Beim verheerenden Feuer der Friedenskirche hat nicht nur die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde auf einmal ihr Gemeindezentrum verloren. Mit einem Schlag standen auch mehrere Kinder ohne ihre zweite Heimat da. Denn im Gemeindezentrum in der Rielasinger Straße war auch eine Kita-Gruppe untergebracht. „Wir haben nichts mehr und brauchen eigentlich alles“, sagt Tagesmutter Anette D‘Effremo wenige Tage nach der Brandkatastrophe.
Wie geht es jetzt für die Kita-Gruppe weiter? Betrieben wird die Kita-Gruppe Friedolinos von den beiden Tagesmüttern Anette D‘Effremo und Lilianna György. Als der SÜDKURIER sie das letzte Mal am Montagvormittag getroffen hat, standen beide vor der Ruine der noch rauchenden Friedenskirche. In ihren Händen hielten sie damals jeweils zwei Ordner. „Das ist alles, was wir retten konnten“, sagte D‘Effremo.

Beim neuerlichen Termin nur wenige Tage nach dem Brand sitzen sie in der Sonne vor dem Markus-Gemeindehaus. Sie haben ihr Lächeln wieder zurückgewonnen. „Am Montag waren wir völlig entsetzt, am Dienstag haben wir viel geweint und seit Mittwoch blicken wir nach vorne“, sagt Anette D‘Effremo. Dass sie vor der benachbarten Markus-Kirche der evangelischen Südstadtgemeinde sitzen, ist kein Zufall. „Wir sind hier untergekommen und dafür sind wir sehr dankbar“, betont sie.

Auch für Bürgermeisterin Ute Seifried sei es ein Glücksgriff, dass man der Kita-Gruppe schnell eine Lösung für den Übergang habe anbieten können. Die Kita-Gruppe werde laut Seifried aktuell von sieben Kindern besucht. Im Gemeindehaus hätte die Gruppe zwei Räume bezogen. Hinzu kämen ein Schlafsaal und die Küche. Außerdem sei es möglich, den Außenbereich mit zu nutzen. Aktuell befänden sich die Kinder noch zuhause. „In den Räumlichkeiten wird derzeit alles hergerichtet“, so Seifried.
Am Montag soll die Betreuung dann wieder normal starten. Bürgermeisterin Seifried lobt die Solidarität in Singen. „Wir sind der evangelischen Südstadtgemeinde sehr dankbar, dass sie sofort Hilfe zugesagt hat“, betont sie. Von der Einrichtung der Friedenskirche sei nichts mehr zu retten gewesen. „Dort war alles voller Ruß und Rauch. Was das Feuer nicht zerstört hat, ging beim Löschen kaputt“, schildert Seifried. Die Gruppe müsste nun bei Null anfangen: „Das ist wirklich sehr schade, denn die Gruppe hatte die Räume mit sehr viel Liebe eingerichtet“, so Seifried weiter.
Die Solidarität in Singen ist groß
Für Pfarrer Dietmar Heydenreich habe es außer Frage gestanden zu helfen, wie er betont: „In solch einer Notlage war es für uns selbstverständlich zu helfen.“ Dass im Gemeindehaus bald jede Menge Kinderlachen zu hören sei, sei für die Gemeinde kein Neuland. „Bis zum Januar war in den Räumen eine Gruppe des Waldorf-Kindergartens untergebracht“, sagt er. Er finde, dass die Räumlichkeiten wie gemacht für die jetzige Nutzung seien.
Seit 2013 in der Friedenskirche
Für die beiden Tagesmütter Anette D‘Effremo und Lilianna György steht in den kommenden Tagen vor allem eines an: Sie müssen einen Überblick über die Lage erhalten. Was fehlt, was ist schon da – damit der Rückkehr zum Betreuungsangebot ab Montag nichts mehr im Wege steht. „Wir standen vor der Ruine und wussten nicht, wie es weitergeht“, sagt György.

