Singen leidet unter dem zunehmenden Lärm im Straßenverkehr – da sind sich die Gemeinderäte einig. Deshalb besteht schon seit Längerem der Wunsch: Die Stadt soll leiser werden. Dabei helfen soll die Fortschreibung des Lärmaktionsplans. Doch die Meinungen über dessen Entwurf spalten den Singener Gemeinderat. Streitpunkt im Gremium ist eine Reduzierung der zugelassenen Geschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde auf den Hauptverkehrsachsen (der SÜDKURIER berichtete). Vor allem vonseiten der CDU gibt es gegen den Maßnahmenkatalog harsche Kritik.

Lärm belastet Stadtbewohner

Für Stadtrat Franz Hirschle (CDU) steht fest: Lärm in der Stadt bedeute grundsätzlich für die dort lebenden Menschen eine hohe gesundheitliche Belastung. „Die Aufenthaltsqualität einer Stadt steigt natürlich auch dadurch, je ruhiger die Straßen sind“, sagte er. Dennoch sei er kein Freund von grundsätzlichen Tempo-30-Zonen im gesamten Stadtgebiet, wie Hirschle betont. Denn laut seiner Einschätzung seien diese weder aus Sicherheits- noch aus Umweltgründen zielführend. Im Gegenteil: „Tempo 30 auf Hauptverkehrsachsen führt zu erhöhtem Ausweichverkehr in Wohngebiete mit unerwünschten Folgewirkungen“, so der CDU-Stadtrat.

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Als eine Folge nannte Hirschle unerwünschten Schleichverkehr durch die Wohngebiete. Zudem betonte er, dass das Motorengeräusch bei Tempo 30 im dritten Gang sich nicht wesentlich von dem bei Tempo 50 im vierten Gang unterscheide. „Studien haben gezeigt, dass es keine nennenswerte Lärmreduktion bei Tempo 30 gibt“, so Hirschle. Das Motorengeräusch sei unabhängig von der Drehzahl – das würde man von den unerwünschten Tunern kennen, die mit hoher Drehzahl durch die Stadt brettern und dabei erheblichen Krach machen würden. Sein Alternativvorschlag: intelligent koordinierte Ampelschaltungen. „Dadurch wird unnötiges Beschleunigen und Abbremsen vermieden“, sagte Hirschle.

CDU für Bürgerbeteiligung

Die CDU sprach sich deshalb für eine Bürgerbeteiligung, eventuell sogar für einen Bürgerentscheid aus. Auch Stadtrat Markus Weber (Neue Linie) zeigte sich skeptisch. Er sei kein Gegner des Lärmaktionsplanes, sehe aber, dass darin Hoffnungen bei den Bürgern geweckt werden, die man nicht wisse, ob man sie halten könne. Etwa mit Blick auf den Stadtbusverkehr: „Wenn wir überall ganztägig Tempo 30 einführen, können wir die Bustaktungen nicht halten“, kritisierte er. Weber fordere deshalb eine Überarbeitung des Entwurfes, „und zwar bevor wir damit an die Öffentlichkeit gehen“.

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Ob der Gegenwind aus dem Gremium für die CDU nun 30 oder 50 Kilometer pro Stunde betrug, sei dahingestellt. Fest steht aber: Es gab ihn. Stadträtin Isabelle Büren-Brauch (Grüne) sah es als Affront an, die vorliegenden Gutachten und deren Ergebnisse infrage zu stellen. „99 Prozent der Anwohner der betroffenen Straßen würden über Tempo 30 jubeln. Diese Straßen sind einfach überlastet“, sagte sie. Auch den Hinweis der CDU zu verlängerten Fahrtzeiten ließ sie nicht gelten: Denn für Einsatzfahrzeuge würden diese Vorschriften im Ernstfall nicht gelten. Unterstützung erhielt sie von Stadtrat Walafried Schrott (SPD). Er merkte an, dass in Rielasingen im ganzen Ort Tempo 30 gelte. „Dort braucht niemand zwei Minuten länger“, so Schrott. Er rechne damit, dass sich die Lärmbelastung durch die vorgeschlagenen Maßnahmen um die Hälfte verringern werde. „Tempo 30 ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz“, sagte Schrott. Zu Erinnerung: Die Stadt Singen will bis zum Jahr 2035 komplett klimaneutral agieren.

Stadtrat Eberhard Röhm (Grüne) machte darauf aufmerksam, dass Stadtwohnungen im Sommer warm sind und die Bewohner die Fenster aufreißen würden. „Wir können nicht sagen: Wer an einer Hauptstraße wohnt, wird halt krank“, so Röhm. Der Lärmaktionsplan sei für ihn nur ein erster Schritt, auf den viele weitere folgen werden müssen. Stadtrat Hubertus Both (FW) pflichtete ihm bei: „Städte sind zum Leben da, da müssen wir schauen, dass wir eine hohe Lebensqualität schaffen. Lärm passt da nicht dazu.“ Er erinnerte daran, dass man nur einen Entwurf beschließen würde.

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Stadtrat Dirk Oehle (Neue Linie) war teilweise anderer Meinung. „Wir sind eine Stadt und kein Naherholungsort. Wir dürfen den Verkehr nicht tot kastrieren.“ Es gebe noch mehr Lärmquellen als den Verkehr. Doch der Lärmaktionsplan würde nur bestimmte Bereiche betrachten.

Am Ende sprach sich der Gemeinderat für den Entwurf des Lärmaktionsplanes mehrheitlich aus und stimmte der zeitnahen Beteiligung der Öffentlichkeit zu.