Die Singener Scheffelstraße hatte bis Mitte der 60-er Jahre ein Monopol. Sie war die Anlaufstelle Nummer 1 in Sachen Einkaufen in der Singener Innenstadt. Mit dem ersten Singener Kaufhaus Monopol als Magnet. Das ist längst Geschichte. Und heute? Das Geschehen hat sich verlagert. Nicht weit. Nur wenige Gehminuten braucht es, um in die August-Ruf-Straße zu gelangen. Die hat die Stadt Singen genauso zu einer Fußgängerzone umgestaltet wie einst die Scheffelstraße. In dieser tummeln sich aber weit weniger Menschen als im Singener Zentrum, das durch das Cano-Einkaufszentrum einen weiteren Schub erhalten hat.

„Die Scheffelstraße strahlt weiterhin eine besondere Aura aus. Dazu tragen die historischen Gebäude bei, von denen es in der Innenstadt nicht mehr viele gibt“, erklärt Hans Wöhrle, Vorsitzender des Singener Einzelhandelsverbandes. „Schade, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Läden in der Scheffelstraße schließen mussten. Forciert durch Corona-Lockdowns, wie dies auch andere Geschäfte der Singener Innenstadt hart getroffen hat“, beschreibt er. Betroffen seien vor allem kleinere Läden „Bestehende Läden müssen sich mächtig strecken und attraktive Angebote bereithalten, sowie gute und freundliche Kundenberatung bieten. Dies gilt nicht nur für Geschäfte in der Scheffelstraße“, so Wöhrle.

Der Blick von der Ekkehardstraße in die Scheffelstraße zeigt links das Brödler-Eck, das 1975 abgerissen wurde. Rechts das Haus von ...
Der Blick von der Ekkehardstraße in die Scheffelstraße zeigt links das Brödler-Eck, das 1975 abgerissen wurde. Rechts das Haus von Glas-Oexle. | Bild: Ott-Albrecht

Die Singener Kern-Einkaufsmeile sei früher liebevoll als „Schlappengasse“ bezeichnet worden. Grund: Es habe eine ganze Reihe von alteingesessenen Schuhgeschäften gegeben. „Heute geben Discounter den Ton an“, so Wöhrle. Gerade der südliche Teil der Scheffelstraße schwächle nach dem Rückzug von Geschäften. Dagegen sorge der mittlere bis nördliche Abschnitt für eine bessere Frequenz. Dort ist das Sportgeschäft Müller und die Metzgerei Hertrich angesiedelt. „Der Einzelhandel hat ohnehin zu kämpfen. Erst durch Corona und verordneten langen Schließungen. Und nun schlagen massiven Teuerungen in vielen Lebensbereichen durch“, zeigt Alexander Kupprion auf. Er leitet als Geschäftsführer das Sporthaus Müller in Singen und hat auch als Vorsitzender der Werbegemeinschaft City-Ring den Gesamtübersicht über den Singener Einzelhandel in der Innenstadt. „Die von meinem Vater gebauten Post-Arkaden haben leider nicht die erhoffte Zugkraft als Verbindung zwischen Scheffelstraße und Zentrum gebracht.“, bedauert er.

Alexander Kupprion, Vorsitzender des City-Rings, gibt dem Einkaufsstandort Singen beste Noten. Er sieht aber auch, dass manche kleinere ...
Alexander Kupprion, Vorsitzender des City-Rings, gibt dem Einkaufsstandort Singen beste Noten. Er sieht aber auch, dass manche kleinere Geschäfte vor Problemen stehen. | Bild: SK

„Solange die Geschäfte in der Scheffelstraße unterschiedliche Öffnungszeiten haben, bleiben die Probleme bestehen. Gerade an den Samstagen kommt viel Publikum nach Singen. Viele Menschen vergnügen sich im Cano in den Gastronomie-Bereichen. Es gibt eine große Chance, dass sie anschließend auch umliegende Geschäfte aufsuchen“, so Kupprion. „Wir haben bewusst bis 18 Uhr samstags offen und damit beste Erfahrungen gemacht. An diesen Tagen machen wir drei bis vier Mal soviel Umsatz wie üblich“, berichtet der City-Ring-Vorsitzende. Es gebe aber auch gut frequentierte Geschäfte in der Scheffelstraße mit Zielpublikum, das nicht durch die Gasse flaniere.

