Wenn Peter Waibel von seinem ungewöhnlichen Leben erzählt, klingt er unaufgeregt. Dabei ist jede Station ein kleines Abenteuer: Erst absolvierte er eine Ausbildung in Singen, dann lernte er Französisch in Paris, arbeitete in Luxemburg, im Kongo, zuletzt in Thailand. Erst auf Nachfrage kommt der 80-Jährige kurz ins Grübeln und erklärt: Er sei schon abenteuerlustig gewesen. „Ich wollte die Welt sehen und das habe ich getan.“ Er zog mit 22 Jahren in den Kongo, um Generaldirektor zu werden – ohne Visum und ohne das Land zu kennen. Damals stieß er auf einen fremden Kontinent mit ganz anderen Lebensbedingungen: Weiße Europäer hatten das Sagen und eigene Pools, schwarze Kongolesen fächelten Peter Waibel beim Essen kühle Luft zu. „Das wurde dann mit der Zeit verboten, denn das war ja Sklavenarbeit.“ Als Europäer einige Jahre später das Land verlassen mussten, machte er nur kurz Halt in seiner Heimat Singen und fand dann als alleinerziehender Vater in Thailand ein neues Zuhause.

Alle Waibels aus Deutschland, Frankreich und Thailand vereint.
Alle Waibels aus Deutschland, Frankreich und Thailand vereint. | Bild: Peter Waibel

Wenn die 13 Mitglieder der Familie Waibel heute an einem Tisch sitzen, unterhalten sie sich auf Deutsch, Französisch, Englisch und Thailändisch. Denn Peter Waibel hat vier Töchter, die jeweils unterschiedliche Stationen und Sprachen in ihrem Lebenslauf haben. Während die älteste Tochter Catherine bei den Großeltern in Singen aufwuchs und heute in Köln wohnt, lebten die beiden jüngeren Schwestern mit dem Vater und besuchten in Thailand eine französische Schule. Heute haben beide ihren Lebensmittelpunkt in Paris. Die jüngste Tochter, die Peter Waibel mit seiner zweiten Frau aus Thailand bekam, lebt bis heute dort. Ihre Kinder wuseln um den deutschen Opa herum, während er mit der Heimat telefoniert.

Eine internationale Familie mit regelmäßigem Stopp in Singen

Normalerweise reise er einmal im Jahr in den Hegau und freue sich dann auch auf Klassentreffen in Singen. Aber nach einer Operation im vergangenen Jahr werde er erstmal keinen Zwölf-Stunden-Flug mehr bewältigen, sagt Peter Waibel. Zu seinem 80. Geburtstag wollte die ganze Familie nach Thailand reisen, doch wegen der Corona-Pandemie wurde das auf den Sommer verschoben.

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Die ersten Artikel über ihn erschienen vor über 50 Jahren

Der Heimat war er stets verbunden. Wie es zu seinem ersten Artikel im SÜDKURIER kam, weiß Peter Waibel nicht mehr genau. Das war in den 1960er-Jahren, als er mit der Heimatzeitung im Kongo posierte. Sein Vater sei immer sehr stolz auf seinen Sohn im Ausland gewesen, erinnert sich der 80-Jährige, vielleicht habe er der Zeitung damals einen Tipp gegeben.

Der SÜDKURIER berichtete 1967 über den ungewöhnlichen Auswanderer Peter Waibel, der von Singen in den Kongo zog.
Der SÜDKURIER berichtete 1967 über den ungewöhnlichen Auswanderer Peter Waibel, der von Singen in den Kongo zog. | Bild: SK-Archiv

Ein weiterer Artikel erschien zu Beginn der 1970er-Jahre, als seine Eltern stolz mit der Enkelin durch Singen liefen. „Für die Kinder war es nicht leicht“, sagt Waibel, denn sie wuchsen als Tochter eines Deutschen und einer Kongolesin auf. Tochter Catherine erinnert sich an solche Momente, wenn etwa in der Grundschule die Mitschüler ihre dunkle Haut anfassen wollten.

