Immer wieder schaut Kerstin Riebesehl auf ihr Handy. Dieses sei immer an, betont sie. Rund um die Uhr. 24 Stunden am Tag und in der Nacht. Nicht etwa, weil sie sich ein Leben ohne Smartphone nicht vorstellen könne, sondern weil die 28-Jährige jederzeit zum nächsten Einsatz gerufen werden kann. Kerstin Riebesehl verdient ihre Brötchen nicht als Polizistin. Sie ist auch keine Feuerwehrfrau. Ihr Herz schlägt für Tiere. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich im Tierschutzverein Stockach und Umgebung aktiv.

Mehr als das: Vor zwei Jahren hat sie den Vorsitz von Tierärztin Julia Bertsche übernommen und sucht jetzt dringend nach Unterstützern und neuen Mitgliedern. Denn um die Zukunft des Tierschutzvereins steht es nicht zum Besten. „Wir müssen nun einfach schauen, dass wir neue Helfer finden und den Verein neu aufbauen“, sagt sie. Der Entschluss, Verantwortung im Verein zu übernehmen, fiel Kerstin Riebesehl leicht. „Ich war viel zu lange dabei, um jetzt zu sagen: Gut, dann lassen wir den Tierschutzverein eben sterben.“
Infoabend geplant
Wie es nun mit dem Tierschutzverein weitergehen soll? Dazu hat sie eine einfache Vorstellung. „Alleine schaffe ich die vielen Notrufe nicht mehr“, macht sie deutlich. Deshalb sei in naher Zukunft ein Informationsabend samt Mitgliederversammlung geplant. Pläne dazu werden derzeit ausgearbeitet, aber einen genauen Termin gebe es noch nicht. „Ich schaue gerade, ob es Menschen gibt, die aktiv oder auch passiv mitarbeiten wollen.“

Kerstin Riebesehl geht es nicht darum, im Rampenlicht zu stehen. Vielmehr liegt ihr das Schicksal der Tiere am Herzen. Ihnen möchte sie helfen. Da die Stadt Stockach über kein eigenes Tierheim verfüge, sei die Arbeit des Tierschutzvereins umso wichtiger: „Wo sollen die Tiere sonst Hilfe bekommen, wenn sie weglaufen, misshandelt oder ausgesetzt werden?“
Ehrenamt neben dem Beruf
In der Regel gehen die Notfälle bei ihr über die Polizei oder direkte Anrufe von besorgten Nachbarn ein. Wenn das Telefon klingelt, gilt es für Kerstin Riebesehl schnell zu sein. Und genau hier steckt der Teufel im Detail. Sie arbeitet Vollzeit in ihrem Beruf. Deshalb müssen die Rettungsmissionen gut und exakt getaktet sein. Zu ihren häufigsten Kunden zählen Hunde und Katzen. „Wenn die Hunde registriert sind, findet man ihre Besitzer in der Regel schnell.“

Tiere werden oft ausgesetzt
Bei Katzen sehe dies anders aus, denn sie sind oft nicht gechippt. 30 bis 40 Katzen päppelt sie pro Jahr wieder auf. „Am Wochenende werde ich am meisten gerufen“, sagt sie. Auch zur Urlaubszeiten und im Sommer häufen sich ihre Einsätze. „Wenn Tiere heute im Weg sind, man plötzlich Allergien bekommt oder man lang in den Urlaub will, werden sie häufig einfach an der Straße oder im Wald ausgesetzt“, nennt sie Gründe.
Kuriose Einsätze gibt es bei der Arbeit des Tierschutzvereins auch. „Es können schon auch einmal entlaufene Schildkröten oder entflogene Vögel dabei sein“, sagt Kerstin Riebesehl. Sie erinnert sich dabei an einen Einsatz im Jahr 2018. Damals musste sie gleich ein ganzes Rudel ausgesetzter Hühner in Nenzingen einfangen. „Da wurde ganz schön viel gegackert“, erinnert sie sich.
Weitervermittlung ist große Aufgabe
Warum sie dies alles tut? „Es gibt nichts dankbareres als ein Tier“, betont sie. In all den Jahren, in denen sie sich aktiv für den Tierschutz einsetze, sei es noch nie zu Unfällen gekommen. „Ich wurde in 15 Jahren erst einmal von einem Hund gebissen – und das war ein ganz kleiner.“ Wenn die Tiere aufgenommen und wieder aufgepäppelt wurden, beginnt die schwierigste Aufgabe von Kerstin Riebesehl: die Weitervermittlung. „Wenn die Besitzer nicht mehr auffindbar sind, versuchen wir natürlich, den Tieren einen bestmöglichen Lebenplatz zu bescheren.“
Dies gelinge allerdings nicht immer. Vor allem bei älteren Tieren sei dies schwieriger als bei jungen. „Die kleinste Katze, die wir gefunden haben, war gerade einmal eine Stunde alt“, erzählt die 28-Jährige. Gerade solche Schicksale seien es, die sie besonders hart treffen. Denn oftmals wisse man vor allem bei den Kleintieren nicht, ob sie durchkommen.
Gespräche für Unterbringung von Fundtieren
Wenn man heute im Hause Riebesehl vorbeischaut, kann es mitunter ganz schon laut werden. Viele der aufgenommen Tiere findet bei Kerstin Riebesehl Obdach. Man sei aber derzeit mit der Stadtverwaltung in Kontakt, um einen Platz oder ein Grundstück für die Unterbringung zu finden. Die 28-Jährige erzählt, dass die Stadt dabei sei, einen Zwinger für die kurzfristige Unterbringung anzuschaffen. Größe und Standort seien jedoch noch nicht klar.
Kein Tierarzt im Verein
Das größte Problem für die Arbeit von Kerstin Riebesehl ist es, dass die letzte Tierärztin aus dem Verein ausgeschieden ist. „Bei Einsätzen kann ich also keine medizinische Vor-Ort-Hilfe mehr anbieten.“ Viele Personen, die sich an den Tierschutzverein wenden, würden dies nicht verstehen. „Ich bin keine Tiermedizinerin“, sagt Kerstin Riebesehl. Sie müsse nun jedes Mal einen Termin bei einem Tierarzt machen. Um den Tierschutzverein am Leben zu erhalten, sucht sie nun nach weiteren Helfern und Unterstützern. Kerstin Riebesehl ist bei Notfällen aber auch um weitere Infos zu erhalten unter (0171) 6011277 erreichbar. (mgu)