Als die Nachricht von Gemeindeleiter Maximilian Stroscher kam, dass die Friedenskirche brenne, dachten beide erst an einen schlechten Scherz. Was danach folgte, können die beiden kaum glauben. „Wir haben von beinahe überall Hilfe und Unterstützung bekommen“, sagt D‘Effremo. Dabei zeigt sie auf verschiedene Kinderstühle in der Ecke. „Die haben wir etwa vom Münchried-Kindergarten als Leihgabe erhalten“, sagt sie. Vom Waldorf-Kindergarten soll schon bald eine neue Garderobe folgen. Den Kopf in den Sand stecken, wollen sie indes nicht. „Die Eltern brauchen uns und das sind wir den Kindern schuldig“, sagt D‘Effremo.
Seit 2013 waren die Friedolinos ein Teil der abgebrannten Friedenskirche. Zu Beginn waren sie im eigentlichen Kirchengebäude untergebracht. Seit 2019 im angrenzenden Anbau. Im Markus-Gemeindehaus kann die Kita-Gruppe laut den beiden Tagesmüttern erst einmal zeitlich unbegrenzt bleiben. Dies sei mit Pfarrer Heydenreich so vereinbart worden. „Wir und vor allem die Kindern können nach dem Schrecken erst einmal zur Ruhe kommen“, betont D‘Effremo. Zudem würde dies bedeutet, dass man ohne zeitlichen Druck auf die Suche nach neuen Räumlichkeiten gehen könne. Zeitgleich wissen die beiden Tagesmütter aber auch, dass sich dies als schwierig erweisen könnte. „Der Markt in Singen ist stark eingeschränkt. Da ist es schon als Privatperson sehr schwer, etwas zu finden“, sagt sie. Zudem wisse sie, dass man mit sieben Kindern im Gepäck nicht zu den attraktivsten Mietern zähle. „Ein kleines altes Häuschen mit einem Garten wäre eigentlich ideal für uns“, so D‘Effremo. Träumen sei nach dem Schrecken des Brandes erlaubt.
Die Friedenskirche war versichert
- Der Schockt sitzt noch tief: Laut Gemeindeleiter Maximilian Stroscher sei die Friedenskirche für viele Gemeindeangehörige ein zweites Zuhause gewesen. „Es gehörte einfach zum Leben dazu – man hat dort gesungen, gelacht, Gott gefeiert, Gemeinschaft in den verschiedensten Forme unter der Woche gelebt, Taufen gefeiert und geheiratet“, sagt er. Die Gemeinde brauche nun erst einmal Zeit zum Trauern. „Momentan können wir einfach noch nicht realisieren, dass der vergangene Gottesdienst der letzte in unserem schönen Gemeindehaus war“, so Stroscher.
- Die Friedenskirche: Die Friedenskirche ist eine freikirchliche Gemeinde und gehört zu den Baptisten. Die Gemeinde umfasse laut Stroscher circa 200 Mitglieder und Freunde. Die erste Friedenkirche wurde am 7. Juli 1957 in Singen eingeweiht. „Die Anfänge der Gemeindearbeit in Singen waren um die Jahrhundertwende 1900“, sagt Stroscher. Pro Gottesdienst seien bis zu 250 Menschen gekommen. Die Friedenskirche in der Rielasinger Straße 19 wurde im Jahr 1993 als Ersatzbau für die zu klein gewordene Friedenskirche in der Rielasinger Straße 1 eingeweiht. Die Baukosten betrugen laut Stroscher vier Millionen D-Mark. Die Polizei beziffert den Schaden auf rund 1,5 Millionen Euro. Die Friedenskirche sei laut Stroscher versichert gewesen. Er betont aber: „Die genannten 1,5 Millionen Euro dürften bei Weitem nicht reichen.“
- Die Brandnacht: Bis zu 150 Feuerwehr-Einsatzkräfte versuchten in der Nacht auf Montag die Friedenskirche zu retten. Neben allen Abteilungen der Singener Wehr waren auch Feuerwehrmänner aus Rielasingen-Arlen mit einer zweiten Drehleiter an den Löscharbeiten beteiligt.