Jetzt wird es ernst beim Solarpark Aufgehnder im Singener Ortsteil Beuren. Nach jahrelanger Vorarbeit samt hakeliger politischer Auseinandersetzungen haben die Beteiligten nun mit einem Spatenstich die Bauphase eingeläutet. Denn jetzt soll alles ganz schnell gehen. Noch in diesem Monat sollen die Erdkabel verlegt werden, sagte Stephan Einsiedler, Ortsvorsteher von Beuren und zweiter Vorsitzender des Bürgervereins Beuren, beim Spatenstich.
Der Verein tritt als Bauherr der Anlage auf. Ab Ende Oktober sollen dann die Fundamente für die Solarmodule in den Boden gerammt werden, im November und Dezember dann Modultische und die eigentlichen Solarmodule installiert werden. Und noch vor Weihnachten soll die Inbetriebnahme nach den Kriterien des Erneuerbare Energien-Gesetzes (EEG) erfolgen.
Strom soll ab Frühjahr 2025 fließen
Das bedeutet nicht, dass dann schon der erste Solarstrom ins Netz fließt. Es bedeutet aber, dass die Anlage Strom produziert, was nachgewiesen werden muss. Der Zeitpunkt der EEG-Inbetriebnahme sei wichtig für die Vergütung des Stroms in den nächsten 20 Jahren, erklärte Einsiedler. Mit der ersten Stromeinspeisung ins Netz rechne er im März oder April.
Für den Verein ist es ein Mammutprojekt – und durch die Kombination mit der Landwirtschaft hat es Pilotcharakter in der ganzen Region. Entsprechend häufig wurde beim Spatenstich auch das Wort vom Leuchtturmprojekt bemüht. Denn der Bürgerverein plant keinen gewöhnlichen Freilandsolarpark, sondern die Module werden so hoch über dem Boden installiert, dass darunter noch Landwirtschaft stattfinden kann.
Überhaupt wollen die Verantwortlichen modernste Technik installieren. Die Solarmodule werden drehbar montiert und dem Sonnenstand angepasst. Und weil auch die Rückseiten verglast sind und die Module auch über diffuses Licht auf der Rückseite Strom erzeugen können, hofft man auf einen fünf Prozentpunkte höheren Wirkungsgrad.
Wenn der Solarpark am Netz ist, produziert Beuren mehr Strom, als es verbraucht
Etwa 1400 Haushalte soll die Anlage dann mit Ökostrom versorgen, sagte Walter Veser, Vorsitzender des Bürgervereins, in seiner Begrüßung. 5,8 Millionen Kilowattstunden Strom erwarte man pro Jahr von der ersten Agri-PV-Anlage im Hegau, so Veser.
Zum Vergleich: Die Zahl der Haushalte in Beuren gibt Ortvorsteher Einsiedler mit 660 an, 1,6 Millionen Kilowattstunden Ökostrom würden bereits im Ort produziert. Komme der Solarpark dazu, sei Beuren also stromautark. Die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der Flächen übernimmt Landwirt Roland Haas, sagte Einsiedler. Der nehme dafür einen Flächenverlust von etwa 15 Prozent in Kauf. Anbauen könne er alle Getreidesorten außer Mais.
Der Solarpark in Beuren ist also ein wenig die eierlegende Wollmilchsau. Entsprechend zufrieden äußerte sich auch Andreas Jung, Wahlkreisabgeordneter der CDU im Bundestag, stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei und deren Spezialist für Umwelt- und Klimapolitik. „Wir brauchen Flächen für Energieproduktion und Landwirtschaft“, sagte er bei regnerischem Wetter auf dem Acker nahe des Autobahnkreuzes Hegau. Der Ukraine-Krieg mit seinen Folgen habe das vor Augen geführt.
Gesetzespakete lassen auf sich warten
Die Ampel-Koalition in Berlin bekam bei dem Termin auch ihr Fett weg. Beispielsweise würde ein Agri-PV-Projekt beim Fuchshof bei Konstanz vom Regierungspräsidium (RP) keine Genehmigung bekommen. Und das RP wiederum sage, das liege an der Bundesgesetzgebung.
Auch Einsiedler hatte kritisiert, dass die Berliner Beschlüsse für das Solarpaket eins sehr lange auf sich hätten warten lassen – und dass Jung den Kontakt zu überregionalen Medien hergestellt habe, um die unbefriedigende Situation bekannt zu machen. Mit dem Solarpaket eins will die Bundesregierung den Ausbau von Fotovoltaik beschleunigen, unter anderem durch Vereinfachungen bei Balkonkraftwerken. Festgelegt ist darin laut Informationen der Bundesregierung auch eine besondere Förderung von Agri-PV, wie sie im Beurener Projekt eingesetzt wird. Der Abgeordnete sagte: „Dieser Acker hat überregionale Beachtung gefunden.“ Er habe sich aus Überzeugung dafür eingesetzt.
Bernd Häusler, Oberbürgermeister von Singen, lobte ebenfalls das Gesamtpaket. Er hob den Mut des Bürgervereins hervor, ein so komplexes Projekt anzugehen: „Viel Freizeit wird dafür geopfert.“ Und er hob hervor, dass etwas nicht gemacht werde – es werden nämlich keine Flächen versiegelt.
Doch Häusler sagte auch: „Ohne das Solarpaket eins wäre das nicht gegangen – oder arg auf Kante genäht gewesen.“ Die Stadt wolle bis 2035 treibhausgasneutral sein – „eine Riesenherausforderung, wenn man sieht, wie viel Industrie es hier gibt“, so Häusler. Daher freute er sich über das erste Sonnenenergiedorf auf Singener Gebiet. Beim nächsten Projekt werde die Stadt wieder unterstützen.