Bei der abschließenden Haushaltsberatung für das Jahr 2022 herrscht im Gemeinderat traute Einigkeit: Das städtische Finanzpapier ist eines zum Durchschnaufen. Es verschafft der Stadt Singen den nötigen Spielraum, um nach zwei Corona-Jahren wieder mehr finanziellen Speck anzulegen. Ein Überblick, wo die Fraktionen ihre Schwerpunkte sehen.

Gute Aussicht, aber noch keine Entwarnung

Konsolidierung sei wichtig, ist sich Hubertus Both (FW) sicher, doch sie kenne ihre Grenzen. „Eine Stadt mit ihren vielfältigen Pflichten kann sich nicht endlos konsolidieren“, betont er. Die Bürger hätten viele Wünsche und viele Investitionen stünden an, etwa die Scheffelhalle oder eine neue Feuerwehr. „Aber Investitionen sind das Eine, die damit verbundenen Folgekosten wie Instandhaltung das Andere“, so Both.

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Auch Eberhard Röhm (Grüne) schrillen trotz guter Aussichten die Warnglocken. „Die Haushalte 2024 und 2025 müssen schon aus Überschüssen der Vorjahre finanziert werden“, sagt Röhm. So seien die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen und Ganztagesbetreuung an den Grundschulen noch gar nicht aufgeführt. „All diese Projekte verursachen laufende Kosten, die wir aus dem Ergebnishaushalt finanzieren müssen“, sagt Röhm.

Franz Hirschle, CDU: „Wir haben in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und können deshalb weiterarbeiten.“
Franz Hirschle, CDU: „Wir haben in den letzten Jahren gut gewirtschaftet und können deshalb weiterarbeiten.“ | Bild: SK

Tiefenreute im Fokus

Mit dem Gewerbegebiet Tiefenreute geht für Franz Hirschle (CDU) ein weiteres und wichtiges Industrievorhaben an den Start. Er zeigt sich froh, dass Unternehmen damit die Möglichkeit haben, sich in Singen niederzulassen. „Wir müssen aber auch darauf achten, dass den bereits ansässigen Unternehmen die Möglichkeit gegeben wird, sich zu erweitern“, so Hirschle. Die heimische Industrie und das Gewerbe sollten deshalb vorrangig berücksichtigt werden.

Eberhard Röhm, Grüne: „Wenn man auf das letzte Jahr schaut, mit schlechten Prognosen, haben wir jetzt Grund zur Freude.“
Eberhard Röhm, Grüne: „Wenn man auf das letzte Jahr schaut, mit schlechten Prognosen, haben wir jetzt Grund zur Freude.“ | Bild: SK

Kommt die Nordstadt-Kita überhaupt?

Im Haushaltsplan 2022 fehlt die dringend benötigte Kita in der Nordstadt erneut. Laut Eberhard Röhm (Grüne) sei es fraglich, ob die Kita-Plätze in Singen auf Dauer ausreichen werden. Hinzu käme, dass die aktuellen Zahlen durch Corona nur bedingt aussagefähig seien: „Die grüne Fraktion ist der Überzeugung, dass wir einen zusätzlichen Nordstadtkindergarten brauchen.“

Bild 3: 18,3 Millionen an Investitionen: Worüber beim Singener Haushalt für 2022 diskutiert wurde
Bild: Mirjam Ballweg

Walafried Schrott (SPD) kündigte an, dass seine Fraktion im Sommer sehr genau auf die Bedarfsplanung schauen werde. „Auch mit Hinblick auf die Situation in der Nordstadt“, verspricht er. Auch Hubertus Both vermisse die Einstellung finanzieller Mittel für die Nordstadt-Kita. „Auch wenn uns die Verwaltung erklärt, dass der Bedarf gedeckt ist – wir glauben dies nicht“, sagt er.

