Wer einen Spaziergang durch Singen macht, wird an so gut wie jeder Ecke auf einen Dönerladen stoßen. Das sorgt für reichlich Kritik von Gastronomen wie Sebastian Kopitzki. Der hat im vergangenen Jahr Insolvenz für sein Gasthaus Kreuz angemeldet und dabei auch bemängelt, Singen sei einfach nicht der optimale Standort für gehobenere Küche. Das machte er auch an der Anzahl der Döner- und Asia-Imbisse fest. Wie vielfältig die Gastronomie in Singen wirklich ist, zeigt ein Blick auf traditionelle Restaurants und Döner-Imbisse.
Insgesamt bietet Singen mit den Ortsteilen 42 gelistete Gastronomiebetriebe, wie der Deutscher Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Konstanz auf Nachfrage mitteilte. Das Angebot sei international: Von asiatischer über mediterrane bis hin zu balkanischer Küche sei alles zu finden. Doch mit rund 25 Dönerbuden bietet Singen auch ein beträchtliches Angebot des schnellen Imbisses.
Viele Dönerläden, wenig deutsche Küche
Siegfried Schaffer hat sich als Kreisvorsitzender der Dehoga Konstanz intensiv mit Singens Gastronomielandschaft beschäftigt: „Es ist auffällig, dass es in der städtischen Zone extrem viel Fastfood und wenig Restaurants gibt.“ Beispielsweise bietet Singen nur zwei Spanier. Jose Perez ist mit seinem El Toro Las Tapas einer davon und das seit über 20 Jahren. „Die Auswahl zum Essengehen ist in Singen nicht sehr groß“, findet er. Seiner Meinung nach gibt es viel zu viele Dönerbuden.
Durch die Schließung des Gasthaus Kreuz und der Singener Weinstube sind im vergangenen Jahr zwei gutbürgerliche Restaurants weggefallen. „Deutsche Lokale sucht man vergeblich – abgesehen von der kürzlich eröffneten Barfüßer Hausbrauerei„, stellt Siegfried Schaffer fest. Dass sich die Singener Kulinarik weg von deutscher, hin zu ausländischer Gastronomie verändert hat, liegt dem Dehoga-Vorsitzenden zufolge daran, dass das Stadtpublikum immer multikultureller geworden ist.
Für Restaurantbesuch fehlt manchen die Zeit
Außerdem ist Singen eine Arbeiterstadt – ein kurzer Imbiss für die Mittagspause finde da viel Anklang, ergänzt Jose Perez. „Generell ist das Leben einfach hektischer geworden, was den Schnellimbissen in die Karten spielt“, erkennt der Restaurantbetreiber. Gerade für Familien mit kleinen Kindern seien Imbissbuden verlockend mit ihren schnellen, einfachen Gerichten. Da werde die Geduld der Kinder nicht so strapaziert wie bei einem mehrstündigen Restaurantbesuch.
Da die Pachtpreise in der Innenstadt sehr hoch seien, können sich kleine Familienunternehmen diese exponierte Lage kaum leisten, beklagt Jose Perez. „Der, der Geld hat, bekommt die besten Plätze und somit das ganze Laufpublikum.“ Da hätten Imbissbuden einen Vorteil, da sie oftmals zu Ketten gehören oder Unterstützung von der Großfamilie erhalten, vermutet der Spanier.
Zudem hätten Imbisse geringere Betriebskosten. „Die Strompreise und Löhne sind für Restaurants deutlich höher, wodurch es schwerer ist, Gewinn zu erzielen. Denn sie haben in der Regel mehr Fläche und müssen die Servicekräfte bezahlen“, sagt Xhevat Krasniqi vom Restaurant am Stadtgarten. Er ist seit 2014 Inhaber des deutsch-mediterranen Lokals, das es seit 2002 gibt.

Imbisse müssen weniger Mehrwertsteuer zahlen
Durch die Inflation sind laut dem Spanier Perez die Nebenkosten und Produkte noch teurer geworden. „Vor wenigen Jahren haben wir für die Lebensmittel gerade mal ein Viertel des heutigen Preises gezahlt.“ Hinzu kam Anfang 2024, dass die vorübergehend reduzierte Mehrwertsteuer wieder bei 19 Prozent liegt, was seinem Restaurant ganz schön zu schaffen mache. Das Restaurant am Stadtgarten schildert ähnliche Probleme und der Betreiber beneidet in dieser Hinsicht die Imbissbuden: „Während wir den hohen Prozentsatz haben, müssen Imbisse nur sieben Prozent zahlen, weil sie Essen zum Mitnehmen anbieten“, so Krasniqi.
Die Inflation und die gestiegene Mehrwertsteuer wirken sich auch auf das Gästeverhalten aus: „Essengehen ist in den letzten Jahren deutlich teurer geworden, zugleich haben die Menschen aber weniger Geld zur Verfügung“, sagt Jose Perez. Vor allem vergangenes Jahr sei spürbar gewesen, dass deutlich weniger Gäste kamen und viele mutmaßlich auf Schnellimbisse auswichen, so Xhevat Krasniqi. Perez teilt diese Einschätzung, erkennt aber: „Wenn die Leute sich dennoch für einen Restaurantbesuch entscheiden, setzen sie auf Qualität und sind bereit, dafür mehr zu zahlen.“
Service soll den Unterschied machen
Trotz der reichlichen Probleme können sich die Lokale behaupten: „Es ist das Ambiente. Die Leute kommen für einen gemütlichen Abend, ganz ohne Hektik“, sagt Perez vom El Toro Las Tapas. Außerdem seien die Gerichte qualitativ hochwertiger und abwechslungsreicher – allein schon durch die saisonalen Angebote. Der Spanier erklärt: „Unser Restaurant lebt nach dem Motto: Essen ist ein Bedürfnis, Genießen eine Kunst.“
Xhevat Krasniqi vom Restaurant am Stadtgarten geht sogar so weit, die Imbissbuden nicht als Konkurrenz zu sehen: „Um mit Service verwöhnt zu werden, kommen die Gäste sowieso zu uns.“
Wie sehen die Dönerläden die Situation?
Bektas Öz hat im August 2024 das Singener Dönerhaus mitten in der Fußgängerzone eröffnet. Er stellte direkt fest, dass es auffällig viele Dönerläden gibt. Doch das war für ihn kein Grund, einen Rückzug anzutreten. „Die Konkurrenz stört mich eigentlich nicht. Wer seine Arbeit gut macht, bekommt auch genügend Kundschaft.“ Er findet, man kann Restaurants nicht mit Imbissbuden vergleichen. Die Zielgruppen und Motive seien unterschiedlich. Beides habe definitiv seine Daseinsberechtigung.
Ercan Demir, der vor drei Jahren gegenüber vom Cano den Imbiss „Harput Döner“ eröffnet hat, betrachtet die Situation ähnlich. Man könne es schwer bestreiten, dass es in Singen viele Dönerläden gibt. „Aber die Menschen hier essen einfach gerne Döner. Also sehe ich keinen Grund, das Angebot zu reduzieren.“
Alle sind sich einig, dass ohne Restaurants und Schnellimbisse das Stadtleben nicht funktioniert. Da trifft es sich gut, dass die Singener Gastronomie nach Angaben des Dehoga-Vorsitzenden in jüngster Zeit wertvolle Zuwächse erhalten hat: Gleis 1, Zwölfe und Barfüßer sind Beispiele.