Wie können Unternehmen erfolgreich bleiben und sich auf die Zukunft einstellen? Mit dieser Frage beschäftigt sich der Standortmarketingverein Singen aktiv regelmäßig. Die Singener Abendgesellschaft bot dafür eine große Bühne. Das gesellschaftliche Ereignis der Region fand nun zum ersten Mal nach zwei Jahren Corona-Pause wieder statt – und das Interesse war ungebrochen. Knapp 600 Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft fanden sich in der vollbesetzten Stadthalle ein, tauschten sich aus – und lauschten den Worten von Maximilian Lude.

Der ist gleichzeitig Berater von Unternehmen und Wissenschaftler, trägt einen Doktortitel des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen, das an die Zeppelin Universität angegliedert ist, und beschäftigt sich in Theorie und Praxis mit den Themen Innovation und Zukunft von Familienunternehmen – von denen es in Singen und dem Hegau reichlich gibt. In seinem launigen Vortrag, der mit viel großformatigem Bewegtbild auch für das Auge einiges geboten hat, warf er einen Blick zurück in die Zukunft, und das unter dem provokanten Titel „Ist das Zukunft oder kann das weg?“.
Ganz so radikal, wie es der Titel vermuten lässt, fielen seine Botschaften nicht aus. Der Hauptpunkt: Unternehmen müssen gleichzeitig ihr gewohntes Geschäft immer weiter optimieren und neue Felder erschließen. Eines seiner Beispiele war die Firma Edding, die von Markern und Filzstiften über das Thema Tinte zu Tätowier-Farben gekommen sei – inklusive eigener Tattoo-Studios. Das Prinzip nenne sich Beidhändigkeit, im Management-Deutsch Ambidextrie.
Auch im virtuellen Raum kann man echtes Geld ausgeben
Beim Blick in die Zukünfte, wie Lude es angesichts der Schwierigkeit einer Vorhersage nannte, kam auch der Faktor Mensch nicht zu kurz. Denn die Generation Z ticke einfach anders als bisherige Generationen von Arbeitnehmern. Der Grund laut dem Redner: Die Menschen, die um die Jahrtausendwende und in den 2000er-Jahren geboren wurden, sind von Anfang an in der realen und der virtuellen Welt aufgewachsen.
Da gebe es beispielsweise Bewerbungsgespräche an virtuellen Orten und das Gehalt stehe auf der Prioritätenliste junger und künftiger Arbeitnehmer erst an achter Stelle. Und in der virtuellen Gegenwelt, dem Metaversum, kann man für echtes Geld – und zwar nennenswerte Beträge – virtuelle Grundstücke kaufen oder digitale Kleidungsstücke, die nur ein Avatar, ein digitaler Stellvertreter eines Menschen, anziehen kann.

Noch eine dieser Zukünfte: Man muss in Nachhaltigkeit investieren. Es habe schon Unternehmen gegeben, die keinen Kredit bekommen hätten, weil sie kein Nachhaltigkeitskonzept vorlegen konnten, erzählt Lude. Und wenn der weltweit größte Finanzverwalter Blackrock Unternehmen ohne Nachhaltigkeitskonzept zur Rechenschaft ziehen wolle, gelte erst recht: Nachhaltigkeit sei schon längst kein Thema mehr, das man sich leisten können müsse – sondern Pflichtprogramm.
Bei inhabergeführten Betrieben sehe er aber einen entscheidenden Vorteil zur Zukunftsfähigkeit, sagt Lude: Sie arbeiten in der Regel mit einem langfristigen Horizont.
Wie kam das bei Unternehmern im Saal an?
Mirja Schmidbauer, geschäftsführende Gesellschafterin des Singener Ultraschallreinigungs-Spezialisten Elma Schmidbauer, hatte Lude selbst empfohlen, wie dieser auf der Bühne verkündete. Nach seinem Vortrag äußerte sie sich positiv: „Jedes erfolgreiche Unternehmen macht Ambidextrie.“ Daher habe Elma eine Technologie- und Forschungsrunde gegründet, deren Mitglieder mit eigenem Budget ergebnisoffen Dinge ausprobieren können.
Dabei sei auch schon etwas herausgekommen, sagt Schmidbauer. Ihr Großvater, der das Unternehmen gegründet hat, sei im klassischen Sinne Erfinder gewesen: „Wir wollen einen Geist schaffen, dass die Mitarbeiter erfinden können.“
Und Ludwig Wandinger, Geschäftsführer beim Aluminiumbetrieb Amcor in Singen, sagt, die unternehmerische Beidhändigkeit werde seit Jahren in seinem Unternehmen betrieben, dem nach seinen Worten weltgrößten Hersteller von flexiblen Verpackungslösungen. Talente zu fördern und aufzunehmen sowie Nachhaltigkeit seien große Themen.
Erste Veranstaltung dieser Größe für den neuen Vorstandsvorsitzenden
Für Wilfried Trah, den Vorstandsvorsitzenden von Singen aktiv, war es die erste Veranstaltung dieser Größe, seit er im Mai das Amt übernommen hat. Im Duo mit Geschäftsführerin Claudia Kessler-Franzen gab er zur Einführung einen Überblick über Singener Themen und die Aktivitäten des Vereins zwischen Schülerforschungszentrum, Krankenhaus und der Zusammenarbeit mit der Konstanzer Hochschule Technik Wirtschaft Gestaltung (HTWG).
Für die Stimmung im Saal war zwischendurch Poppele-Zunftmeister Stephan Glunk zuständig. Mit einer Art Applausometer testete er, wie die Lage im Saal eingeschätzt wird. In der positivsten Rubrik, „Wir sind auf einem guten Weg“, gab es – wenig überraschend – den größten Applaus. Über diese optimistische Stimmung freute sich am Rande der Veranstaltung auch der Singener Oberbürgermeister Bernd Häusler.