Heftigere Winde pfiffen am Sonntagmorgen zeitweise durch den gesamten Hegau. Fast den ganzen Tag über kam es immer wieder zu stärkeren Regengüssen. Raus trauten sich nur jene, die es unbedingt mussten – oder die den verkaufsoffenen Sonntag in Singen nutzen wollten. Zugegeben, das ganz groß angekündigte Unwetter blieb zwar aus. Dennoch stehen die Verantwortlichen von der Stadt Singen, Singen aktiv und der Feuerwehr zur Absage des Martinimarktes. Damit trotzen sie der Kritik, die besonders in sozialen Netzwerken laut wird. Hauptkritikpunkt: Das doch nicht so heftig aufgetretene Unwetter. Ein Verfasser schrieb etwa: „Unwetter? Wo?“

Eine Absage war alternativlos

Am Tag nach dem reduzierten Programm nur mit verkaufsoffenem Sonntag lässt Claudia Kessler-Franzen, Geschäftsführerin von Singen aktiv, an dieser Entscheidung keine Zweifel aufkommen: „Wir würden eindeutig wieder so entscheiden.“ Alle Verantwortlichen hätten sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht, aber: „Alles andere als eine Absage wäre unverantwortlich gewesen.“ Die Vorhersagen für Wetter und Wind waren düster. Auch andere Städte hätten sich für die Absage ähnlicher Veranstaltungen entschieden.

„Wenn etwas passiert wäre – und dies ist bei Sturmböen mit einer Stärke von bis zu 9 denkbar – wären wir als Veranstalter haftbar“, so Kessler-Franzen weiter. Man sei in der Pflicht gewesen zu reagieren. „Singen ist bekannt dafür, Dinge möglich zu machen. Aber wenn Gefahr in Verzug ist, dann dürfen wir das nicht einfach außen vorlassen“, betont sie.

Wind und Regen haben den Martinimarkt 2023 in Singen ausgebremst. Dennoch hat der verkaufsoffene Sonntag viele Menschen in die Stadt ...
Wind und Regen haben den Martinimarkt 2023 in Singen ausgebremst. Dennoch hat der verkaufsoffene Sonntag viele Menschen in die Stadt gelockt. | Bild: Christel Rossner

Also wurde der Martinimarkt abgesagt – das erste Mal überhaupt: „Es gab bisher nie einen Anlass dafür, über eine Absage nachzudenken“, so Kessler-Franzen. Einzig in den Corona-Jahren habe der Martinimarkt ebenfalls nicht stattgefunden.

Laut Kessler-Franzen habe man sich dafür entschieden, den Markt zu einem Zeitpunkt abzusagen, an dem noch alle Beschicker erreichbar gewesen seien. Eigentlich hätte der Rathausplatz mit zahlreichen Verkaufsständen bereits zum 22. Mal zum großen Anziehungspunkt werden sollen. Höhepunkt sollte der beliebte Martinsumzug werden. Ohnehin hätten bereits mehrere Beschicker vor der eigentlichen Absage angekündigt, den Weg zum Martinimarkt erst gar nicht anzutreten. Schließlich waren heftige Sturmböen angesagt.

Wird der Martinimarkt nun nachgeholt?

In diesem Jahr wird es keinen Martinimarkt mehr geben. Laut Kessler-Franzen stehe kein Ersatztermin an. Dies habe mehrere Gründe: Zum einen brauche es für den Martinimarkt ein halbes Jahr an Planung. „Zum anderen sind viele unsere Beschicker bereits voll verplant auf anderen Märkten“, so Kessler-Franzen. Und zudem stehe die nächste Großveranstaltung von Singen aktiv – das Unternehmerforum – bereits in den Startlöchern. Ohnehin ist der Rathausplatz am kommenden Wochenende bereits für ein Streetfood-Festival reserviert.

Und was sagen die Beschicker zur Absage?

Detlef Greiner-Perth aus Rielasingen bietet schon lange auf diversen Veranstaltungen seine Glasbläser-Kunst an. Er habe mit Blick auf die angekündigte Wetterlage bereits Bauchschmerzen gehabt. „Ich war beinahe froh, als die Absage dann kam“, sagt er. Denn eine Böe in einem Zelt könne großen Schaden anrichten und Besucher verletzen. Angesprochen auf die Kritik betont er: „Viele Menschen begreifen einfach nicht, wie gefährlich Windböen auf einem Markt sein können“, betont er.

Das könnte Sie auch interessieren

Die Absage sei laut Greiner-Perth professionell gewesen. Dafür äußert der Glasbläser ein großes Lob. Denn er erinnere sich an Märkte, bei denen eine ähnlich schlechte Wetterlage angekündigt worden sei, bei denen es im Vorfeld keine Absage gegeben habe. „Wir Beschicker sind dann angereist und haben von der Absage erst vor Ort erfahren“, so Greiner-Perth.

Auch Ralph Stephan, Leiter des Hegau-Museums in Singen, lobt die Verantwortlichen für die Entscheidung, den Markt abzusagen: „Die Entscheidung war eindeutig richtig. Das konnten wir im Hegau-Museum live anschauen: Familien und Senioren brachten sich vor Regen und Wind in Sicherheit und draußen stapelten sich die Regenschirme“, teilt er der Redaktion mit. Für ihn sei das Wetter absolut keines für eine Außenveranstaltung gewesen. „Ich stehe voll hinter den Veranstaltern, die den Mut hatten, rechtzeitig und professionell abzusagen“, so Stephan weiter.

„Sicherheit geht vor!“

Tina Dix aus Randegg gehört zu den Beschickern, die bereits im Vorfeld entschieden haben, nicht nach Singen anzureisen. Sie stellt Filzkunstwerke und -spielzeug her. „Ich verfolge das Wetter sehr genau. Wenn ein Windstoß in einen Stand reinbläst, dann wird er zum Segel“, sagt sie. Da würden Erinnerungen wach an Märkte, wo mehrere Leute den Stand sichern mussten. „Wenn ein Mensch zu Schaden gekommen wäre, dann hätten alle gesagt: Wäre der Markt bloß abgesagt worden. So ist es natürlich für viele Besucher und Betreiber ärgerlich, aber Sicherheit geht vor“, betont Dix.

Das könnte Sie auch interessieren

Lebensmittel müssen weggeschmissen werden

Für Maximilian Haug aus Engen, der seit zehn Jahren auf dem Martinimarkt Bratwürste verkauft, ist die Entscheidung der Verantwortlichen nachvollziehbar. Als Beschicker, der Lebensmittel anbiete, sei eine kurzfristige Absage natürlich denkbar schlecht. „Was wir nicht mehr abbestellen konnten, mussten wir größtenteils kostenpflichtig entsorgen“, so Haug. Aber Singen aktiv und die Stadt Singen sitze bei solch einer Entscheidung natürlich zwischen den Stühlen. „Das Wetter ist sehr schwer einschätzbar“, sagt Haug.

Ein Umstand, den Haug im Nachhinein ins Spiel bringt: „Vielleicht hätte man den Martinimarkt abhalten können, aber nur mit Profibeschickern.“ Diese seien Wind und Wetter gewohnt, hätten Profi-Ausrüstung oder ganze Wägen, die widrigem Wetter trotzen können. Anders sehe es bei Teilzeit-Beschicker aus: „Für die wäre ein Unwetter dann fatal gewesen“, sagt er. Haug und die anderen Beschicker hoffen nun, dass die erstmalige Absage des Martinimarktes einzigartig bleibe und die Veranstaltung nächstes Jahr wieder wie gewohnt stattfinden könne.