Erst in der vergangenen Woche, am Donnerstag, 28. November, passierte es wieder, und zwar ganz in der Nähe. Ein Autofahrer flüchtete vor einer Zollkontrolle. Zugetragen hat sich der Vorfall laut einer gemeinsamen Pressemeldung von Staatsanwaltschaft und Polizeipräsidium Konstanz an der Anschlussstelle Geisingen der Autobahn 81. Mit einem hoch motorisierten Mercedes gab der 32 Jahre alte Fahrer Gas und konnte erst nach einer rasanten Fahrt, bei der er mehrere andere Fahrer rücksichtslos überholte, auf der Raststätte Hegau West kontrolliert werden.
Im Auto fanden die Zollbeamten Drogen, darunter Amphetamin und Tilidin, gegen den Fahrer lag ein offener Haftbefehl vor, einen Führerschein hatte er auch nicht. Die drei Insassen des Autos müssen sich nun wegen der Drogen im Auto verantworten, die Halterin, die bei der Fahrt nicht dabei war, weil sie die Fahrt ohne Führerschein zuließ.
Bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe
Fälle wie dieser sind das Spezialgebiet von Simon Pschorr – auch wenn er in nächster Zeit kaum einmal damit zu tun haben dürfte. Wenn jemand mit sehr hoher Geschwindigkeit über die Autobahn brettert, kann das als verbotenes Kraftfahrzeugrennen geahndet werden. Im Strafgesetzbuch heißt es in Paragraf 315d, Absatz 1, Nummer 3, der im Oktober 2017 in Kraft trat: Wer im Straßenverkehr „sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.
Diese Vorschrift werde auch angewendet, wenn es um eine Flucht vor der Polizei geht, erklärt Pschorr. Im Fall von Ende November dürften allerdings eher auch andere Themen eine Rolle spielen, etwa das Drogendelikt oder die Fahrt ohne Fahrerlaubnis.
Was hat nun der 32-jährige Pschorr mit illegalen Autorennen zu tun? Das hat mit seiner früheren Arbeit als Richter am Amtsgericht Villingen zu tun. Dort habe er illegale Autorennen verurteilen müssen – ganze zwei Mal, wie er nun erzählt. Einmal sei ein Täter, der ein Auto gestohlen hatte, vor der Polizei geflüchtet. Das andere Mal fanden sich, wie im Fall von Ende November, Drogen im Auto. Auch dieser Täter sei vor der Polizei geflüchtet – und der Fall sollte Pschorr noch länger beschäftigen.
Doktorarbeit über Strafvorschrift zu illegalen Autorennen
Denn er hat seine Doktorarbeit über Paragraf 315d des Strafgesetzbuchs geschrieben und kann als Experte für den Straftatbestand gelten – obwohl er nur die beiden Fälle selbst bearbeitet hat. Für die Promotion hat er auch das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet, denn die Strafvorschrift hielt er für verfassungswidrig. „Das Bundesverfassungsgericht sah das anders“, sagt Pschorr heute. Doch er sagt auch: „Ich bin immer noch überzeugt, dass der Paragraf verfassungswidrig ist.“
Heute betont Pschorr, dass er sich nicht gegen den Straftatbestand an sich wendet. Bei illegalen Autorennen werden, das zeigen die Berichte der Polizei darüber, regelmäßig Unbeteiligte gefährdet, mitunter auch schwer verletzt oder gar getötet. Eine klarere Regelung in der Sache wäre ihm aber lieber, sagt Pschorr. Und: Auch wenn die Karlsruher Richter ihm nicht zustimmten, sei es doch ein großer Erfolg, dass sie sich überhaupt mit seiner Vorlageentscheidung beschäftigten. Denn der allergrößte Teil solcher Eingaben werde als unzulässig zurückgewiesen.
Für seine Haltung zu Paragraf 315d führt Pschorr gewichtige Argumente ins Feld, die am Ende auf die Grundlagen der Gewaltenteilung hinauslaufen. Grob gesagt: Ein Parlament erlässt die Gesetze und die Gerichte setzen um, was in den Gesetzen niedergelegt ist. „Der Gesetzgeber muss das letzte Wort haben und dieses letzte Wort auch sprechen“, formuliert es Pschorr. In seiner Doktorarbeit argumentiert er, dass das gerade bei der Vorschrift zu den Einzelrennen nicht der Fall sei: „Anders als bei den echten Kraftfahrzeugrennen tritt das Regelungsziel des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht eindeutig zu Tage“, heißt es dort. Es gebe eine „Unklarheit hinsichtlich des Normzwecks“ und eine „Häufung unbestimmter Tatbestandsmerkmale“.
Der Gesetzgeber habe die genaue Ausgestaltung den Gerichten überlassen – in Pschorrs Augen eine Überschreitung der rechtsprechenden Gewalt. In der Schweiz hingegen gebe es eine klare und eindeutige Strafvorschrift, die festlegt, bei welcher Geschwindigkeit welche Sanktion droht – bis hin zum Einzug des Autos.
Ein sehr seltener Straftatbestand
Auch wenn die einzelnen Fälle Aufsehen erregen, seien verbotene Kraftfahrzeugrennen, wie es im Strafgesetzbuch bezeichnet wird, nicht sehr häufig, sagt Pschorr. Das bestätigt die kommissarische Amtsgerichtsdirektorin Anke Baumeister. In den vergangenen beiden Jahren habe sich das Bild ergeben, dass jeder Strafrichter am Amtsgericht Singen ein bis zwei Fälle von illegalen Autorennen im Jahr zu bearbeiten hatte. In der Regel gebe es Geldstrafen und Führerscheinentzug.

Richter Bastian Hoenig habe in einem solchen Fall einmal ein Jahr Freiheitsstrafe mit Bewährung verhängt, so Baumeister weiter. Auch in diesem Fall sei es um Flucht vor der Polizei gegangen. In die Strafe seien allerdings auch Unfallflucht und vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs wegen Alkoholkonsums eingeflossen. Die Fluchtfahrt habe mit einem schweren Zusammenstoß mit einem geparkten Fahrzeug in einer 30-Zone geendet.
Und Andreas Mathy, Staatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Konstanz, hat noch mehr Zahlen parat. In den Jahren 2023 und 2024 seien ganze 15 Verfahren wegen illegaler Autorennen in der Datenbank verzeichnet, sagt er – und zwar im ganzen Bereich der Staatsanwaltschaft Konstanz. Zu dem gehören immerhin neben dem Kreis Konstanz auch der Schwarzwald-Baar-Kreis und ein Teil des Bodenseekreises. Mathy sagt aber auch, dass die Datenbank eine kleine Unschärfe bereithält. Wenn ein anderer schwerwiegender Straftatbestand im Spiel ist, zum Beispiel der Fund von Drogen, könnte das Verfahren auch darunter abgelegt sein. An der Größenordnung dürfte das aber nichts ändern, so Mathy.

Acht dieser Verfahren seien im Kreis Konstanz gelaufen, vier hätten mit Urteilen bei Amtsgerichten geendet, zwei seien eingestellt und zwei noch bei der Staatsanwaltschaft anhängig. Zum Vergleich: Von Anfang 2023 bis Ende November 2024 habe die Verkehrsabteilung der Staatsanwaltschaft mehr als 10.000 Verfahren bearbeitet, sagt Mathy: „Der Anteil illegaler Autorennen ist äußerst übersichtlich.“