Ein beträchtlicher Anteil an Deutschen ist unzufrieden mit der Migrationspolitik. Kommunen klagen, dass sie der Aufgabe nicht mehr gewachsen sind. Eine Stadt mit einem Migrantenanteil von etwa 50 Prozent an der Bevölkerung. Und eine Welt, in der nach dem Krieg in der Ukraine seit einigen Tagen auch der blutige Konflikt zwischen der palästinensischen Terrororganisation Hamas und Israel die überregionalen Nachrichten bestimmt. In dieser Gemengelage finden sich in diesen Tagen die Flüchtlingshelfer des Vereins Integration in Singen (Insi) wieder.

Wie geht der Verein in der aktuellen Weltlage vor, wie positioniert man sich? Dazu hatte der Vorsitzende Bernhard Grunewald bei der jüngsten Mitgliederversammlung klare Worte. Er wies gleich zu Beginn seines Tätigkeitsberichts auf die Meldungen aus Kriegs- und Erdbebengebieten hin – und sagte an die Adresse von Menschen, „die zunehmend verächtlich über Flüchtlinge und Schutzsuchende reden“: Keine Nacht und keinen Tag „würden diese Populisten mit den Betroffenen und ihren Familien tauschen wollen, die vor Not und Krieg flüchten“.

Hoch die Stimmkarten: Etwa 40 Personen waren bei der Mitgliederversammlung im Ratssaal des Singener Rathauses dabei.
Hoch die Stimmkarten: Etwa 40 Personen waren bei der Mitgliederversammlung im Ratssaal des Singener Rathauses dabei. | Bild: Freißmann, Stephan

Die Flüchtlingshilfe gerät immer mehr unter Druck, dem stimmt Grunewald im Telefonat nach der Versammlung zu. Wie reagiert der Verein? „Wir setzen unsere Arbeit fort“, sagt der Vorsitzende. Er verweist auf den Schulterschluss mit den Integrationsmanagern im Landkreis, auf den direkten Draht zu Singener Stadtverwaltung und Gespräche mit der Landkreisverwaltung in Konstanz.

Bislang gebe es sehr viel Zuspruch zur Arbeit von Insi und überhaupt keine Kritik. Es könnte allerdings sein, dass im heraufziehenden Kommunalwahlkampf der Ton schärfer wird von Leuten, „die eine andere Republik wollen“, wie Grunewald sagt.

„Keine einzige Nacht, keinen einzigen Tag, da können wir uns sicher sein, würden diese Populisten mit den Betroffenen und ihren ...
„Keine einzige Nacht, keinen einzigen Tag, da können wir uns sicher sein, würden diese Populisten mit den Betroffenen und ihren Familien tauschen wollen, die vor Not und Krieg flüchten.“ Bernhard Grunewald, Vorsitzender von Insi, über Menschen, die verächtlich über Flüchtlinge sprechen. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

In diesen Themenkreis gehört auch die Initiative unter dem Titel „Jede Stimme zählt“ vor den Kommunal- und Europawahlen im nächsten Jahr. „Die Wahlbeteiligung geht zurück und Populisten gewinnen an Zulauf“, lautete die Diagnose von Uran Bajramaj, erster stellvertretender Vorsitzender von Insi. Wenn weniger Menschen zur Wahl gehen, so könnten „gewisse Parteien“, so wörtlich, höhere Stimmenanteile bekommen, lautet Bajramajs Interpretation.

Nach einem nicht-öffentlichen Auftakt mit Jan Engels von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung soll es demnächst eine weitere Veranstaltung der Initiative mit Luis Caballero von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung zum Wahlverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund geben.

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Das Bewerbungstraining, das der Verein immer mittwochnachmittags unter Federführung der zweiten stellvertretenden Vorsitzenden Mona Schramm anbiete, sei ein voller Erfolg. Dass so viele Menschen das Angebot nutzen wollen, zeigt für Grunewald, dass geflüchtete Menschen in Arbeit kommen wollen. Das Angebot sei offen für alle, die zugewandert sind.

Verein hofft auf Kundgebung für Frieden im Nahen Osten

Auch der blutige Konflikt in Israel spielte für Grunewald eine Rolle. Die Organisation Caritas International rufe zu Spenden für notleidende Menschen im Gaza-Streifen auf, sagte er in seinem Tätigkeitsbericht. Das werde Insi auch bekannt machen. Eine eigene Spendensammlung zugunsten von Caritas International wolle der Verein aber nicht auf die Beine stellen, weil ein Projekt für humanitäre Hilfe in Israel fehle.

Am Telefon erklärt er diese Haltung näher: „Es muss für beide Seiten Hilfe angeboten werden, nur so kann man möglichst viele Menschen bewegen.“ Und: „Es geht überhaupt nicht, sich auf eine Seite zu schlagen.“ Der Vorsitzende hofft darauf, mit migrantischen Organisationen eine Kundgebung für Frieden im Nahen Osten auf die Beine stellen zu können.

Bewerbungstraining beim Verein Insi in Singen.
Bewerbungstraining beim Verein Insi in Singen. | Bild: Bernhard Grunewald

Zum Angebot gehören auch Deutschkurse, die laut Koordinator Dietmar Vogler nun mit einem weiteren Stützkurs ausgebaut werden sollen. Die Kurse dienen derzeit laut Grunewald hauptsächlich der Unterstützung von Menschen, die schon Kurse bei zertifizierten Bildungsträgern besuchen: „Wir helfen, die Durchfallquote zu verringern.“

Präsenz zeigte der Verein laut Grunewalds Tätigkeitsbericht bei verschiedenen Veranstaltungen wie dem Singener Stadtfest oder dem Markt der Möglichkeiten im Siedlerheim in der Südstadt, auch einige Veranstaltungen zur Vernetzung von Organisationen und Vereinen, die im Bereich Migration arbeiten.

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