Glasfaser ist der letzte Schrei in Sachen Datenübertragung. Allenthalben wird kräftig gebuddelt, um die Kabel in die Erde zu bekommen. Doch während vor einigen Jahren selbst größere Kommunen öffentliche Förderung mitbringen mussten, um die schnellen Datenkabel zu bekommen, sind derzeit offenbar mehrere Telekommunikationsunternehmen im Wettbewerb darum, wer die meisten Haushalte an die Glasfaser anschließt.
Das macht sich an Singener Haustüren bemerkbar. Zum Beispiel bei Michael Lehmann. Eines Nachmittags habe neulich ein Kundenwerber der Firma OXG vor seiner Tür gestanden, erinnert er sich. Er schildert die Begegnung so: Der Mitarbeiter hätte am liebsten sofort die Unterschrift unter einem Vertrag gehabt, der dem Unternehmen den Bau eines Glasfaseranschlusses bis in Lehmanns Haus in der Südstadt gestattet hätte. Der 63 Jahre alte Hauseigentümer hatte anfangs noch irrtümlich im Kopf, dass OXG das Unternehmen sei, das den Ausbau für Lila Connect umsetze.
Doch das ist nicht der Fall. OXG, ein Tochterunternehmen von Vodafone und Altice, hat Mitte Juli angekündigt, mehr als 19.000 Glasfaseranschlüsse in Singen verlegen zu wollen. Lila Connect, ein Tochterunternehmen von VX Fiber, ist schon länger in Singen aktiv und hat angekündigt, vor allem die Stadtteile sowie Nord- und Südstadt anschließen zu wollen – ein Projekt, bei dem es jedoch schon seit Jahren nicht richtig vorangeht. Beide Unternehmen sind Konkurrenten.
Mit Lila Connect habe er schon 2022 vereinbart, sein Haus ans Glasfasernetz anzuschließen, erzählt Lehmann nun. Sein Eindruck war, dass ihn der OXG-Kundenwerber unter Druck setzen wollte, um seine Unterschrift unter dem Gestattungsvertrag zu bekommen – egal ob es schon einen Vertrag mit einem anderen Unternehmen gibt. Alle in seiner Straße hätten schon unterschrieben und er hätte am Ende das Nachsehen, habe der Vertriebsmitarbeiter auch noch gesagt. Das stimme aber überhaupt nicht, wie er von Nachbarn später erfahren habe.
Mit dieser Erfahrung steht er offenbar nicht allein da. Auch im sozialen Netzwerk Facebook werden Klagen darüber laut, dass Kundenwerber sehr hartnäckig seien. Es ist die Rede davon, dass diese aufdringlich oder penetrant seien und dass der Hinweis, man habe kein Interesse, überhaupt ignoriert werde. Lehmann jedenfalls sagt, er habe den OXG-Mitarbeiter ohne Unterschrift wieder weggeschickt. Und das obwohl beide Unternehmen, Lila Connect und OXG, damit werben, die Hausanschlüsse für Eigentümer und Bewohner kostenfrei zu errichten.
Da er auch eine Wohnung in seinem Haus vermiete, sei ein Wechsel der Technik nicht ganz einfach, sagt Lehmann. Und der bisherige Kabelanschluss – ebenfalls von der Firma Vodafone – funktioniere auch gut. Nur im Upload hätte er gerne etwas mehr Bandbreite für Videos. Doch er fragt sich als gelernter Radio- und Fernsehtechniker: „Ich kann damit umgehen und bei der Technik auch ganz gut mitreden. Aber lassen sich ältere Mitbürger vielleicht davon überrumpeln? Ich finde das grenzwertig.“
Unternehmen will sich entschuldigen
Tomke Hollander, Pressesprecherin der OXG GmbH, schreibt in einer Stellungnahme zum Verlauf der Kundenwerbung, es seien im Auftrag des Vertriebspartners Vodafone derzeit Medienberater vor Ort: „Wir haben bisher durchweg sehr positive Rückmeldungen mit Ausnahme einer Beschwerde aus Singen erhalten.“ Dennoch wolle sich das Unternehmen für das Verhalten entschuldigen, man werde den Vorfall genau überprüfen lassen. Und Hollander stellt heraus, dass OXG garantiert sein Glasfasernetz ausbauen werde, unabhängig von einer Mindestanzahl an Kunden.
Das war bei Lila Connect anders, als das Unternehmen den Ausbau in Singen angekündigt hat. Dort sieht man das Auftreten von Kundenwerbern eines anderen Unternehmens naturgemäß weniger entspannt. Man höre immer wieder, dass einige Vertriebsmitarbeiter im Wettbewerb zu aufdringlich aufträten, schreibt Pressesprecherin Anja Schneider in einer Stellungnahme. Solche Beschwerden nehme man sehr ernst.
Bei Lila Connect soll es voran gehen
Und sie betont, dass es mit dem Aufbau des Lila Connect-Netzes nun endlich bald losgehen soll – ähnlich wie es Michael Lehmann von dem Unternehmen auch schon zu hören bekommen hat, nachdem er es über die Begegnung mit den Vertriebsmitarbeitern der Konkurrenz informiert hat. Das Partnerunternehmen Vitrum Fiber, das für Lila Connect das Glasfasernetz bauen und finanzieren werde, sei inzwischen in die Ausbauplanung eingestiegen, so Anja Schneider. Die Singenerinnen und Singener würden regelmäßig über den Baufortschritt informiert.
Im Unterschied zu OXG vermarktet Lila Connect laut seinem Internetauftritt eigene Internetanschlüsse und tritt damit als Provider auf. Den Anbieter wechseln können Kunden laut einer Presseinformation erst nach einer Mindestlaufzeit. OXG betont hingegen, dass die Kunden grundsätzlich ihren Anschluss bei einem beliebigen Anbieter buchen können. Geld verdienen kann ein solcher Netzbetreiber dann beispielsweise dadurch, dass die Telekom-Anbieter, die Provider, für die Nutzung der Leitungen bezahlen.
Einige Konkurrenz um Glasfaser in Singen
Doch nicht nur Lila Connect und OXG bieten ihre Dienstleistungen in Singen an. Vor etwa einem Jahr hat auch die Deutsche Telekom den Glasfaserausbau im Industriegebiet und den angrenzenden Wohngebieten begonnen. Die ersten Hausanschlüsse seien inzwischen in Betrieb, schreibt Pressesprecherin Lena Raschke auf Anfrage. Und nicht zuletzt betreibt die Thüga schon Glasfaseranschlüsse im Industriegebiet.
Was die Stadt Singen so interessant macht und wie viele Haushalte und Unternehmen jeweils angeschlossen werden sollen, dazu geben OXG, Lila Connect und Telekom keine genauen Zahlen heraus. Alle drei Unternehmen berufen sich dafür auf Wettbewerbsgründe.