Anfang der 1970er Jahre hatte die Scheffelstraße von der Bahnhofstraße aus betrachtet noch eine völlig andere Gestalt. Am linken ...
Anfang der 1970er Jahre hatte die Scheffelstraße von der Bahnhofstraße aus betrachtet noch eine völlig andere Gestalt. Am linken Bildrand ist das frühere Fotostudio Ott-Albrecht zu erkennen. | Bild: Stadtarchiv

„Der Einzelhandel steht allgemein vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Konkurrenz durch den Internet-Versand gestaltet sich immer härter. Corona hat dies noch sprunghaft gefördert“, betont Kupprion. „Es kommt darauf an, den Kunden wieder ein Wohlgefühl zu vermitteln und ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern“, betont er. Einkaufen und Bummeln sollten zum Erlebnis werden. Da bedürfe es einer großen Freundlichkeit, einer hohen Bereitschaft, als Dienstleister zu agieren und Fachkompetenz zu zeigen, zeigt Kupprion auf. Singen sei aber eine gewachsene Einkaufsstadt mit viel Zugkraft für Kunden aus einem großen Umland.

„Die Stadtverwaltung und der Marketingverein Singen Aktiv unterstützen die Geschäfte in einer imposanten Art und Weise. Das finde ich einzigartig“, streicht er heraus. Es gebe Gegenbeispiele, wie Schwenningen, wo Sport Müller früher den Hauptsitz hatte. „Die Innenstadt stirbt dort sehenden Auges aus, weil nichts dagegen getan wurde“, so Kupprion. In Konstanz herrsche ein großer Andrang, vor allem von Touristen. „Dort wollen die Menschen aber mehr flanieren als einkaufen. Ganz im Gegensatz zu Singen“, betont Kupprion. Er wohnt in Konstanz.

Der bewegte Wandel der Scheffelstraße

  • Abriss und Erhalt: In den 70-er Jahren fielen einige Häuser der Scheffelstraße, darunter Geschäfte und ein Hotel, der Abrissbirne zum Opfer. Aber einige schöne Fassaden konnten gerettet werden und verleihen der Straße heute noch Individualität.
  • Die Verbindungsstraße: Ursprünglich begann die Scheffelstraße am Hohgarten und wurde als Verbindungsstraße zwischen Rathaus und Bahnhof genutzt. Sie wird von Fußgängern heute noch rege frequentiert. Ein kurzes Teilstück wurde der Ekkehardstraße zugeschlagen.
  • Geschäft an Geschäft: Für die aufstrebende Stadt Singen war die Scheffelstraße eine wichtige Einkaufsstraße. Wie an einer Perlenschnur reihte sich Geschäft an Geschäft: Haushaltswaren, Schuhe, Bekleidung, Gastronomie, Bäcker, Metzger, Milchladen, Uhren und Schmuck: Mit Einbruch der Konjunktur Mitte der 1970er Jahre begann man sich Gedanken zu machen, wie die Einkaufsstadt weiter gestärkt werden könnte. Die Werbegemeinschaft City-Ring war besonders aktiv.
  • Die Fußgängerzone: Die Scheffelsträßler bildeten eine eigene Gruppe von Händlern, die mit Werbeideen und Aktionen auf sich aufmerksam machen wollten. Verwaltung und Gemeinderat kamen zu der Erkenntnis, dass ein Gesamtkonzept für die Einkaufsstadt her musste. Auf Empfehlung eines Gutachtens wurde die Scheffelstraße 1986 wie ein Jahr zuvor die August-Ruf-Straße zur Fußgängerzone. (bie/gtr)