Mehr als eine Milliarde Euro Steuereinnahmen in einem Jahr: Das konnte Solveig Elze, Leiterein des Singener Finanzamts, erstmals für das Jahr 2017 vermelden. Und wie die Statistik des Finanzamts zeigt, ist dieser Wert seitdem nicht mehr unter die Marke von einer Milliarde Euro gesunken (siehe Grafik). Das Steueraufkommen, das durch die Kassen des Finanzamtes floss, ist sogar leicht gegenüber 2021 gestiegen. Und das obwohl der Solidaritätszuschlag – im Volksmund Soli – für die weitaus meisten Steuerzahler weggefallen ist, wie Elze betont.
Daran kann man ablesen: Die Einkommenssituation in der Region hat sich nach einer Corona-bedingten Delle im Jahr 2020 wieder stabilisiert, so die Amtschefin. Und Andreas Bernhart, Sachgebietsleiter Grundstückswertstelle und EDV, ergänzt: „Das produzierende Gewerbe lief ja weiter.“ Die Lohnsteuern, die für Arbeitnehmer abgeführt werden, machen einen großen Batzen dessen aus, was das Singener Finanzamt einnimmt.
Aus der Finanzamtsstatistik kann man auch herauslesen, dass die Lohnsteuer für Arbeitnehmer von 2020 bis 2021 deutlich stabiler geblieben ist als die Einkommensteuer, die beispielsweise auf Einkünfte aus selbstständiger Arbeit oder Kapitaleinkünfte erhoben wird. Für eine Erholung im Wirtschaftsleben spricht auch die Entwicklung der Körperschaftsteuer, die 2020 ein sehr niedrigen Wert erreicht hat, 2021 aber wieder beinahe so hoch war wie 2019, dem Jahr vor der Corona-Krise. Körperschaftsteuer wird von juristischen Personen wie Kapitalgesellschaften, Genossenschaften oder Vereinen von deren zu versteuerndem Einkommen kassiert – allerdings nur am jeweiligen Sitz, wie Andreas Bernhart erklärt.
Ein großes Thema für Finanzamt wie Steuerzahler wird in diesem Jahr indes die Grundsteuer sein. Diese ist zwar eine kommunale Steuer, die eigentlich direkt an Städte und Gemeinden fließt und nicht durch die Kassen des Finanzamtes. Doch ab dem 1. Januar 2025 wird diese Steuer auf einer neuen Basis berechnet. Die bisherigen Werte, die der Berechnung der Grundsteuer zugrunde liegen, stammen aus dem Jahr 1964 – eine Praxis, die das Bundesverfassungsgericht 2018 als nicht verfassungsgemäß gekippt hat. Das Argument des Gerichts stellt das Landesfinanzministerium so dar: Die bisherige Praxis der Grundsteuererhebung auf der Grundlage von Einheitswerten behandle gleichartige Grundstücke unterschiedlich – die Grundsteuer musste neu geregelt werden.
120.000 Grundstücke im Bereich der Singener Behörde sind von der Neuregelung betroffen, davon 100.000 gewöhnliche Grundstücke, auf denen beispielsweise Wohnhäuser stehen, und 20.000 landwirtschaftliche Einheiten. Damit ist der Grund gemeint, der zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehört. Und viele Bürger seien schon jetzt alarmiert und wollten vom Finanzamt wissen, was zu tun sei, erzählen Elze und Bernhart. Die Antwort auf diese Frage lautet: erst einmal nichts. Denn in diesem Jahr laufen nur die Vorarbeiten für die neue Grundsteuer.
Langer Weg zur neuen Grundsteuer
Und dabei ist das Finanzamt wieder im Spiel. Denn die Finanzämter müssen die Grundstücke neu bewerten. Dafür müssen die Eigentümer eine Feststellungserklärung abgeben, erklärt Solveig Elze. Obwohl dabei der Wert zum Stichtag 1. Januar 2022 gilt, besteht hierbei noch kein Druck. Ab Mai werde es Informationsschreiben an die Grundstücksbesitzer geben, in denen die Vorgehensweise erklärt werde.
Entscheidend für diese Feststellungserklärung ist die Größe des Grundstücks und der Bodenrichtwert einer Gemeinde. Beides wird miteinander malgenommen und ergibt den Grundsteuerwert eines Grundstücks. Die Bebauung spiele dann keine Rolle, sagt Bernhart. Die Bodenrichtwerte legen laut ihm wiederum die Gutachterausschüsse fest, die ihre Ergebnisse bis 30. Juni in einer Datenbank veröffentlicht haben müssen. Diese Gremien würden jetzt kräftig arbeiten, sagt Elze. Die Eigentümer können ihre Feststellungserklärung wiederum ab dem 1. Juli bis Ende Oktober einschicken.
Die neue Grundsteuer laufe dabei allein über das digitale Steuererklärungsportal Elster, sagt Andreas Bernhart, der für die alte Grundsteuer auf einen Kilometer Akten blicken kann. Dabei gebe es sehr hohe Sicherheitsstandards. Ein Hackerangriff auf die Daten sei praktisch ausgeschlossen, ergänzt Finanzamtsleiterin Elze. Wer sich die Meldung im Internet nicht zutraut, könne einen Online-affinen Verwandten um Hilfe bitten. Und Vordrucke gebe es im Ausnahmefall auch noch.
Damit aus dem Grundsteuerwert ein Grundsteuerbetrag wird, wird dieser zunächst mit der gesetzlich festgelegten Messzahl malgenommen. Diese liegt bei 1,3 Promille vom Wert, bei Wohngebäuden bei 0,91 Promille. Und schließlich wird dieser Wert mit dem Hebesatz malgenommen, den wiederum die Gemeinden festlegen.
Da die Städte und Gemeinden nach der Reform gleich viel Grundsteuer einnehmen sollen wir zuvor, kann sich der Hebesatz noch ändern. Und Grundstückseigentümer müssen sich darauf einstellen, dass ihre Grundsteuer steigen oder fallen kann – genau wie Mieter, denn die Grundsteuer darf über die Nebenkosten umgelegt werden. Doch Elze beruhigt: „Es wird nicht zu Verschiebungen kommen, nach denen Oma Erna sich ihr Häuschen nicht mehr leisten kann.“