Die Tage könnten gezählt sein für den bisherigen Lidl am Stadtwall, denn der Stockacher Gemeinderat stellte kürzlich in einer Sitzung die Weichen für eine Vergrößerung des Markts.
Ein zusätzliches Grundstück
„Wir konnten im Frühjahr dieses Jahres ein zusätzliches Grundstück hinter dem bestehenden Markt erwerben“, berichtete Karina Maggetti, Immobilienleiterin bei der Lidl Vertriebs GmbH & Co. KG in Hüfingen in der Gemeinderatssitzung. Schon seit Längerem gebe es Gedanken, die Stockacher Filiale des Discounters zu vergrößern und zu modernisieren. Das solle nun in die Tat umgesetzt werden.
Damit der alte Markt, „unsere Schuhschachtel“, wie Maggetti scherzt, abgerissen und stattdessen ein größerer neuer Discounter gebaut werden kann, ist allerdings eine Änderung des Bebauungsplans notwendig.
Baurecht erlaubt nur kleineren Markt
Diese musste vom Gemeinderat genehmigt werden. Bisher erlaubt das Baurecht an dieser Stelle nämlich nur eine kleinere Filiale. Das aktuelle Gebäude hat eine Verkaufsfläche von 1050 Quadratmetern. Beim Neubau soll die Verkaufsfläche um rund 700 Quadratmeter wachsen.
- Das ist geplant: Der alte Lidl-Markt, der 2002 am jetzigen Standort am Stadtwall eröffnet wurde, soll abgerissen werden, ebenso die Gebäude an der Ecke Talstraße/Weißmühlenstraße. Danach wird ein neuer, größerer Markt auf dem gleichen Grundstück errichtet. „Trotz einer Erweiterung im Jahr 2009 ist die bestehende Filiale nicht mehr zeitgemäß. Deshalb wollen wir uns hier neu aufstellen“, erklärte Cornelia Heim, Leiterin Portfoliomanagement bei der Lidl Vertriebs GmbH & Co. KG, in der Sitzung.
Der neue Markt wird eine Gesamtnutzfläche von 2550 Quadratmetern haben. 1720 Quadratmeter davon werden von der Verkaufsfläche eingenommen. Das neue Gebäude soll etwas weiter Richtung Weißmühlenstraße versetzt stehen. Die beiden Parkplatz-Einfahrten am Stadtwall bleiben bestehen, aus Richtung der Weißmühlenstraße soll es lediglich einen Durchgang für Fußgänger und Radfahrer geben.
Die Anzahl der Stellplätze auf dem Parkplatz reduziert sich von 122 auf 114. „Das liegt nicht nur daran, dass das neue Gebäude größer sein wird, sondern auch daran, dass die neuen Parkplätze statt wie bisher 2,50 Meter in Zukunft 2,70 Meter breit sein werden, um den Autos Rechnung zu tragen, die heutzutage einfach größer sind als früher“, erläuterte Heim den Stadträten.
Glasfassade und Pultdach
Das neue Gebäude soll von moderner Architektur geprägt sein und neben einer großen Glasfront über ein begrüntes Pultdach mit Photovoltaikanlage verfügen. Außerdem sollen durch den neuen Markt zehn zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, kündigte Heim an. Aktuell arbeiten 35 Menschen in der Filiale des Discounters. Insgesamt könne durch die neue Bauweise und moderne Technik sehr viel CO2 eingespart werden, machte Heim deutlich. Hinter dem neuen Markt solle zudem eine Blühwiese mit Insektenhotel angelegt werden.
- Das ist die Kritik an dem Projekt: Bereits im Vorfeld zur Gemeinderatssitzung hatte Bürgermeister Rainer Stolz das Unternehmen aufgefordert, zu prüfen, ob eine Wohnbebauung auf dem neuen Markt möglich sei, um die bebaute Fläche noch effektiver zu nutzen. Die beiden Vertreterinnen von Lidl erläuterten, dass dies aus Sicht des Unternehmens keinen Sinn ergebe. Zum einen müsste dann die Grundfläche des Marktes vergrößert werden, um Raum zu schaffen für Treppenhaus und Abstellräume für die Wohnungen, zum anderen ginge dann noch mehr Parkfläche für den Markt verloren. Außerdem wäre das Gebäude mit Wohnungen auf dem Dach rund 12 Meter hoch und würde sich nicht mehr in die Umgebungsbebauung einfügen, argumentierten Heim und Maggetti.
„Wir haben Wohnungsnot“
Das wollten viele Stadträte indes nicht gelten lassen. „Wir haben Wohnungsnot. Deshalb wäre es sehr wünschenswert, wenn man sich über diesen Punkt noch einmal Gedanken machen könnte“, sagte etwa Wolf-Dieter Karle (FWV) und merkte an, dass unter der Woche aktuell sowieso nie alle Parkplätze belegt seien. Christoph Stetter (CDU) betonte: „Es handelt sich hier um einen Standort, der mitten in der Stadt liegt. Eine Wohnbebauung auf dem Markt sollte deshalb unbedingt noch mal geprüft werden.“ Auch Jürgen Kragler (CDU) sieht die Flächenknappheit als Problem. „Hier muss ein Umdenken stattfinden“, sagte er und schlug vor, eine Tiefgarage in Betracht zu ziehen.
- Was dafür spricht: Trotz der Kritik an dem fehlenden Wohnungsbau herrschte im Rat breite Zustimmung zu dem Projekt. Wolfgang Reuther (CDU) merkte an, dass Wohnbebauung ein fundamental anderes Konzept ins Spiel bringe. „Tiefgarage und Wohnbebauung steigern meiner Einschätzung nach die Bauzeit und die Baukosten mindestens um das doppelte. Da müssen wir uns auch fragen, ob wir dem Investor so etwas zumuten können“, so Reuther.
Wenngleich sich Karl-Hermann Rist (Grüne) Wohnungen im Gebäude wünschen würde, hält er den Neubau grundsätzlich für gut. „Das ist ein innovatives Projekt, auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit“, betonte er. Auch für Bürgermeister Rainer Stolz handelt es sich um eine „gelungene Weiterentwicklung“, wie er in der Sitzung erklärte. Die Argumente gegen die Wohnbebauung könne er nachvollziehen. „Wir haben an dieser Stelle auch nicht viel Raum zum Grundwasser. Eine Tiefgarage wäre sehr kostenintensiv. Da können wir dann auch nicht damit rechnen, dass günstiger Wohnraum oder gar Sozialwohnungen entstehen“, so Stolz.
Große Mehrheit für das Projekt
Der Gemeinderat stimmte der Änderung des Bebauungsplans mit großer Mehrheit zu. Es gab sechs Gegenstimmen und eine Enthaltung. Damit ist der Weg frei für weitere Planungen. Wann die Maßnahmen beginnen können, steht noch nicht fest. Allerdings rechnet die Firma Lidl sobald es los gehen kann mit einer Bauzeit von sieben Monaten.
Übergangsfiliale geplant
„Wir planen, in der Übergangszeit unseren Kunden eine wohnortnahe Versorgung zu ermöglichen, und prüfen im Moment die Möglichkeit einer Übergangsfiliale. Diese könnte sowohl in einer leer stehenden Halle als auch in einem Zelt auf einem unbebauten Grundstück eingerichtet werden“, schreibt Karina Maggetti auf Nachfrage des SÜDKURIER.