Was in jener Augustnacht geschah, als Jannik Wörner der Teestube verwiesen wurde – dem eigenen Bekunden nach unter anderem mit einem Schlag auf die Schläfe, kann hier nicht rekonstruiert werden. So viel sei nur gesagt: Man kann davon ausgehen, dass zuvor einige Flaschen Bier über den Tresen gingen und auch wenn im Wein Wahrheit liegen mag, ist die Erinnerung an diese oft bereits am nächsten Tag nicht mehr so frisch. Wörner jedenfalls kontaktierte nach seinem Rausschmiss nicht die Polizei, sondern den SÜDKURIER, um seine Sicht auf den Abend darzulegen: Nach einigen Stunden einträchtiger Geselligkeit mit anderen Besuchern habe er seine Mitgliedschaft in einer Studentenverbindung enthüllt, woraufhin die Stimmung recht plötzlich gekippt sei.
Im Artikel beteuert er, in jener Nacht auf die politische Neutralität seiner Verbindung verwiesen zu haben, sowie seine eigene links-liberale Gesinnung. Ferner warf er dem selbstverwalteten Zentrum in der Freiheitsstraße dementsprechend öffentlich Intoleranz vor.

Von Gästen der Teestube, welche an jenem Abend auch anwesend waren, hört man hingegen, er habe unter anderem mit politisch zweifelhaften Sprüchen provoziert, weswegen vom Hausrecht Gebrauch gemacht wurde. Ob an Wörners Vorwurf der Handgreiflichkeit etwas dran war, konnte niemand ausschließen oder bestätigen – wenn, dann sei es im Innenhof oder außerhalb des Geländes dazu gekommen.
Aufklärung gegen rechtskonservative Tendenzen
Anlass der Veranstaltung, zu der die Teestube eingeladen hat, war jener SÜDKURIER-Bericht: Während seiner Recherchen zum studentischen Verbindungswesen in Deutschland wurde Autor Lucius Teidelbaum auf den Artikel aufmerksam. Teidelbaum kontaktierte die Teestube mit dem Angebot, auf Grundlage seiner andauernden Recherchen, einen Vortrag über das Verbindungswesen halten zu können.
15 überwiegend junge Besucher verfolgten den auf die teestubeninterne Leinwand projizierten Vortrag. Teidelbaum stellte gleich zu Beginn seiner „Einführung in die Kritik des Prinzips Studentenverbindung“ klar, dass natürlich nicht jede Verbindung rechtsradikal sei.
Den verbreiteten Vorwurf, das Verbindungs-Milieu sei konservativ und elitär, müssten Verbindungsstudenten allerdings über sich ergehen lassen: Insbesondere den Umstand, dass die meisten Verbindungen reine „Männerbünde“ seien, beziehungsweise Frauen als Mitglieder nicht aufgenommen werden, bezeichnete Teidelbaum als eine nicht mehr zeitgemäße Form des Konservativismus. Schon aus diesem Grund – suggerierte der Referent – wäre ein Verweis Wörners für ihn nachvollziehbar gewesen. Schließlich habe sich dieser, als Mitglied einer Vereinigung, die Frauen ausschließt, in einen aktiv feministischen auf Gleichberechtigung hinarbeitenden Raum begeben.
Neben einem schwer nachvollziehbaren Festhalten am ewig Gestrigen – zu dem in manchen sich unpolitisch gebenden Gruppen anscheinend auch die Geburtstagsfeier Bismarcks gehört – kritisierte der Referent vor allem die fehlende Abgrenzung derselben von eindeutig rechtsextremen Verbindungen. Vielmehr konnte Teidelbaum zeigen, dass hier durchaus übergeordnete Kontakte bestehen und öffentliche Freundschaftsbekundungen zwischen vermeintlich neutralen und gesinnungsmäßig fragwürdigen Gruppen nicht ungewöhnlich sind.
Die Mythen der Verbindungsmilieus
Darüber hinaus gelang es dem Referenten, zwei fundamentale Narrative des Verbindungsmilieus als Mythos zu entlarven: Zum einen seien die Ursprünge der Bewegung nicht in erster Linie demokratisch, sondern zumindest im gleichen Maße chauvinistisch gewesen. Zum anderen hätte das Verbindungsmilieu, obgleich Studentenverbindungen im Nationalsozialismus aufgelöst wurden, an dessen Aufstieg einen nicht zu unterschätzenden Anteil gehabt: So wurden viele der rechten Freikorps, welche die Weimarer Republik destabilisierten, von Studentenverbindungen aufgestellt.
Freilich ändere dies nichts daran, dass es auch einige Widerstandskämpfer gab, die in Verbindungen aktiv waren und deren Verdienst laut Teidelbaum in keiner Weise in Frage zu stellen sei. Ohnehin gelte seine Kritik nicht Einzelpersonen, sondern dem Verbindungsmilieu und dessen Selbstverständnis im übergeordneten Sinne.