Für Bernhard Eisenhut ist die Sache klar: „Ich selbst bin stehen geblieben, die anderen Parteien sind nach links gerückt.“ So sieht es der 62-Jährige, der am 14. März für die AfD in den Stuttgarter Landtag einziehen will. Die AfD werde in die rechte Ecke geschoben. Sein Beleg: In den 1990er-Jahren habe die CDU plakatiert „Asylmissbrauch beenden“. Das ist laut den Recherche-Vereinigungen Correctiv und Mimikama richtig. Das Plakat kam bei der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft 1991 zum Einsatz. Die CDU hat vor 30 Jahren, kurz nach der Wiedervereinigung, in dem kleinen Bundesland zwar an Stimmen gewonnen, konnte aber nicht die Regierung ablösen.
Im Falle eines Wahlerfolgs würde Eisenhut ausgerechnet auf Wolfgang Gedeon folgen. Der war 2016 per Zweitmandat für die AfD in den Landtag gekommen. Antisemitismus-Vorwürfe gegen Gedeon spalteten zeitweise die Fraktion, er schied kurz nach der Wahl im Zuge dieses Streits aus der Fraktion aus und wurde im März 2020 aus der Partei ausgeschlossen. Er darf öffentlich als Holocaustleugner bezeichnet werden. In Gedeons Fußstapfen will Eisenhut auf keinen Fall treten: „Ich teile seinen Standpunkt in keinster Weise“, sagt er beim Gespräch in seinem Geschäft in Singen. Durch Gedeon sei aufseiten der AfD nichts für den Wahlkreis gegangen, es sei „eine ganz große Katastrophe“, die der AfD geschadet habe. Und Eisenhut sagt auch, dass heute andere vorne dran stehen.
Keine Partei wie jede andere
Doch auch abseits von Gedeon ist die AfD keine Partei wie jede andere. Der Verfassungsschutz hat ein wachsames Auge auf ihre Jugendorganisation wie auf die ganze Partei. Bundestagsabgeordnete der AfD haben kürzlich Gäste in den Bundestag eingeladen, die dann Politiker anderer Parteien bedrängten. Das Spitzenpersonal der AfD macht immer wieder mit Äußerungen auf sich aufmerksam, die, je nach Standpunkt, als Skandal oder Grenzwertigkeit betrachtet werden. Wie steht Eisenhut dazu, wenn Alexander Gauland, Björn Höcke oder Beatrix von Storch wieder einmal rechtes Gedankengut verbreiten? Dass er als Mitglied derselben Partei damit identifiziert wird, müsse er hinnehmen, sagt er. Der Verfassungsschutz? „Den haben uns die etablierten Parteien auf den Hals gehetzt.“ Und überhaupt: „Man will uns nicht die Fehler einer jungen Partei zugestehen.“
Doch was will dieser Mann politisch erreichen? Zunächst einmal wolle er überhaupt einmal den Wahlkreis in Stuttgart vertreten, verweist auf seine Mandate im Kreistag und im Regionalverband Hochrhein-Bodensee, wo er seit der Kommunalwahl 2019 vertreten ist. Sein Ersatzkandidat bei der Wahl am 14. März ist Michael Hug, der wie Eisenhut in Rielasingen-Worblingen lebt. Eine gute Wahl, wie er findet. Manches von dem, was Eisenhut sagt, dürfte auf einige Zustimmung stoßen. Bauförderung für Familien mit Kindern und ein Baurecht, das nicht durch viele Vorschriften die Preise hochtreibt, zählt er auf. Die Digitalisierung von Schulen sei ein großes Problem, über das die Politik den Überblick verloren habe. Und er frage sich, warum der Landkreis Konstanz nicht vom Land das Geld einfordert, das dieses für den Gesundheitsverbund eigentlich aufbringen müsste.
In manchen Themen stellt er sich gegen den Mainstream
Doch er sagt auch anderes. Beispielsweise, dass in Flüchtlingsbooten fast nur junge Männer säßen – Muslime, kriegserfahren. Einen Punkt, den er auch in der Diskussion bei der SÜDKURIER-Wahlarena machte und umgehend deutlichen Widerspruch erntete – angesichts zahlreicher Beispiele von Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und bestens integriert sind. Eisenhut sieht trotzdem Probleme auf Deutschland zukommen, auch beim Blick in die Singener Innenstadt. Da sehe er zwar viele junge Frauen mit Kinderwagen, doch ihm wäre es lieber, es wären deutsche Frauen.
Was ist so schlimm daran, wenn sich die Gesellschaft verändert? Eisenhut argumentiert mit religiös dominierten Parallelgesellschaften, die seiner Meinung nach entstehen: „Darüber will ich offen sprechen können.“ Und: „Ich will nicht, dass sich die Gesellschaft zum Islam hin entwickelt.“ Auch zur Corona-Pandemie hat er seine eigene Meinung. Es habe 2020 sogar eine Untersterblichkeit gegeben. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen etwas anderes. Und seine Lieblingszahl sei, dass 80 Prozent der Ärzte nicht gegen das Coronavirus geimpft seien. Eine Quelle gibt er im Gespräch nicht an. Die Ärztezeitung berichtet von einer Impfbereitschaft unter Ärzten von 73 Prozent und bei Pflegern von knapp 50 Prozent.
Sich selbst bezeichnet Eisenhut als bürgerlich. So sei er es von früher gewöhnt, dass eine Familie von einem Gehalt leben konnte: „Die Frau musste nicht arbeiten“, sondern konnte sich um Haushalt und Kinder kümmern. Dass Frauen arbeiten müssen, sei kein bürgerliches Konzept. Die in seinen Augen klassische Familie müsse viel mehr gefördert werden. Dass man mit solchen Ansichten heutzutage, wo die Berufstätigkeit für viele Frauen zur persönlichen Unabhängigkeit gehört, leicht als rückwärtsgewandt wahrgenommen wird? Das sei ihm klar, verdeutlicht er durch ein Nicken. Und zwischen seinen Worten schimmert hindurch: Er erwartet nicht unbedingt, dass man einer Meinung mit ihm ist. Doch man müsse seine Meinung auch sagen dürfen, ohne Anfeindungen zu riskieren, sagt Eisenhut. Auch er habe schon Müll im Briefkasten gehabt. Und die AfD akzeptiert andere Meinungen immer? Das nimmt Eisenhut zumindest in Anspruch.
Kandidaten, Person und App
- Kandidaten: Neben Bernhard Eisenhut stehen im Wahlkreis Singen/Stockach elf weitere Kandidaten zur Wahl. Das sind Franz Segbers für die Linke, für die Grünen Dorothea Wehinger, Markus Bumiller (FDP), Tobias Herrmann für die CDU, Hans-Peter Storz für die SDP, für die ÖDP Michael Hinzen, für die PARTEI Philipp Weimer, Hans-Jörg Laufer für die Partei der Freien Wähler, Uli Reith für die Basis, Jörn Greszki für die KlimalisteBW und für W2020 Helmut Happe.
- Person: Bernhard Eisenhut, 62, wurde in Kreuzlingen geboren und ist in Konstanz aufgewachsen. 2011 zog er nach Singen und lebt jetzt in Rielasingen-Worblingen. Er ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder. Nach eigenen Angaben war er in den 1980er-Jahren Sanitäter bei der Bundeswehr, später Vermittler für Rohdiamanten. Beruflich sei er früher auch viel in islamischen Ländern unterwegs gewesen. Inzwischen habe er etwa 40 Jahre als Unternehmer gearbeitet. Derzeit betreibt er ein Juweliergeschäft, das auf Goldankauf spezialisiert ist.
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