Gymnasiums erst einmal wieder an ihre Schule zurückkehren. Doch das Projekt ist dann noch nicht beendet. In der nächsten Zeit sollen die Jugendlichen sensibilisiert werden, wie man Filme kritisch betrachtet, so Patzke. Denn für das im Februar anstehende Filmfest dürfen sie Filme auswählen, die ihrer Meinung nach eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung haben. Am Filmfest soll gleichzeitig die Premiere der beiden selbst gedrehten Kurzfilme sein.