Jedes Unternehmen hat eine Geschichte – aber wie bleibt es fit für die Zukunft? Diese Frage stand in diesem Jahr im Mittelpunkt der Singener Abendgesellschaft. Als Hauptredner war bei dem prestigeträchtigen Treffen von Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft Matthias Winkler zu Gast, Chef der Sacher-Gruppe, die nicht nur die weltberühmte gleichnamige Torte herstellt, sondern auch Luxushotels in Wien und Salzburg betreibt – abgesehen von Restaurants, Cafés und Unternehmensbeteiligungen.

Winkler berichtete in der Singener Stadthalle darüber, wie das Unternehmen mit seiner schier übermächtigen Tradition ins digitale Zeitalter gekommen ist. Er selbst sei dabei 2011 durch Heirat ins Unternehmen gekommen – „wie es sich für Österreich gehört“. Laut Informationen der Sacher-Gruppe führt er seit 2014 die operativen Geschäfte der Sacher-Unternehmen. Gehören würde die Gruppe für Luxusgastronomie seiner Ehefrau und seinem Schwager, die Schwiegermutter war zugleich seine Vorgängerin, erzählt Winkler. Und er scherzt: „Das Unternehmen ist auf Schokolade aufgebaut.“

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Als Quereinsteiger in der Luxus-Hotellerie

Winkler selbst habe Aufgaben auch in der Politik und in der Lotterie gehabt, sagte Wilfried Trah, Vorsitzender des Standortmarketingvereins Singen aktiv, in seiner Begrüßung. Einem österreichischen Gastronomie- und Restaurantfachblatt erzählte Winkler im Jahr 2019 allerdings auch freimütig von seiner Zeit bei McDonald‘s, wo er als Trainee angefangen und zunächst auch Pommes frittiert habe, ehe es in die Service-Zentrale des Konzerns gegangen sei. Zum Luxusunternehmen Sacher – das günstigste Zimmer im Wiener Sacher-Hotel kann man für eine Nacht in der nächsten Woche derzeit für 590 Euro ohne Frühstück buchen – kam Winkler demnach als Quereinsteiger.

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Beides, das Hocharbeiten in einem Unternehmen und der Blick des Quereinsteigers, färbten auch seinen Vortrag. Zum Beispiel als es darum ging, dass jeder Job in einem Unternehmen wichtig ist. Da erzählte Winkler die Anekdote von einem Feldversuch mit Köchen des Unternehmens. Für ein Testessen habe man absichtlich die Unterseite der Teller mit Essensflecken wie Ei-Resten präpariert. Als die Runde das bemerkte, sei das wunderbare Essen auf den Tellern kein Gesprächsthema mehr gewesen, sondern nur noch der Schmutz unter den Tellern – und die Köche fortan deutlich freundlicher zu den Abwäschern gewesen.

Museumsdirektor wollte er nie sein

Gleichzeitig erzählte Winkler, wie er sich anfangs als Museumsdirektor vorgekommen sei – und wie er diesem Gefühl mit „harter Selbstanalyse“ begegnet sei. Als Ergebnis formulierte er einen Schlüsselsatz des Abends: „Was uns erfolgreich gemacht hat, könnte künftigen Erfolg verhindern.“ Denn das Umfeld sei viel unruhiger geworden. Fortan hieß es, den Megatrends Digitalisierung und Individualisierung Rechnung zu tragen.

Die Köpfe hinter der Veranstaltung (von links): Claudia Kessler-Franzen, Julian Müller und Silke Hirt vom Singen aktiv-Team und der ...
Die Köpfe hinter der Veranstaltung (von links): Claudia Kessler-Franzen, Julian Müller und Silke Hirt vom Singen aktiv-Team und der Vorstandsvorsitzende des Standortmarketingvereins, Wilfried Trah. | Bild: Hanser, Oliver

Sowohl als auch, habe die Zauberformel gelautet, erzählt Winkler. Eingeführt habe man etwa das digitale Einchecken, Kontaktmöglichkeiten über Computerprogramm, auch Bots genannt, oder per Künstlicher Intelligenz oder Filme von Zimmern samt deren Ausblicken – wobei der persönliche Service immer erhalten geblieben sei. Auch für die Mitarbeiter laufe im Arbeitsalltag fast alles digital.

Und das alles soll dazu dienen, möglichst individuelle Erlebnisse zu bieten. Welche Unterschiede sich hinter derselben Personenbeschreibung verbergen können, zeigte Winkler an einer Reihe von Lebensdaten. Die genau gleiche Beschreibung passe auf den britischen König Charles und den Heavy Metal-Musiker Ozzy Osbourne. Beide seien im Sacher zu Gast gewesen, Charles allerdings noch als Prinz von Wales, sagte Winkler. Und: „Unterschiedlicher könnten Gäste nicht sein.“

Mit 580 Gästen war die Stadthalle bei der Abendgesellschaft ausgebucht.
Mit 580 Gästen war die Stadthalle bei der Abendgesellschaft ausgebucht. | Bild: Hanser, Oliver

Auch auf den menschlichen Faktor lege man bei Sacher Wert – zum Beispiel durch gründliche Ausbildung auch in Staatsbürgerkunde, auf Mitsprache, wann man gerne arbeiten möchte, oder durch eine Mitarbeitercharta, die Rechte und Pflichten von Mitarbeitern und Unternehmen festlegt.

Das Publikum hat den Abend genossen

Wie kam das an im Saal? Gerd Springe, Ehrenvorstandsvorsitzender von Singen aktiv, hob in seiner Reaktion genau diesen letzten Punkt hervor: „Die große Botschaft, dass am Ende alles beim Menschen landet, ist sehr zu begrüßen.“ Der Vortrag sei eine schöne Mischung aus Anregung und Schmunzeln gewesen, da sei er zufrieden mit der Auswahl des Gastes – „es soll ja kein Seminar sein“.

Thomas Feneberg, geschäftsführender Vorstand der Baugenossenschaft Oberzellerhau, lobte den kurzweiligen Vortrag: „Es gab viele Impulse und jeder konnte etwas mitnehmen.“ Und der Aufsichtsratsvorsitzende Werner Graf meinte: „Mitarbeiterführung und Digitalisierung, das kann man auf jedes Unternehmen übertragen.“ Rechtsanwalt Martin Huff freute sich über einen „vergnüglichen und interessanten“ Vortrag. Und Juliane Bani, Managerin der Praxis für Neurochirurgie, die ihr Mann Aram Bani betreibt, meinte: „Der Mann hat wirklich keine Schranken im Kopf.“