Christin Löhner aus Stockach ist eine besondere Frau. Mit ihren 1,86 Meter Körpergröße fällt sie auf. Sie achtet auf ihr Äußeres, wirkt gepflegt und begegnet ihren Mitmenschen mit einem offenen Lächeln. Wenn sie spricht, erklingt eine männliche Stimme – es ist der einzige verbliebene Hinweis darauf, dass Christin nicht immer Christin war.
Sie hat einen transsexuellen Hintergrund und jetzt ein Buch über ihr sehr bewegtes und schwieriges Leben veröffentlicht. Die Autobiografie soll transsexuellen Menschen helfen, aber auch in der breiten Öffentlichkeit für mehr Toleranz und vor allem Akzeptanz werben.
Schöne und traurige Geschichten
Christin Löhner sagt: „Ich erzähle schonungslos, aber auch gefühlvoll und detailliert, wie mein Leben als transsexuelle Frau bisher war und in Zukunft weitergehen wird. Es sind viele Geschichten aus meiner Kindheit, Gefühle, Gedanken, schöne und traurige Geschichten enthalten, aber natürlich auch viele Probleme.“
Neben Erlebnissen wie Drogenabsturz, mehreren Vergewaltigungen und Selbstmordversuchen beschreibt sie, wie der Weg der sogenannten Transition aussieht und wie ein transsexueller Mensch den Weg in den richtigen Körper findet.
Outing war im Oktober 2015
In ihrer Kindheit und Jugend sei sie viel gemobbt worden, weil sie anders war. „Ich konnte nie sagen, was mit mir los war, hatte kein Selbstbewusstsein und wurde immer verschlossener. Mit 17 oder 18 Jahren habe ich angefangen zu resignieren und dann verzweifelt versucht, das, was andere in mir sahen, ins Extreme zu ziehen und die Maske nach außen aufrecht zu halten.“
2007 sei sie zufällig auf das Thema Transsexualität gestoßen, habe Lebensgeschichten gelesen und sich mit Betroffenen unterhalten. „Jede Geschichte war fast eins zu eins meine Geschichte. Ich habe dann noch acht Jahre gebraucht, bevor ich mich im Oktober 2015 per E-Mail geoutet habe.“
Ihre letzte Operation war der Brustaufbau im Februar. Nachdem die Namensänderung offiziell war, verschwand ihre alte Identität komplett, denn alle Zeugnisse und Urkunden mussten auf den neuen Namen geändert werden. „Rechtlich bin ich als Frau zur Welt gekommen.“ Sie ist froh, dass ihre Familie immer zu ihr gehalten hat und ihr auch sämtliche Freunde erhalten geblieben sind.
Seit 2018 mit Transfrau verheiratet
2016 traf sie die Österreicherin Michelle, ebenfalls eine Transfrau. „Sie hat mir gefühlsmäßig mehr gegeben als alle anderen und war immer für mich da, als es mir schlecht ging.“
Sie waren 2018 das erste gleichgeschlechtliche und transsexuelle Ehepaar in Baden-Württemberg. Transsexualität werde immer mit der sexuellen Orientierung in Verbindung gebracht, der Verdacht, dass Beides miteinander zu tun habe, liege nahe, so Christin Löhner. Sie stellt klar: „Hat es aber gar nicht. Eine Frau oder ein Mann mit transsexuellem Hintergrund kann jede Orientierung haben.“
„Die meisten wollen unerkannt leben“
Viele transsexuelle Menschen beschwerten sich, dass ihre Transsexualität sie in den Vordergrund schiebe. Christin Löhner sagt: „Die meisten Transsexuellen wollen unerkannt im Zielgeschlecht leben und mit Transsexualität nichts mehr zu tun haben. Genau das ist das Problem für die Menschen, die ihren Weg erst beginnen.“ Zwar werde das Thema inzwischen immer öfter medial aufgegriffen, man könne trotzdem nicht genug dafür tun, um es noch mehr an die Öffentlichkeit zu bringen und so das Wissen zu vergrößern.
Christin Löhner beklagt: „Viel zu oft werden transsexuelle Personen noch immer als Psychopathen, kranke oder gar perverse Menschen hingestellt, diskriminiert, geschlagen und auch erschlagen.“ Sie selbst sei sehr stolz, transsexuell zu sein und stolz auf das, was inzwischen aus ihr geworden sei. „Ich bin sehr glücklich mit mir selber.“
Über die Autorin
Christin Löhner, Jahrgang 1972, ist die Gründerin und Leiterin der einzigen Selbsthilfeinitiative zum Thema Transsexualität im Bereich Hegau, Schwarzwald-Baar-Kreis, Allgäu und Bodenseekreis, der Trans* SHG Hegau. Sie ist auch die erste Vorsitzende des Christopher Street Day in Konstanz und Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität. Christin Löhner begleitet und berät weit über hundert transsexuelle Menschen deutschlandweit mit Tipps und Infos zum Passing (die Art, wie sie im Zielgeschlecht wahrgenommen werden), zur Rechtslage, zum Transsexuellen-Gesetz, den Operationen und macht Mode- und Stilberatung sowie Makeup-Workshops. Durch ihre Arbeit und ihr soziales Engagement, Vorträge und Seminare zum Thema geschlechtliche Vielfalt, Transsexualität, Transphobie, Toleranz, Mobbing und Diskriminierung setzt sie sich für Mitbetroffene und deren Rechte ein und stemmt sich vehement gegen Ungerechtigkeit. Das Buch „trans(*)parent“ ist über die regionalen Buchhandlungen oder online zu beziehen.