Der Singener Gemeinderat sollte in seiner jüngsten Sitzung über den Entwurf für den Mietspiegel abstimmen, doch dieser Punkt wurde von der Tagesordnung genommen. Neben der Stadtverwaltung waren der Mieterbund, der Eigentümerverband Haus und Grund und die Baugenossenschaft am Arbeitskreis zum Mietspiegel beteiligt. Während der Mieterbund dem Entwurf zustimmt, lehnt ihn der Eigentümerverband Haus und Grund ab und die drei Baugenossenschaften kritisieren ihn.

Die Kritiker des Mietspiegelentwurfs, die sich schriftlich gegenüber der Stadt und den Stadträten äußern, erklären: Sie kommen bei ihren Berechnungen zu den Vergleichsmieten zu anderen Ergebnissen, sehen ihre Daten und Erfahrungen nicht im Mietspiegel berücksichtigt und kritisieren die Methode. Hauptkritikpunkt des Eigentümerverbands ist, dass nur Mieter und keine Vermieter befragt wurden.

Der Deutsche Mieterbund Bodensee kann diese Ablehnung nicht nachvollziehen und geht, ebenfalls in einem Schreiben an die Stadt, auf die Kritikpunkte ein. Der Mieterbund habe keinen Zweifel an der Richtigkeit der Daten des vom Ema-Institut erstellten Mietspiegels, erklärt Winfried Kropp, Pressesprecher des Mieterbunds. Er wirkte schon in mehreren Arbeitskreisen zu Mietspiegeln in anderen Städten mit.

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Es sei ein qualifizierter Mietspiegel, der nach wissenschaftlichen Standards erstellt wurde. Ein solcher Mietspiegel habe vor Gericht Beweiskraft. Er helfe zum Beispiel zu entscheiden, ob eine Mieterhöhung rechtens ist. Außerdem liefere er eine Grundlage für die Mietpreisbremse, die in Singen gilt. Danach dürfe bei einem neu abgeschlossenen Mietvertrag die Miete nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen.

Die im Mietspiegel-Entwurf ermittelte durchschnittliche Nettomiete unabhängig von allen Wohnwertmerkmalen beträgt laut dem Mieterbund in Singen 8,23 Euro pro Quadratmeter. Der Mieterbund-Sprecher Winfried Kropp appelliert an den Gemeinderat, den Mietspiegel anzuerkennen.

Institut hat Mietspiegel im Kreis erstellt

Das beauftragte Institut, so der Mieterbund, habe bereits die anerkannten Mietspiegel von Konstanz, Radolfzell und Stockach erstellt. „Die Methode ist qualifiziert und erfolgt nach wissenschaftlichen Regeln“, erklärt Kropp. Die Daten seien auf einer Grundlage von 600 verwertbaren Interviews mit Mietern erhoben worden.

Was den Mieterbund vor allem ärgert ist, dass sich der Verband Haus und Grund erst jetzt zu einer Ablehnung des Mietspiegels entschlossen habe. Bereits Anfang Februar seien allen Beteiligten die Grundlagen der Datenerhebung vorgestellt worden, damals habe es keine Einwände gegeben. Erst jetzt, nach Abschluss der Befragung, würde die vereinbarte Vorgehensweise in Frage gestellt. Der Mieterbund zieht daraus den Schluss, dass Haus und Grund keinen Mietspiegel will.

Wer sollte den Fragebogen ausfüllen?

Das stimme so nicht, erklärt Bernhard Hertrich als Vorsitzender von Haus und Grund. „Ich habe bereits in der ersten Sitzung gesagt, dass neben Mietern auch Vermieter befragt werden sollten“, erklärt er auf Anfrage. Das sei auch bei Mietspiegeln in anderen Städten so üblich gewesen. Der Fragebogen enthalte viele Daten, welche die Mieter nicht wissen könnten.

„Für einen qualifizierten Mietspiegel müssen neben Mietern auch Vermieter befragt werden“, sagt Bernhard Hertrich, ...
„Für einen qualifizierten Mietspiegel müssen neben Mietern auch Vermieter befragt werden“, sagt Bernhard Hertrich, Vorsitzender des Eigentümer-Verbands Haus und Grund. | Bild: Arndt, Isabelle

In der nächsten Sitzung seien die Beteiligten dann vor die Tatsachen gestellt worden, dass keine Vermieter befragt wurden. Hertrich vermutet Zeitdruck als Grund: Die Stadt bekommt die Fördermittel vom Land für den Mietspiegel nur, wenn er in diesem Jahr fertig wird. Der Mieterbund-Sprecher erklärt dagegen, dass Mieter durchaus in der Lage wären, den Fragebogen auszufüllen.