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Vater und Tochter hielten mit Kassetten den Kontakt über Kontinente

Heute sei es sehr schön, so eine bunte Familie zu haben. „Wir sind alle bis heute ganz eng verbunden, obwohl wir so weit verstreut sind“, sagt die Tochter. Sie erinnert sich noch an die Luftpost-Papiere, auf denen sie mit ihrem Vater kommunizierte. „Das Porto ging nach Gewicht und diese Papiere waren hauchdünn“, erklärt sie am Telefon. Manchmal hätten sie auch besprochene Kassetten hin und her geschickt, um die Stimme des anderen zu hören.

Bilder aus dem Familienalbum zeigen Peter Waibel zum Ende der 60er-Jahre im Kongo.
Bilder aus dem Familienalbum zeigen Peter Waibel zum Ende der 60er-Jahre im Kongo. | Bild: Waibel/Neumann

Peter Waibel hatte es als weißer Deutscher einfacher im Ausland. Die erste Stelle bot ihm ein Afrikaner an, den die Mutter zu Weihnachten aufnahm. Doch die Arbeit sei eine große Enttäuschung gewesen, in damaligen Berichten klagte Waibel über einen sehr geringen Lohn. Also wechselte der gelernte Industriekaufmann und half bei der Expansion eines Ladengeschäfts. Das seien häufig Holzhütten gewesen, in denen man verkauft habe, was man gerade gefunden habe. „Am Schluss hatten wir 30 Geschäfte in der Provinz verteilt“, sagt er.

Stimmung im Kongo änderte sich: Europäer mussten gehen

Weiße Menschen seien im Kongo lange hofiert worden. Dann versuchte der damalige Präsident Mobutu, die europäischen Einflüsse im Land zu eliminieren. „Meine Frau durfte auf einmal nicht mehr Adolphine heißen“, erinnert sich Waibel, und die Familie wurde ausgewiesen.

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Von einer kleinen Drei-Zimmer-Wohnung in Singen aus habe er sich neue Arbeit gesucht, die ihn erst einmal für drei weitere Jahre zurück nach Kongo führte. Damals habe ihn seine Mutter besucht und die Monteure mit Linsen, Wienerle und Spätzle verköstigt – „die waren alle begeistert“. Doch heute würde er nicht mehr in dem Land arbeiten wollen, der Kongo sei bodenlos abgestürzt.

Erst wollte er nicht nach Bangkok. Jetzt bleibt er voraussichtlich für immer

In Thailand hingegen gefiel es ihm so gut, dass er blieb. „Als mein Chef mir eine Stelle in Bangkok angeboten hat, wollte ich erst nicht, denn mein Englisch war nicht das Beste“, sagt Peter Waibel. Doch das Angebot sei alternativlos gewesen: „Entlassen werden wollte ich nicht mit zwei Kindern.“ Bis 2014 arbeitete er für die Firma, wo er bis zu 500 Arbeiter anleitete und seine zweite Frau kennenlernte. Mit ihr lebt er bis heute zusammen – und vermisst nichts von seiner alten Heimat, wie er erzählt.

Peter Waibel zog mit 22 Jahren von Singen in den Kongo. Heute lebt er mit seiner Familie in Thailands Hauptstadt Bangkok.
Peter Waibel zog mit 22 Jahren von Singen in den Kongo. Heute lebt er mit seiner Familie in Thailands Hauptstadt Bangkok. | Bild: Peter Waibel/privat

„Als ich hier ankam, bekam man Brot nur in den großen Hotels. Aber mittlerweile gibt es hier alles.“ Sogar den SÜDKURIER könne er online lesen. Allerdings habe er auch vier Putsche erlebt und beobachte häufig Korruption. Auch im sogenannten Land des Lächelns würden Menschen nach ihrem Vorteil gucken. Doch er habe sich an das angenehme Leben dort gewöhnt. „Ich brauche nie einen Wintermantel und muss nie aufs Wetter achten, ob ich einen Ausflug machen kann.“ Waibel will bis an sein Lebensende in Thailand bleiben. „Zurück nach Deutschland zum Leben kann ich mir nicht mehr vorstellen“, sagt der 80-Jährige.