Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof ist insolvent – wieder einmal, denn nach April 2020 und Oktober 2022 ist es nun schon die dritte Insolvenz, die die Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner des Traditionsunternehmens zu ertragen haben. In Singen werden da unangenehme Erinnerungen an frühere Insolvenzen wach – und so sorgen sich Verantwortliche aus Politik und Handel um den Karstadt-Standort in bester Innenstadt-Lage. Aber es gibt auch Kritik an der Geschäftspolitik des Konzerns und Hoffnung für die Zukunft.

Sorgen um den Singener Standort von Galeria Karstadt Kaufhof, in Singen schlicht als Karstadt bekannt, macht man sich bei Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderung. Sollte das Singener Haus aufgrund der Insolvenz schließen müssen, hätte man es mit einem riesigen Leerstand zu tun. Zur Erinnerung: Das Warenhaus an Bahnhof und August-Ruf-Straße hat etwa 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Sollten diese auf einen Schlag frei werden, wäre es zweifellos eine Herausforderung, sie wieder zu füllen.

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Claudia Kessler-Franzen, Geschäftsführerin des Standortmarketingvereins Singen aktiv und Leiterin der städtischen Stabstelle Wirtschaftsförderung, schreibt auf Anfrage: „Grundsätzlich haben wir natürlich große Sorgen um das Karstadt-Haus.“ Auch Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler erklärt: „Natürlich ist die Sorge um Karstadt am Standort Singen groß.“ Denn: „Die erneute Insolvenz von Galeria Karstadt ist für den Einzelhandel und für viele Innenstädte in Deutschland ein schwerer Schlag, auch für Singen.“

„Ich bedauere es sehr, weil man im Karstadt alles bekommen hat.“ Inge Kaesmacher, Karstadt-Kundin aus Radolfzell
„Ich bedauere es sehr, weil man im Karstadt alles bekommen hat.“ Inge Kaesmacher, Karstadt-Kundin aus Radolfzell | Bild: Lilian Steigele

Dass Karstadt in Singen tatsächlich schließt, davon wollen beide in ihren Stellungnahmen aber nicht ausgehen: „Wir gehen auch weiterhin davon aus, dass Karstadt in Singen bleibt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort auch weiterhin ihren Arbeitsplatz haben werden. Karstadt gehört seit einem halben Jahrhundert zur Einkaufsstadt Singen“, so OB Häusler. Er sei überzeugt, dass ein Warenhaus in Singen auch im Zeitalter des Online-Kaufs eine Zukunft hat. Und nicht zuletzt habe die Stadt das Umfeld in den vergangenen Jahren deutlich aufgewertet. Kessler-Franzen schreibt: „Im Fokus steht das Fortleben.“

„Karstadt würde mir sehr fehlen, wenn er nicht mehr da wäre.“ Alma Gross, Karstadt-Kundin aus Radolfzell
„Karstadt würde mir sehr fehlen, wenn er nicht mehr da wäre.“ Alma Gross, Karstadt-Kundin aus Radolfzell | Bild: Lilian Steigele

Was mit dem Singener Warenhaus passiert, darauf dürften lokale Akteure allerdings wenig Einfluss haben. Vorläufiger Insolvenzverwalter ist Stefan Denkhaus aus Hamburg. Und schon bei der vergangenen Insolvenz im Jahr 2023 seien die Vermieter des Singener Hauses bei der Miethöhe an die Grenze des Erträglichen gegangen, erinnert sich Markus Klemt. Er hatte sich damals als Gewerkschaftssekretär bei Verdi für den Erhalt der Standorte eingesetzt.

„Wir gehen auch weiterhin davon aus, dass Karstadt in Singen bleibt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort auch weiterhin ...
„Wir gehen auch weiterhin davon aus, dass Karstadt in Singen bleibt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort auch weiterhin Ihren Arbeitsplatz haben werden.“ Bernd Häusler, Oberbürgermeister von Singen | Bild: Graziella Verchio

Ein Entgegenkommen bei der Miete gab es zudem nicht nur 2023, sondern auch schon 2020, wie der SÜDKURIER damals berichtete. Ob an dieser Stelle weiteres Entgegenkommen zu erwarten ist, ist fraglich. Damals habe er sich gefreut, dass alle sechs Karstadt-Häuser in Südbaden überlebt haben, sagt Klemt, der aufgrund einer längeren Erkrankung nicht mehr so intensiv an den Aktivitäten rund um Karstadt beteiligt ist. Doch nun seien alle sechs Häuser, zu denen auch das in Konstanz gehört, erneut gefährdet.

