Wer in Singen einen sogenannten Kampfhund besitzt, muss seit 1. Januar tiefer in die Tasche greifen: Er zahlt mit 600 Euro pro Jahr sechsmal so viel Hundesteuer, wie jemand mit einer Hunderasse, die nicht gelistet ist. Zwei, die diese Neuerung betrifft, sind Annabell Schaal und Maria Bennardo. Sie sind Besitzerinnen der Staffordshire Bullterrier Mischlinge Honda und Mila. Sie finden die Steuererhöhung diskriminierend, weil sie sowieso mit ihren Hunden schon höhere Auflagen erfüllen müssen als andere Hundebesitzer. Schon der Begriff Kampfhund ärgert sie.
„Wenn jemand zu mir sagt, ich hätte einen Kampfhund, dann sage ich, ich habe keinen Kampfhund, mein Hund kämpft nicht“, erklärt sie. Sie sprechen von ihren Hunden als Listenhunde, weil sie auf einer Liste potenziell gefährlicher Hunde stehen. Hundekämpfe gab es bis Mitte des 19. Jahrhunderts und sie seien seither verboten, erklärt Schaal. Die Hunde auf diese Eigenschaft zu reduzieren, würde ihnen, ihrer Meinung nach, nicht gerecht.
Beide Hunde haben zwei Wesenstests bestanden, die je rund 300 Euro kosten. Mit dieser Verhaltensprüfung widerlegen die Besitzer die Kampfhundeeigenschaft und die Hunde müssen deshalb keinen Maulkorb tragen. Die Hündin Mila hat zusätzlich die Begleithundeprüfung absolviert und ist deshalb von der Leinenpflicht befreit, während der zwei Jahre alte Rüde Honda an einer Ein-Meter-Leine gehen muss.
Die Steuererhöhung für Kampfhunde in Singen soll verhindern, dass mehr sogenannte Kampfhunde gehalten werden, lautete im Gemeinderat die Begründung der Stadt Singen.Laut der Stadt Singen, die sich nach der Kampfhundeverordnung des Landes richtet, werden bei den Rassen American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Pit Bull Terrier sowie deren Kreuzungen Kampfhundeeigenschaften vermutet. Die Besitzer müssen hohe Auflagen erfüllen, damit sie einen solchen Hund halten dürfen. Die Verordnung soll die Bevölkerung vor Gefahren schützen, die von diesen Hunden ausgehen kann.

Doch warum legt man sich einen solchen Hund zu, wenn man um die Auflagen weiß und darum, dass man auf der Straße schief angeschaut wird, weil die Hunde als aggressiv gelten? „Ich wollte einen Hund, der gehorsam ist, gut mit Kindern kann, wenig haart und sportlich ist“, berichtet Maria Bennardo, die mit ihrem Mann drei Kinder hat.
Als sie diese Kriterien in eine Internet-Suchmaschine eingegeben habe, kam der American Staffordshire heraus. Ihr Mann habe sie dann auf die Probleme aufmerksam gemacht, die auf sie zukommen können. Doch sie habe beschlossen, dass sie es trotzdem probieren will, weil sie sowieso auch gern mit dem Hund arbeiten wollte.
„Ich bin total happy mit Mila und würde es auf jeden Fall wieder machen“, erklärt sie. Mila habe sich als guter Familienhund erwiesen, sei sehr tolerant mit den Kindern gewesen. Die Arbeit in der Hundeschule und mit Hundecoach bereut sie nicht und ist stolz, die Begleitschutzhundeprüfung bestanden zu haben, auch wenn sie schwer war.
Besitzerinnen wollen Vorurteile abbauen
Maria Bennardo will Vorurteilen gegenüber diesen Hunden entgegenwirken, mit denen sie im Alltag immer wieder konfrontiert wird. Manche Menschen würden die Straßenseite wechseln, wenn sie ihr mit Hund begegnen. Das habe sie anfangs gekränkt, doch inzwischen lächle sie freundlich und grüße. Sie will zeigen, dass viele ganz normale Menschen einen Listenhund besitzen. Es gebe auch die Besitzer, die nur mit ihrem Hund protzen wollten, räumt sie ein. Sie hätten oft keine Ahnung von ihren Tieren und würden sie nicht richtig erziehen. Aber solche gebe es bei allen Hunderassen.
Annabell Schaal aus Stockach hat den jetzt 22 Monate alten Rüden Honda aus dem Tierschutz geholt. Sie wollte einen sportlichen, mittelgroßen, kurzhaarigen Hund, der vor allem gut mit Pferden kann. Sie hat ein Pferd und bietet Reittherapie an. Auch das Aussehen des Staffordshire habe ihr gefallen. „Er ist kräftig, tritt schon selbstbewusst auf und braucht konsequente Erziehung“, sagt sie, doch das war ihr bewusst und sie könne damit umgehen. „Ich würde auch alle zwei Jahre eine Prüfung ablegen“, erklärt sie, wenn sie damit zeigen könnte, dass der Hund keine Gefahr darstellt. Sie ist der Meinung, dass jeder Hundebesitzer eine Prüfung ablegen sollte.
Bewusste Entscheidung für den Hund
Bevor sie Honda genommen hat, habe auch sie gründlich überlegt, ob sie einen Listenhund will, aber sie habe es nicht bereut. „Was kann der Hund dafür, dass er in so eine Schublade gesteckt wird?“, erklärt sie. Beide Frauen sind der Meinung, dass es darauf ankommt, wie der Hund erzogen ist. Das sei aber auch bei anderen Hunden so. Sie plädieren, dass jeder Hundebesitzer in Deutschland einen Hundeführerschein machen sollte.
Viele Tierschutzorganisationen wie zum Beispiel der Verein Tasso fordern die Abschaffung der Rasselisten. In einigen Bundesländern gibt es keine. Nur ein Bruchteil der Beißvorfälle seien von Listenhunden ausgegangen, erklärt der Verein in einem Artikel zu Beißvorfällen in Hessen. Die meisten Beißvorfälle gingen auf das Konto von Schäferhunden und Schäferhundmischlingen. Die Gefährlichkeit eines Hundes lasse sich nicht durch dessen Rassezugehörigkeit begründen. Der Verein fordert ebenfalls, einen allgemeinen Hundeführerschein einzuführen.
In Konstanz ist es deutlich teurer
Derzeit sind laut der Pressestelle 2.000 Hunde in Singen gemeldet, für die Steuer gezahlt wird, davon gelten 87 als sogenannte Kampfhund. Die Steuerbescheide für 2024 würden den Haltern demnächst zugehen. „Die Stadt Singen ist eine der wenigen Städte und Gemeinden im Landkreis Konstanz, die bisher keine Kampfhundesteuer erhebt“, erklärt Pressesprecher Stefan Mohr auf Nachfrage. Konstanz erhebt beispielsweise für den ersten Kampfhund 900 Euro, für jeden weiteren 1.500 Euro.
Seit 1. Januar wurden laut Stadtverwaltung keine Listenhunde aufgrund der neuen Besteuerung abgemeldet. Bislang sei es lediglich wegen eines Umzugs zu einer Abmeldung gekommen. Auch Beschwerden habe es laut Stadtverwaltung bisher nicht gegeben, lediglich Nachfragen wegen der Besteuerung. Die Voraussetzungen für Ausnahmen oder Befreiungen würden in der Hundesteuersatzung erläutert und je nach Einzelfall geprüft. Es gibt sie zum Beispiel für Begleithunde für behinderte Menschen oder Rettungshunde.