Singen – Der Schock nach dem verheerenden Brand der Friedenskirche in der Rielasinger Straße in der Nacht auf Montag sitzt tief. Auch Stunden später bleiben Passanten vor der Absperrung der Ruine stehen, tauschen sich mit weiteren aus oder machen Bilder. Menschen umarmen sich und klopfen sich aufmunternd auf die Schulter, nicht selten fließen Tränen.

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Rund 120 Mitglieder der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde kamen am Abend nach dem Brand zu einem Gottesdienst auf der gegenüberliegenden Wiese zusammen, um gemeinsam zu beten. „So sehr wir auch an unserem Gemeindehaus hängen, es ist nicht die Gemeinde – die Gemeinde sind wir. Wir wissen noch nicht, wie und wo es für uns räumlich weiter gehen wird. Wir vertrauen auf Gott, dass er uns seinen Weg zeigen wird, Türen öffnet und alles schenkt, was wir in dieser Situation brauchen“, sagt Gemeindeleiter Maximilian Stroscher. Immer wieder bricht auch ihm während des Gebetes die Stimme.

Die Kirchengemeinde der Friedenskirche kam am Montag zu einem Gottesdienst zusammen. Im Hintergrund das zerstörte Gemeindezentrum.
Die Kirchengemeinde der Friedenskirche kam am Montag zu einem Gottesdienst zusammen. Im Hintergrund das zerstörte Gemeindezentrum. | Bild: Matthias Güntert

Seine Frau Stefanie Stroscher gibt ihm Recht: „Das ist ein enormer Verlust für die Gemeinde, aber es ist nicht deren Ende.“ Die Friedenskirche ist eine freikirchliche Gemeinde und gehört zu den Baptisten. Und nicht nur die Baptistengemeinde hat bei dem Brand ihr Gemeindezentrum verloren, auch die dort beheimatete Kindertagespflege Friedolinos hat nun keine Räumlichkeiten mehr.

Mammuteinsatz für die Feuerwehr

Hinter der Feuerwehr Singen liegt ein Mammuteinsatz, der die Einsatzkräfte laut Kommandant Mario Dutzi stark gefordert habe. Gegen 13 Uhr am Dienstag hätten erneut Einsatzkräfte zur Brandstelle ausrücken müssen. „Im Bereich des Dachstuhls gab es kleinere Rauchentwicklungen und kleinere Flammen haben wieder gezüngelt“, sagt er. Damit sei die Feuerwehr quasi durchgehend von 23 Uhr am Montag bis 17 Uhr am Dienstag im Einsatz gewesen. „Das war in meiner Zeit in Singen der größte und vor allem der längste Einsatz“, so Dutzi weiter.

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Viele Feuerwehrleute seien erst in den frühen Morgenstunden durch weitere Feuerwehrmänner abgelöst worden. Alle Abteilungen der Singener Feuerwehr waren mit bis zu 150 Feuerwehrmännern an den Löscharbeiten beteiligt. Die meisten von ihnen im Ehrenamt. „Für viele war dies ein Tag mit 15 bis 16 Stunden im Einsatz“, betont Dutzi.

Ein Feuer in der Nacht auf Montag zerstörte die Friedenskirche in Singen komplett.
Ein Feuer in der Nacht auf Montag zerstörte die Friedenskirche in Singen komplett. | Bild: Freißmann, Stephan

Jetzt gelte es Atemschutzgeräte und bi zu 1800 Meter an Schläuchen zu reinigen und zu kontrollieren. Zur Brandursache könne er keine Angaben machen. „Die Polizei hat die Brandstelle beschlagnahmt, die Ermittlungen laufen“, sagt Dutzi.

Brandursache steht noch nicht fest

Wie das Polizeipräsidium Konstanz und die Staatsanwaltschaft Konstanz in einer gemeinsamen Mitteilung erklären, haben Brandspezialisten der Kriminalpolizei die Ermittlungen aufgenommen. Nachdem es in der Nacht auch in der benachbarten Straße Inselwiese brannte, schließen die Ermittler einen Zusammenhang nicht aus. Auch von einer möglichen Brandstiftung ist in der Presseinformation die Rede.

Rund 120 Menschen kamen am Montagabend zu einem Gottesdienst auf der Wiese gegenüber der Friedenskirche zusammen.
Rund 120 Menschen kamen am Montagabend zu einem Gottesdienst auf der Wiese gegenüber der Friedenskirche zusammen. | Bild: Matthias Güntert

In der Gemeinde herrscht indes laut Maximilian Stroscher große Betroffenheit. „Es wird wohl auf einen kompletten Abriss hinauslaufen“, sagt er. Laut dem Gemeindeleiter hätten andere Gemeinden bereits Unterstützung zugesichert. „Vom Arbeitskreis Christlicher Kirchen sowie von der Evangelischen Allianz und vielen mehr erreichen uns Angebote für vorübergehende Ausweichstandorte“, schildert er. Es gebe jetzt viel zu organisieren. „Zeit zum Weinen hatte ich noch keine, wir müssen jetzt trotz allem nach vorne blicken“, betont er.

Nur noch wenige Mauerteile stehen von der Friedenskirche in der Rielasinger Straße in Singen.
Nur noch wenige Mauerteile stehen von der Friedenskirche in der Rielasinger Straße in Singen. | Bild: Lukas Ondreka

Nach vorne blicken möchte auch eine Frau, die dem Gebet beiwohnt. Sie gibt sich im Schatten der Brandruine fast schon kämpferisch, als sie ans Mikrofon tritt: „Dann bauen wir unsere Kirche eben ein drittes Mal wieder auf“, ruft sie den Menschen während des Gottesdienstes zu. Die Friedenskirche in der Rielasinger Straße 19 wurde im Jahr 1993 als Ersatzbau für die zu klein gewordene Friedenskirche in der Rielasinger Straße 1 eingeweiht. Die Baukosten betrugen damals laut Maximilian Stroscher rund vier Millionen D-Mark. Die Kirche sei für viele eine Art zweites Zuhause gewesen. Die Polizei beziffert den durch den Brand entstandenen Schaden auf rund 1,5 Millionen Euro. Wie teuer ein Neubau werden wird, könne in der Gemeinde zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand sagen.

Die Kriminalpolizeidirektion Rottweil bittet Zeugen, die sich am Sonntagabend beim Sportplatz, in der Rielasinger Straße oder Inselwiese aufgehalten haben oder Hinweise zum Tathergang schildern können, an die Telefonnummer (0741) 47 70 oder jede andere Polizeidienststelle zu wenden.