In den heißen Sommermonaten ist es nicht ungewöhnlich, das ein oder andere Kleidungsstück abzustreifen. Doch auch das hat seine Grenzen – sich völlig unverhüllt zu präsentieren, ist gerade bei Männern nicht immer rechtmäßig, sondern kann eine Erregung öffentlichen Ärgernisses sein. Wenn es zusätzlich zu sexuellen Handlungen kommt, wird es ganz kritisch. Genau das musste kürzlich ein 29-jähriger Mann vor dem Singener Amtsgericht erfahren. Gegen ihn stand der Vorwurf von vier exhibitionistischen Handlungen im Raum.
Nackte Abkühlung im Sommer
Wie die Staatsanwaltschaft erklärte, habe sich der Mann in den Sommermonaten des Jahres 2022 mindestens dreimal nackt auf seine Terrasse aufgehalten und dabei mit Blick auf die einsichtige Nachbarschaft offen onaniert. Darüber hinaus soll er nach einem Wohnsitzwechsel mehrere Monate später erneut mit einem ähnlichen Verhaltensmuster auffällig geworden sein. Dabei soll der 29-Jährige erneut onanierend vor einem Fenster gestanden sein und versucht haben, Passanten auf seine Handlungen aufmerksam zu machen, wie die Staatsanwaltschaft weiter ausführte.
Augenkontakt – Fehlanzeige
„Ich wollte meinen kleinen Sohn vor diesem Anblick schützen und habe daraufhin die Polizei verständigt“, erklärte eine ehemalige Nachbarin im Zeugenstand. Ihren Aussagen zufolge habe der Angeklagte während der Handlungen jedoch keinen Blickkontakt zu ihr gesucht – ein Detail, das für die Anklage entscheidend ist.
„Auf den Blickkontakt kommt es an“, hielt Richter Bastian Hoenig fest. Ohne das Einbeziehen Dritter in die Handlung wäre der Tatbestand der exhibitionistischen Handlung nicht erfüllt, erklärte auch Strafverteidiger Thomas Röder. Der Angeklagte selbst bestritt die Vorwürfe. Zwar habe er gelegentlich spätabends nach seiner Schichtarbeit nackt auf seiner Terrasse gesessen, er habe sich dabei jedoch zu keinem Zeitpunkt selbst befriedigt oder erregt gefühlt.
Ärger kommt per Post von der Staatsanwaltschaft
„Mir war nicht bewusst, dass es jemanden stört. Ich habe niemanden wahrgenommen. Als ich dann aber Post von der Staatsanwaltschaft bekommen habe, habe ich mich geschämt und bin umgezogen“, sagte der 29-Jährige weiter. Doch auch an seiner neuen Adresse wurde er mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert – erneut von Nachbarn, die sich gestört fühlten.
Das Verfahren zog sich aufgrund des zweifachen Fernbleibens einer Zeugin auf insgesamt drei Verhandlungstage. Nach der Vernehmung der letzten Zeugin wurde jedoch schnell klar, dass in keinem der vier Anklagepunkte der exakte Tathergang zweifelsfrei belegt werden konnte. Denn auch die Nachbarin seines neuen Wohnsitzes erklärte vor Gericht, dass sie den Angeklagten lediglich gelegentlich durch ein Fenster beobachten konnte, wie dieser nackt und erregt auf dem Sofa gesessen habe, ohne jeglichen Blickkontakt zu suchen.
Der Angeklagte ist nicht zum ersten Mal nackt
Dass die Vorwürfe jedoch nicht gänzlich aus der Luft gegriffen sind, verdeutlichte Richter Hoenig anhand einer früheren Verurteilung des Angeklagten. Denn bereits in der Vergangenheit war der 29-Jährige wegen exhibitionistischer Handlungen in einem Regionalzug verurteilt worden.
Doch aufgrund der unklaren Beweislage im aktuellen Fall könne das Strafmaß lediglich auf die Erregung öffentlichen Ärgernisses beschränkt werden, erklärte Richter Hoenig. Letztendlich einigten sich Strafverteidiger Röder, Richter Hoenig und ein Vertreter der Staatsanwaltschaft aufgrund der geringfügigen Beweislast, das Verfahren gegen Geldauflage einzustellen.
Der Angeklagte muss nun binnen fünf Monaten 1250 Euro an eine gemeinnützige Organisation bezahlen. Versäumt er die Frist, so muss der aktuell unter Bewährung stehende 29-Jährige mit einem erneuten Verfahren rechnen. Dann werde das Strafmaß vermutlich höher ausfallen, betonte Richter Hoenig abschließend.