Nicola Westphal

Herr Growe, wie sieht es nach fast zwei Jahren Corona aktuell in der Reisebranche aus?

Wir hatten im letzten Jahr einen Umsatzrückgang von mehr als 60 Prozent. Das ergibt sich aus dem langen Lockdown, in dem wir fast sieben Monate nicht für unsere Kunden da sein durften. Seit Jahresbeginn geht es wieder bergauf. Die Angst vor einer Corona-Ansteckung ist zwar definitiv in den Köpfen der Menschen vorhanden, allerdings sehen auch viele, dass der Verlauf bei einer Infektion mit der Omikron-Variante wesentlich milder verläuft. Zunächst zögerlich, ab Anfang dieses Jahres sogar merklich, setzt die Reiselust wieder bei den Menschen ein und wir verzeichnen momentan einen Buchungsaufschwung.

Das heißt, Ihr Reisebüro ist wieder voll?

In der Tat bemerken wir momentan eine regelrechte Buchungswelle, allerdings findet bei uns die Beratung nur mit Terminvereinbarung statt. Wir wollen damit ein Ansteckungsrisiko in unseren Räumlichkeiten ausschließen. Dafür arbeiten wir oft bis in den späteren Abend hinein. Wenn es beispielsweise um hochwertige Kreuzfahrtreisen geht und die Kunden nicht zu uns kommen können, fahren wir auch raus und beraten sie zu Hause.

Ist es eher die ältere Kundschaft, die Angst vor dem Reisen hat?

Naja, durchschnittlich kamen nur noch drei bis fünf von zehn Kunden zu uns, weil sich die Skepsis beim Reisen durch fast alle Altersgruppen zieht. Wir haben auch einige Rückmeldungen von Stammkunden – darunter eben auch viele ältere Menschen – dass sie momentan lieber ihren Garten und die nahe Umgebung zur Erholung nutzen, als zu reisen. Sie haben aber gesagt, dass sie gerne wieder zu uns kommen, sobald das Reisen sicherer und leichter ist. Die meisten haben allerdings weniger Angst vor einer Infektion, als Scheu vor der Quarantäne, also dass sie gegebenenfalls nicht auf ein Schiff, in das Flugzeug oder Hotel können. Die Menschen haben auch großen Respekt vor den Onlineregistrierungen, die derzeit für die Einreise in viele Länder Voraussetzung ist.

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Die Quarantäne-Regeln ändern sich ja auch ständig und sind je nach Reiseland unterschiedlich, oder?

Ja, das stimmt. So gibt es in Thailand momentan ein sogenanntes Sandbox-Verfahren. Das heißt, dass man die Quarantänezeit nicht in einem Hotel, sondern innerhalb einer bestimmten Region einhalten muss, also auch beispielsweise den Strand nutzen darf. Ein gutes Konzept, wie wir finden. Zu manchen Reisen können wir dennoch nur bedingt raten. Reisen ist etwas für Mutige, damit meinen wir nicht für Lebensmüde, sondern für diejenigen, die Mut zur Flexibilität haben.

Hatten Sie Fälle von Quarantäne?

Ja, einen einzigen Fall. Eine Familie wurde in Genua nicht auf das Kreuzfahrtschiff gelassen. Im Nachhinein stellte sich dann auch noch heraus, dass die Testung versehentlich ein positives Ergebnis angezeigt hat. Das ist natürlich äußerst ärgerlich.

Wer trägt in solch einem Fall eigentlich die Kosten?

Genau das ist unsere Achillessehne. Die Kostenübernahme ist nicht eindeutig geklärt und wird zum Streitfall.

Welche Reisziele werden momentan am stärksten gebucht?

Die Welt ist groß, von Westaustralien bis Kuba ist rein theoretisch fast alles buchbar. Dennoch raten wir momentan, mit den Fernreisen noch zu warten. Innerhalb von Deutschland sind vor allem die Wellnesshotels gefragt. Viele buchen schon ihre Ziele für den Sommer. Es ist nun einmal so, dass die Inzidenzwerte im Winter höher sind und die Menschen deshalb lieber in den warmen Monaten reisen. Beliebte Ziele sind vor allem die Kanarischen Inseln, Dubai, die Türkei, Ägypten, die Malediven, die Dominikanische Republik und Mexiko.

Ägypten ist momentan ein beliebtes Reiseziel.
Ägypten ist momentan ein beliebtes Reiseziel. | Bild: Johanna Uchtmann

Worauf führen Sie das zurück?

Dort wo es warm ist, sind die Infektions-Zahlen relativ weit unten – ok, eine Ausnahme ist das spanische Festland. Ob es jedoch wirklich daran liegt, wissen wir nicht, das ist nur unsere Vermutung.

Wie sieht es mit den Buchungen für Skiorte aus?

Skireisen werden insgesamt nur ganz selten über ein Reisebüro gebucht. Viele gehen über Plattformen, kennen ein nettes Hotel, oder buchen aufgrund von Empfehlungen. Das geht ja schnell und unkompliziert per Telefon oder über das Internet und braucht eigentlich wenig Beratung. Wir Reisebüros kommen eher dann ins Spiel, wenn es kompliziert wird.

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Zu welchem Thema gibt es die meisten Kundenfragen?

Die meisten suchen ein Reiseziel, das unkompliziert erreichbar ist, also ohne dass sie Unmengen von Formularen auszufüllen haben. Hinzu kommt, dass die Formulare in den einzelnen Ländern und Reisegebieten nicht einheitlich gestaltet werden. Wir Reisebüros bekommen täglich zwischen drei und 20 Mails mit Updates zu Quarantänebestimmungen und Reisewarnungen oder wo aktuell Hochrisikogebiete sind. Für den Laien ist es fast unmöglich, das alles alleine zu managen.

Im Sommer waren die deutschen Inseln, die Ost- und Nordsee fast ausgebucht. Sehen Sie das auch für die nächste Sommersaison?

Ja, davon können wir ausgehen. Urlaube an der deutschen Küste sind beliebt und relativ sicher – auch in Corona-Zeiten, denn es muss dafür keine Landesgrenze übertreten werden. Da fällt das Ausfüllen der Einreiseformulare schon mal aus. Und gerade ältere Menschen wollen zwar reisen, sind aber oftmals mit den Formalitäten überfordert.

In der Corona-Zeit war es schwierig, neue Menschen kennenzulernen. Auch ältere Menschen sind gefährdet zu vereinsamen. Lohnt es sich, jetzt verstärkt auf Single- und Gruppenreisen zu setzten?

Definitiv! Wir hatten eine verstärkte Nachfrage nach Gruppenreisen – die aus Sicherheitsgründen möglichst im eigenen Land stattfinden sollten. Diesem Wunsch sind wir nachgekommen und wir haben entsprechende Gruppenreisen im Programm. Auch Kulturreisen sind für viele – gerade Alleinreisende – attraktiv. Die Menschen wollen schließlich nicht nur reisen, sondern haben vor allem auch den Wunsch nach Kultur, Kommunikation und den ganz normalen Begegnungen mit anderen.

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