Über 28.000 Menschen in Singen waren aufgefordert, ihre Stimme zur Landtagswahl abzugeben. Gerade einmal 14.000 davon haben ihr Wahlrecht wahrgenommen. „Das stimmt einen nachdenklich“, erklärt Singens Oberbürgermeister Bernd Häusler, nachdem auch der letzte Briefwahlbezirk ausgezählt war. Das Ergebnis aber sei so erwartbar gewesen: Dorothea Wehinger konnte für die Grünen ihr Ergebnis noch einmal verbessern. 25,4 Prozent holte sie 2016, jetzt 28,8 Prozent – wenngleich sie die Zahl ihrer Wähler nicht steigern konnte – mit 3995 Stimmen verlor sie 460. Noch dramatischer hat es SPD-Kandidat Hans-Peter Storz mit einem Minus von 651 Stimmen erwischt. Dennoch konnte er seinen Stimmanteil in der Stadt mit 15,4 Prozent nahezu stabil halten – 2016 waren es noch 15,9. „Wir hoffen und bangen, dass es Hans-Peter Storz in den Landtag schafft. Wir sind froh und erleichtert, dass er das Ergebnis von der Landtagswahl 2016 fast halten konnte und vor allem diesmal deutlich mehr Stimmen als die AfD erhalten hat“, betont Regina Brütsch als Sprecherin der SPD-Fraktion im Singener Gemeinderat.
Eine echte Gratulation konnte FDP-Kandidat Markus Bumiller von Kirsten Brößke, seiner Vorgängerin als Landtagswahlkandidatin, entgegennehmen: „Es war ein schwieriger Wahlkampf unter den Vorzeichen der Pandemie und trotzdem hat er das Ergebnis gesteigert“, bilanziert sie. Brößke erreichte 8,5 Prozent für die Liberalen 2016, Bumiller kommt auf knapp 11,1 Prozent. „Das könnte für den Einzug ins Parlament reichen“, hofft sie wie die Kollegen von der SPD auf das Zweitmandat für ihre Partei. Um 41 Stimmen konnte er gegenüber Brößke zulegen. „Das ist doch großartig“, so Brößke.

Nahezu 1200 Stimmen musste die CDU abgeben. Kandidat Tobias Herrmann kommt auf 20,3 Prozent der Stimmen, ein Minus von 2,4 Prozentpunkten. Dennoch: „Ein respektables Ergebnis“, sagt Singens CDU-Stadtverbandsvorsitzender Franz Hirschle: „Wir haben nichts anderes erwartet und die Maskenaffäre hat es auf der Zielgeraden nicht besser gemacht“, hat Hirschle schon in den Tagen vor der Wahl eine deutliche Stimmung ausgemacht.
Wahlbeteiligung bei 48,5 Prozent
Erleichtert zeigte sich OB Häusler, dass der prozentuale Anteil an AfD-Wählern gegenüber der vergangenen Wahl in der Stadt zurückgegangen ist: „Wolfgang Gedeon erhielt noch über 20 Prozent Zustimmung, jetzt liegt die AfD bei 14 Prozent.“ In Wählerstimmen ausgedrückt blickt Bernhard Eisenhut mit einem Minus von 1579 Stimmen auf ein nahezu halbiertes Ergebnis, nachdem die AfD 3536 Stimmen im Jahr 2016 verbuchen konnte. Laut Bürgermeisterin Ute Seifried sei es durchaus interessant zu erforschen, warum sich die AfD-Wähler vor allem im Süden ballen. „Was man als Südstadt bezeichnet, sind 14.000 Menschen in ganz unterschiedlichen Quartieren“, erklärt sie.

Auch für den Grünen-Ortsvereinsvorsitzenden Eberhard Röhm ein Grund hinzuschauen: Es sei schade, dass die Stadt weiterhin eine schwache Wahlbeteiligung aufweise und die AfD immer noch 14 Prozent der Stimmen erhielt. Doch die Freude überwiegt angesichts der Zahlen: „Wir mussten lange genug ein fröhliches Gesicht zu schlechten Wahlergebnissen machen. Nun können wir einen tollen Wahlerfolg feiern“, erklärt er: „Dorothea Wehinger konnte in ihrem Wahlkreis zulegen.“ Das sei auch der Lohn für ihren großen Einsatz, den sie für die Region leiste. Vieles davon auch im Verborgenen, wie durch einen engen Austausch mit den Bürgermeistern. „Beim Wahlkampf haben wir dazugelernt , wie er durch Corona in einer veränderten Form stattfindet. Der digitale Kontakt mit den Wählern kann auch zukunftsweisend sein, weil man dadurch auch Menschen in etwas weiteren entfernten Hegau-Gemeinden gut erreicht“, so Röhm.
Dirk Oehle, Fraktionssprecher der Neuen Linie im Singener Gemeinderat, sagt: „Das Wahlergebnis hat mich wenig überrascht. Dass die Grünen etwas zugelegt haben, ist sicher auch mit der Zufriedenheit über Ministerpräsident Winfried Kretschmann begründbar. Und die Verluste der CDU haben wohl auch in Teilen mit der Masken-Affäre zweier Bundestagsabgeordneter zu tun.“ Wichtig wäre es laut Oehle, wenn neben Wehinger weitere Kandidaten ein Landtagsmandant erhalten könnten. „Damit unsere Region mehrere starke Stimmen hat, die wichtige Belange, wie den Ausbau der Gäubahn, nachhaltig einfordern können. Auch als Wirtschaftsstandort muss unsere Region gestärkt werden“, sagt Oehle.