Große Belastung für die Mitarbeiter

Bei der Gewerkschaft stehen die Mitarbeiter naturgemäß im Mittelpunkt, und auch OB Häusler und Wirtschaftsförderin Kessler-Franzen lenken den Blick auf die Menschen, die in dem Warenhaus arbeiten. Nach aktuellem Stand sind das immerhin etwas mehr als 100 Personen. „Vor allem ist es aber eine schwere Belastung für die Beschäftigten in unserer Karstadt-Filiale, die erneut um die Zukunft ihrer Arbeitsplätze bangen müssen“, schreibt Häusler. Bei der Rettung 2020 wurde der Lebensmittelbereich im Untergeschoss abgestoßen, erst im Frühjahr 2023 hatte auch das Restaurant geschlossen.

„Insbesondere für die oft langjährigen Mitarbeitenden ist die dritte Insolvenz in kürzester Zeitenfolge sehr anspruchsvoll und belastend“, heißt es bei Kessler-Franzen.

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Auch Falk Wöhrle, Vorsitzender des Handelsverbands Singen, sagt: „Für die Mitarbeiter ist es emotional ernüchternd, dass nun schon wieder eine Insolvenz kommt.“ Ein direkter Kontakt zur Mitarbeitervertretung im Singener Karstadt-Haus ließ sich vorerst nicht aufbauen. Eine entsprechende Anfrage, die per E-Mail gestellt werden musste, habe man an die Essener Pressestelle des Unternehmens weitergeleitet, heißt es in einer Antwort aus der Singener Filiale. Dort blieb die Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

„Für die Mitarbeiter ist es emotional ernüchternd, dass nun schon wieder eine Insolvenz kommt.“ Falk Wöhrle, Vorsitzender ...
„Für die Mitarbeiter ist es emotional ernüchternd, dass nun schon wieder eine Insolvenz kommt.“ Falk Wöhrle, Vorsitzender des Handelsverbands Singen | Bild: Falk Wöhrle

Bei aller Sorge gibt es aber auch Chancen. Eine davon hängt mit der Immobilie in Singen zusammen. Denn Galeria Karstadt Kaufhof gehört zu René Benkos Signa-Firmenimperium, zu dem an vielen Stellen auch die Gebäude der Warenhäuser gehören. Im Klartext: René Benko vermietet in solchen Fällen an sich selbst, was zumindest zeitweise nach SÜDKURIER-Recherchen auch in Konstanz so war. Laut Medienberichten kassiere der Immobilienteil der Firmengruppe dann zu hohe Mieten von den Warenhäusern. Das ist in Singen anders, wo eine regionale Eigentümergemeinschaft das Gebäude vermietet. Laut Falk Wöhrle birgt das eine Chance. Denn die hohen Mieten seien dadurch in Singen kein Belastungsfaktor.

Es gibt auch Optimismus

Wöhrle zeigt sich auch aus anderen Gründen optimistisch für den Standort. Die Nähe zur Schweiz, die gute Kaufkraft in der Region und den gesunden Standort hebt er hervor: „Aus diesen guten Gründen gehe ich davon aus, dass Karstadt in Singen bleibt.“ Dass das Singener Haus gute Zahlen aufweise, ist auch die Information von OB Häusler und Wirtschaftsförderin Kessler-Franzen.

„Im Fokus steht das Fortleben.“ Claudia Kessler-Franzen, Geschäftsführerin des Standortmarketingvereins Singen aktiv und ...
„Im Fokus steht das Fortleben.“ Claudia Kessler-Franzen, Geschäftsführerin des Standortmarketingvereins Singen aktiv und Leiterin der städtischen Stabstelle Wirtschaftsförderung | Bild: Singen aktiv

Falk Wöhrle führt allerdings auch ein großes Aber ins Feld: Es müsse gelingen, einen neuen Investor zu finden, der das Warenhaus wirklich strategisch neu ausrichte. Die Vorgehensweise von Benko, durch die hohe Mieten in die eigenen Immobilienunternehmen fließen, sehe er kritisch, so Wöhrle – inklusive der staatlichen Hilfen, die bei früheren Insolvenzen bereits flossen.

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Sollte es trotz allem zu einer Schließung des Singener Kaufhauses kommen, so habe das Gebäude in „attraktiver 1A-Lage“ bei allem Verlust für den Handelsstandort auch das Potenzial für eine Nachnutzung, erklärt Claudia Kessler-Franzen.

Ähnlich sieht es Kitty Molnar, Leiterin des gegenüber liegenden Einkaufszentrums Cano. Zuletzt habe man Glück gehabt, dass Karstadt geblieben ist, sagt sie. Doch sollte es zur Schließung kommen, gebe es eventuell auch neue Chancen für den Standort – zum Beispiel wenn jemand anderes die Chancen in der Nähe zur Schweiz sehe, wie es ihr eigener Arbeitgeber ECE vor der Ansiedlung des Einkaufszentrums getan habe.