Nachdem ein Corona-Fall in einer Singener Kindertagesstätte aufgetreten ist, stellt sich die Frage, wie solche Einrichtungen ihr Hygienekonzept umsetzen. Dabei gibt es unterschiedliche Konzepte. Doch wie wichtig sie sind, hat die aktuelle Situation gezeigt.

Kleine Besucher, großer Aufwand

In diesen Tagen und Wochen ist Christa Rummel froh, dass sie die kleinste Singener Kindertageseinrichtung leitet. In der „Hoppetosse“ gibt es nur eine Gruppe mit 20 Kindern. „So haben wir nicht die Probleme von größeren Einrichtungen, in denen die Gruppen sich nicht mehr durchmischen und die Erzieherinnen sich nicht mehr begegnen dürfen“, sagt Christa Rummel. Während andere Kitas ausgeklügelte Logistik-Konzepte ausarbeiten müssen, mit denen Begegnungen strikt vermieden werden, kann sich das Hoppetosse-Team darauf konzentrieren, dass die Corona-Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden.

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Wobei die Sache mit dem Abstand bei den kleinen Kindern nicht möglich ist. Auch auf Masken und Schutzschild verzichten die Erzieherinnen in der Mühlenstraße. „Wenn wir diese Arbeit machen, ist das Risiko der Ansteckung mit dem Corona-Virus einkalkuliert“, sagt Christa Rummel. Auf tröstende Umarmungen könne man in der Kita nicht verzichten. „Wir wissen, dass wir vorsichtig sein müssen, dürfen uns im Alltag aber auch nicht von der Angst beherrschen lassen“, erklärt Christa Rummel den Spagat zwischen Vorsicht und Normalität. In der Öffentlichkeit und von der Politik sowie von einigen Eltern werde das viel zu wenig gewürdigt. Statt dessen sehen sich die Mitarbeiterinnen häufig scharfen Diskussionen ausgesetzt.

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Christa Rummel kann Eltern verstehen, die nach dem Lockdown und monatelangem Homeoffice mit gleichzeitiger Kinderbetreuung am Ende ihrer Kräfte sind. Es komme aber auch immer wieder vor, dass Kinder trotz Grippesymptomen in die Kita gebracht werden. Dadurch würden alle Kinder und Mitarbeiter gefährdet. Das berichtet auch die Singener SPD-Stadträtin Regina Brütsch, die bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) für die Kindertageseinrichtungen zuständig ist. In solchen Fällen könne es zu erbosten Szenen an der Pforte kommen, wenn Eltern mit ihrem kranken Kind wieder nach Hause geschickt werden. „Ich muss eine Lanze brechen für unsere Mitarbeiter. Alle verzichten auf das Tragen von Masken“, sagt Regina Brütsch. „Ich habe Verständnis für ihre Ängste, weil sie einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind.“

Hohes Risiko für Erzieherinnen

Wenn die städtische Fachbereichsleiterin Leonie Braun berichtet, welche Herausforderungen die Kitas, die Eltern und die Verwaltung seit der Wiedereröffnung zu meistern haben, wird klar, dass sich ein zweiter Lockdown nicht mehr „wegwuppen“ lasse. Das unterstreicht auch die Sozialbürgermeisterin Ute Seifried. „Wie können wir eine zweite Infektionswelle stemmen?“, fragt sie sich, nachdem sie weiß, dass viele Familien die Sommerferien mit ihren Kindern in ihrer Heimat wie der Türkei, Serbien oder Rumänien verbringen wollen. Dort sie das Corona-Virus stärker verbreitet als in Deutschland.

In der Stadt rechnen die Fachbereiche jetzt schon mit einem höheren Infektionsgeschehen nach den Ferien. Alle Kitas bis auf die Noteinrichtungen schließen, wie das zu Beginn der Pandemie gemacht wurde, wollen sie möglichst vermeiden. Alle erinnern sich noch daran, wie am 17. März die Schließung vom Kultusministerium verordnet wurde und dann fast täglich neue Regeln verabschiedet wurden. „Wir mussten in kürzester Zeit rund 700 Anträge für eine Notbetreuung bearbeiten“, berichtet Ute Seifried. „Wir mussten nur ganz wenige ablehnen.“

„Ein zweiter Lockdown lässt sich nicht mehr wegwuppen. Wie können wir eine zweite Infektionswelle stemmen?“Ute Seifried, ...
„Ein zweiter Lockdown lässt sich nicht mehr wegwuppen. Wie können wir eine zweite Infektionswelle stemmen?“Ute Seifried, Sozialbürgermeisterin Singen | Bild: Kirsten Astor

Am 17. Juni wurde bekanntgegeben, dass die Kitas am 29. Juni unter Pandemie-Bedingungen wieder geöffnet werden sollten, die vorerst noch bis 31. August 2021 gelten sollen. Das stellte die Einrichtungen vor logistische Herausforderungen, sondern bedeutet auch Qualitätseinbußen im Angebot. So fällt die Betreuung in Randzeiten weg. Es dürfen keine Lehrkräfte der Musikschule oder Sportlehrer in die Einrichtungen kommen, weil sie das Virus von einer Kita zur nächsten tragen könnten. Auch dass sich in den Einrichtungen die Gruppen nicht mehr durchmischen dürfen, sehen die Fachleute als Qualitätsverlust an.

Ein hochsensibles Thema ist der Schnupfen bei den Kindern, der diese von der Betreuung ausschließlt. Isabelle Büren-Brauch (Grüne) wird emotional, wenn sie als Mutter zweier Kindergartenkinder berichtet, wie Eltern und Kinder dadurch unter Druck geraten. „Was wir hier mit den Kindern machen, ist ein Unding“, schimpft sie und sieht vor allem durch die lange Isolation der vergangenen Monate einen viel größeren Kollateralschaden auf die Gesellschaft zukommen.

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Christa Rummel von der „Hoppetosse“ geht mit dem Schnupfen ganz pragmatisch um: „Wir kennen unsere Kinder ja. Da gibt es welche, die haben dauernd eine Schnupfnase oder einen Husten. Die werden wir in der Regel nicht nach Hause schicken.“ Jeder Fall müsse individuell beurteilt werde. Und da könne es schon mal zu Konflikten mit den Eltern kommen.