Kirsten Brößke, FDP: „Die finanzielle Situation darf uns kein Wunschkonzert anstimmen lassen.“
Kirsten Brößke, FDP: „Die finanzielle Situation darf uns kein Wunschkonzert anstimmen lassen.“ | Bild: Thomas Wöhrstein

Kirsten Brößke (FDP) widerspricht: Ihrer Einschätzung nach sei es durch Um- und Anbauten in den bestehenden Einrichtungen gelungen, den gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz zu erfüllen. „Der Neubau einer weiteren Kita ist damit in den nächsten Jahren nicht erforderlich“, so Brößke.

Dirk Oehle, Neue Linie: „Der Haushalt ist nicht so angespannt wie der der letzten Jahre, als uns Corona in die Knie zwang.“
Dirk Oehle, Neue Linie: „Der Haushalt ist nicht so angespannt wie der der letzten Jahre, als uns Corona in die Knie zwang.“ | Bild: SK

Ins FriWö regnet es rein

Eine der dringlichsten Aufgaben sei laut Dirk Oehle (Neue Linie) die Schuldachsanierung am Friedrich-Wöhler-Gymnasium. Sie schlagen mit 1,6 Millionen Euro zu Buche.

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Walafried Schrott pflichtet ihm bei. Er fordert mehr Tempo bei der energetischen Sanierung städtischer Gebäude. „Dies gilt insbesondere für die Sanierung von Schulen wie dem FriWö und der Zeppelinschule“, sagt er. Aber auch bei den hohen Energiestandards bei zu planenden Erweiterungsbauten etwa an der Bruderhofschule.

Birgit Kloos, SöS: „Einiges, was an Projekten angedacht ist, muss wohl verschoben werden.“
Birgit Kloos, SöS: „Einiges, was an Projekten angedacht ist, muss wohl verschoben werden.“ | Bild: SK

Steuern hoch oder runter

Weil Sparen weiter an der Tagesordnung stehe, will Birgit Kloos die Einnahmenseite der Stadt mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer verbessern. „Vergleichbare Gemeinden liegen dort höher.“ Dirk Oehle ist ein klarer Gegner von Steuererhöhungen. Der Neuen Linie sei es wichtig, dass die Stadt seit Jahren mit konstanten Steuersätzen agiere. „Es ist leicht, wenn das Geld nicht reicht oder knapp wird an der Steuerschraube zu drehen“, betont er. Unternehmer sollten nicht zusätzlich belastet werden.

Auto- gegen Radverkehr

Kein Zweifel lässt Franz Hirschle, dass der motorisierte Individualverkehr reduziert werden müsse. Allerdings nicht um jeden Preis. „Einer einseitige Ausrichtung mit dem Verbannen der Autos aus der Stadt und der Abschaffung oberflächlicher Parkmöglichkeiten steht die CDU kritisch gegenüber“, sagt er.

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Auch Kirsten Brößke wolle die Belange des Verkehrs in der Innenstadt nicht vollständig vernachlässigen. „Es werden nach wie vor auch oberirdische Parkplätze und Parkhäuser für Bahnkunden, Pendler und Anwohner gebraucht werden“, betont sie. Es sei der falsche Weg, immer mehr Parkplätze abzuschaffen: „Denn Autos werden sich nicht in Luft auflösen und auch E-Autos brauchen Parkplätze.“

Der Abschnitt der Singener Erzbergerstraße zwischen Ekkehardstraße (vorne) und Freiheitstraße (im Hintergrund) soll auf Tempo 30 ...
Der Abschnitt der Singener Erzbergerstraße zwischen Ekkehardstraße (vorne) und Freiheitstraße (im Hintergrund) soll auf Tempo 30 umgestellt werden. Links Bild die Ekkehard-Realschule. | Bild: Freißmann, Stephan

Eberhard Röhm fordert indes eine Verbesserung bei den Ost-West-Verbindungen in der Stadt. Die Planung für die Theodor-Hanloser-Straße und auch für die Freiheits- und Ekkehardstraße müssten noch in diesem Jahr kommen. „Damit die nötigen Fördermittel für 2023 zur Verfügung stehen“, so Röhm.

