Es war ein langer, langer Weg, aber jetzt steht endlich fest: Singen bekommt nach intensiven Diskussionen seinen qualifizierten Mietspiegel. Bis zuletzt hatte sich der Eigentümerverband Haus und Grund gegen den Mietspiegel ausgesprochen. Nun hat der Gemeinderat den ersten Mietspiegel für Singen und Rielasingen-Worblingen in seiner jüngsten Sitzung verabschiedet. Mit Blick auf das Abstimmungsergebnis wird aber deutlich: Der Gemeinderat ist gespaltener Meinung, denn die Mehrheit fiel mit 16 Ja- und 12-Nein-Stimmen denkbar knapp aus.

Was steht im Mietspiegel?

Ein Mietspiegel gibt die durchschnittlichen, ortsüblichen Mieten einer Kommune abhängig von Größe, Lage, Ausstattung und Alter einer Wohnung wieder. Die im Entwurf ermittelte durchschnittliche Nettomiete unabhängig von allen Wohnwertmerkmalen beträgt laut Oliver Trinkhaus vom Regensburger Unternehmen Ema, das die Berechnung und Erhebung des Mietspiegels betreut hatte, in Singen 8,23 Euro pro Quadratmeter.

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In Rielasingen-Worblingen betrage die durchschnittliche Nettomiete laut Trinkhaus pro Quadratmeter 8,42 Euro. Zum Vergleich: In Konstanz beträgt er laut Mietspiegel von 2022, der zwei Jahre gültig ist, 10,37 Euro pro Quadratmeter. „Der Mietspiegel soll Rechtssicherheit im Umgang mit Mietpreisen schaffen“, so Trinkhaus.

Die Stadt Singen erhoffe sich durch einen Mietspiegel vor Transparenz sowohl für Mieter aber auch für Vermieter, wie Oberbürgermeister Bernd Häusler im Sommer 2022 gegenüber dem SÜDKURIER betonte. Aber laut Häusler sei ein Mietspiegel keine Mietpreisbremse. Soll heißen: Auch durch den nun beschlossenen Mietspiegel sind Mietsteigerungen in der Hohentwiel-Stadt weiterhin möglich.

Der Streitpunkt

In der Gemeinderatssitzung wurden die Meinungen der zwei Lager erkennbar. Vor allem der Umstand, dass bei der Befragung nur Mieter, aber keine Vermieter, einbezogen wurden, sorgte für Kritik der Gegner. Haus und Grund hatte diesen Umstand im Vorfeld bereits kritisiert. Zudem könnten durch den Mietspiegel hohe Mietrückforderungen auf die Vermieter zukommen, teilte Haus und Grund jüngst im SÜDKURIER mit.

Der Mieterbund hatte dem widersprochen. In dem von den Eigentümern zitierten Mietspiegelreport seien auch Mietspiegel einbezogen, die auf Grundlage unwissenschaftlicher Datensammlungen erstellt worden seien, wie Vorsitzender Winfried Kropp jüngst erklärte.

Das sagen die Befürworter

Birgit Kloos (SöS) bezeichnet den nun vorliegenden Mietspiegel als wissenschaftlich einwandfrei und als wichtiges Instrument auf dem Mietwohnungsmarkt. „Durch den Mietspiegel schaffen wir endlich Rechtssicherheit“, sagte sie. Eine Klagewelle sei ihrer Einschätzung nach nicht zu befürchten, dies würden die Erfahrungen aus anderen Gemeinden zeigen.

Regina Brütsch (SPD) sah dies ähnlich: „Wir stehen jetzt kurz vor der 50.000-Einwohner-Marke und es gibt jetzt noch Zuschüsse.“ Sie gehe davon aus, dass die Erstellung des Mietspiegels wissenschaftlichen Kriterien Stand halte. „Es war und ist für alle ein transparentes Verfahren“, so Brütsch weiter. Deshalb müssten Mitwirkende das Ergebnis vielleicht auch mal akzeptieren – auch wenn es nicht allen schmecken würde.

Eberhard Röhm (Grüne): „Der Mietspiegel ist kein Hemmnis für den Wohnungsmarkt. Er wird keinen Einfluss auf mögliche Investoren ...
Eberhard Röhm (Grüne): „Der Mietspiegel ist kein Hemmnis für den Wohnungsmarkt. Er wird keinen Einfluss auf mögliche Investoren haben.“ | Bild: SK

Ramona Halmer (FW) betonte, dass der Singener Mietspiegel nicht der erste sei, den das Unternehmen Ema erstellt habe. „Momentan bekommen wir noch eine Förderung, die sollten wir mitnehmen“, so Halmer. Nachjustierungen könnten in zwei Jahren – dann soll der Mietspiegel angepasst werden – vorgenommen werden.

Eberhard Röhm (Grüne) verstehe indes die Aufregung nicht, wenn nur Mieter befragt worden. „Der Mietspiegel ist kein Hemmnis für den Wohnungsmarkt. Er wird keinen Einfluss auf mögliche Investoren haben“, sagte er. Nach seinen Erkenntnissen hätte es keinen Unterschied im Durchschnittspreis gegeben, wenn man auch die Wohnungsbesitzer befragt hätte. Was aber am wichtigsten sei: „Der Mietspiegel soll unverschämte Mieten in Singen verhindern“, so Röhm.

Franz Hirschle (CDU): „Politisch gesehen, ist der Mietspiegel eine weitere Gängelung. Investoren wird der Mietspiegel ...
Franz Hirschle (CDU): „Politisch gesehen, ist der Mietspiegel eine weitere Gängelung. Investoren wird der Mietspiegel abschrecken.“ | Bild: SK

So sehen es die Gegner

Franz Hirschle (CDU) kritisierte den vorliegenden Mietspiegel indes schärfer – vor allem mit Blick auf die fehlenden Vermieter-Stimmen. „Politisch gesehen ist der Mietspiegel eine weitere Gängelung. Investoren wird der Mietspiegel abschrecken“, sagte er. Zudem würde der Mietspiegel den ohnehin schon angespannten Mietwohnungsmarkt weiter verengen. „Wir schaffen damit eine Investorenbremse“, so Hirschle weiter.

Kirsten Brößke (FDP) sieht das ähnlich. „Der Mietspiegel macht es den Vermietern nicht einfach“, sagte sie. Vermieter würden darin nicht ausreichend gehört werden. Diesen Umstand bezeichnete Dirk Oehle (Neue Linie) als Störgefühl. Er forderte wie viele andere Stadträte auch eine kombinierte Anhörung von Vermietern und Mietern. In zwei Jahren, wenn der Mietspiegel fortgeschrieben werden soll, könnte dies dann möglich sein.

Der Gemeinderat in Rielasingen-Worblingen will über den Mietspiegel beraten, sobald in Singen eine Entscheidung gefallen ist – dort ist also in den nächsten Wochen ebenfalls mit einem Gemeinderatsbeschluss zu rechnen.