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Auch kritisiert der Eigentümer-Verband, dass der Mietspiegelwert unter dem Wert liege, den das Jobcenter im Rahmen der Grundsicherung an Miete zahlt. Das seien natürlich Richtmietsätze, trotzdem müssten sich deren Wert ansatzweise im Mietspiegel wiederfinden, schreibt Hertrich. Der Mieterbund hält dagegen, dass es sich bei diesen Obergrenzen des Jobcenters um sozialrechtliche Maximalbeträge handle, nicht um die ortsübliche Vergleichsmiete.

Außerdem sei bekannt, dass Grundsicherungsempfänger besonders oft Diskriminierungsmieten zu tragen hätten. „Immer wieder besteht der Verdacht, dass von Sozialleistungsempfängern auf Kosten der Allgemeinheit überhöhte Mieten verlangt werden“, sagt Winfried Kropp.

Haus und Grund argumentiert auch mit der eigenen Datenbank, die aus den bei ihnen abgeschlossenen Mietverträgen erstellt wird. „Die Auswertung zeigt, dass der überwiegende Teil der tatsächlich vereinbarten Mieten massiv und deutlich über den Werten des Mietspiegels liegt“, erklärt der Verband in seinem Schreiben.

Größte Vermieter kennen andere Preise

„Wenn die Baugenossenschaften als die größten Vermieter sagen, dass die Werte nicht stimmen können, dann muss da was dran sein“, sagt Hertrich. Außerdem hat der Verband für drei seiner Wohnungen die Quadratmeterpreise im Vergleich zum Mietspiegel errechnen lassen. Dabei zeige sich, dass die verlangten Mieten stark von den Mietspiegelwerten abwichen.

Der Mieterbund sieht das nicht so: Das Ema-Institut habe die von Haus und Grund zur Verfügung gestellten Daten analysiert und eine erstaunlich hohe Übereinstimmung mit dem Mietspiegel-Modell festgestellt. Winfried Kropp sieht außerdem nicht, dass die Daten des Eigentümer-Verbands nach objektiven Kriterien zusammengestellt wurden. „Sie dienen dem Zweck, Mieterhöhungen zu begründen“, unterstellt Kropp.

In Singen gibt es unterschiedlichste Wohnräume: Im Einfamilienhaus nahe des Hausbergs Hohentwiel (Archivbild) oder im Mehrfamilienhaus ...
In Singen gibt es unterschiedlichste Wohnräume: Im Einfamilienhaus nahe des Hausbergs Hohentwiel (Archivbild) oder im Mehrfamilienhaus mit mehreren direkten Nachbarn. | Bild: Freißmann, Stephan

Ein qualifizierter Mietspiegel zeige, was die Menschen tatsächlich an Miete zahlten, so der Mieterbund. Die meisten günstigeren Wohnungen würden über Freunde, Bekannte oder Arbeitskollegen vergeben und tauchen gar nicht öffentlich auf dem Markt auf, so die Erfahrung des Mieterbundes. Das, was beispielsweise an Mietwohnungen auf Internetseiten ausgeschrieben sei, sei viel zu teuer und könne deshalb auch nicht zum Vergleich herangezogen werden.

Andere Wahrnehmung des Mietmarkts

Auch die drei Baugenossenschaften Oberzellerhau, Hegau und Familienheim kritisieren den Entwurf. Die Mietspiegelberechnungen deckten sich nicht mit ihrer Wahrnehmung des Mietmarkts. Die Mieten der Genossenschaftswohnungen würden bei den Mietern auf große Akzeptanz stoßen, lägen aber besonders bei Neuvermietungen über dem Entwurf des Mietspiegels.

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Außerdem würden Modernisierungen, wie energetische Verbesserungen, in den Zuschlägen zu wenig berücksichtigt. Der Mieten des Mietspiegels seien zudem maßgeblich für die erzielbaren Mieten im geförderten Wohnungsbau. Seien sie zu niedrig, würde dies geförderten Wohnungsbau verhindern.

In einem Punkt sind sich alle einig

Während der Mieterbund im Entwurf für den Mietspiegel eine verlässliche Orientierungshilfe auf dem Mietmarkt sieht, die auch wegen des Mangels an bezahlbarem Wohnraum wichtig ist, sieht der Eigentümerverband, dass er „zu erheblichen Streitigkeiten“ zwischen Vermietern und Mietern führe. Bernhard Hertrich will sich für eine Lösung einsetzen. Eine Entscheidung unter Zeitdruck, die nach Ansicht seines Verbandes sachlich nicht richtig ist, diene niemandem.

Grundsätzlich begrüßen aber alle Beteiligten die Erstellung eines Mietspiegels, weil er Transparenz und Orientierung auf dem Mietmarkt schaffen könne und dem Rechtsfriede für Vermieter und Mieter diene.

Jetzt plane die Stadt laut Winfried Kropp vom Mieterbund Bodensee weitere Gespräche, um eine Einigung zu erzielen.