Wo sollen die Singener wohnen?

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum treibt Birgit Kloos um. „Fast jede größere Gemeinde im Umfeld hat einen Mietspiegel, nur Singen nicht“, sagt sie. So könne Leerstand von Wohnungen nicht bekämpft werden.

Walafried Schrott, SPD: „Der Haushalt für das Jahr 2022 ist jedoch nur einer zum Durchschnaufen und finanziell Luft holen.“
Walafried Schrott, SPD: „Der Haushalt für das Jahr 2022 ist jedoch nur einer zum Durchschnaufen und finanziell Luft holen.“ | Bild: SK

Auch für Walafried Schrott sei ein Mietspiegel eine zentrale Forderung. „Ein erster Schritt ist zudem die Verabschiedung von baulandpolitischen Grundsätzen, die eine Mindestquote von gefördertem Wohnraum beinhaltet“, so Schrott. Franz Hirschle spricht sich ebenfalls dafür aus, dass Wohnen und Bauen bezahlbar bleiben müsse. Aber. „Bauen ist auch eine ökonomische und soziale Frage und darf nicht ausschließlich ökologisch betrachtet werden.“ Er habe den Eindruck, dass sich der Gemeinderat durch zusätzliche Vorschriften das Bauen erschwere.

Wohin mit der Teestube?

Kritischster Punkt der diesjährigen Haushaltsberatung war sicherlich die Zukunft der Teestube. 1,4 Millionen Euro soll ein neuer Standort kosten. 640.000 Euro sind im Haushalt 2022 veranschlagt. „Die Umsiedlung der Teestube gibt uns augenblicklich etwas Denksport auf“, so Dirk Oehle. Die Wünsche der Jugendlichen seien sehr ausgeprägt, was sich in den Kosten widerspiegle.

Die Teestube soll weichen – doch wohin? Mit dieser Frage wird sich der Gemeinderat 2022 beschäftigen müssen.
Die Teestube soll weichen – doch wohin? Mit dieser Frage wird sich der Gemeinderat 2022 beschäftigen müssen. | Bild: Arndt, Isabelle

Eberhard Röhm sieht dies ähnlich: „Eine zügige Entwicklung des Scheffelareals kann den Wohnungsmarkt teilweise entlasten.“ Aber dafür sei es nötig einen Ersatzstandort für die Teestube zu finden. „Der aber finanziell in einem verantwortbarem Rahmen bleiben muss“, so Röhm. Kirsten Brößke wird da deutlicher. Sie stellt zur Debatte, ob es Aufgabe der Stadt sei, eine kleine Randgruppe so außerordentlich zu unterstützen. Es gebe viele Maßnahmen, etwa eine dreiteilige Sporthalle oder die Sanierung des Hallenbades, die höhere Priorität hätten. „Investitionen dieser Größe müssen auch dem Großteil der Bürger zugutekommen“, sagt sie.

Hubertus Both, FW: „Eine Stadt wie Singen mit ihren vielfältigen Pflichtaufgaben kann sich nicht endlos konsolidieren.“
Hubertus Both, FW: „Eine Stadt wie Singen mit ihren vielfältigen Pflichtaufgaben kann sich nicht endlos konsolidieren.“ | Bild: SK

Hallenbad und große Sporthalle

Erfreut zeigt sich Hubertus Both, dass die dreiteilige Sporthalle in der mittelfristigen Finanzplanung ab 2023 abgebildet sei. Aus gutem Grund: „Es geht hier um eine Sporthalle, die primär den Schulen zur Verfügung steht.“ Sport sei ein wichtiger Teil des Unterrichts und somit sei eine neue Halle eine Pflichtaufgabe des Schulträgers. Walafried Schrott fordert für ein weiteres Mammut-Projekt einen klaren Zeitrahmen: die Sanierung des Hallenbades. „In der Haushaltsberatung 2023 müssen wir eine schrittweise Realisierung beschließen“, sagt er.