Das erleben die Schüler des Nellenburg-Gymnasiums nicht jeden Tag: Selbst Fragen stellen an die Politik. Nun war es möglich. Denn Daniel Born, Vizepräsident des Landtags, war zu Gast im Nellenburg-Gymnasium und stellte sich den Fragen der wahlberechtigten Schüler aus Kursstufe 1. Er wurde von Hans-Peter Storz (SPD), Abgeordneter für den Wahlkreis Singen/Stockach, und Klaus Burger (CDU), Abgeordneter für den Wahlkreis Sigmaringen und Wahlkreisbeauftragter für Singen/Stockach, begleitet.
Daniel Born erklärte die Arbeit im Landtag. Dort gehe es durchaus emotional zu und es werde leidenschaftlich diskutiert. Gleichzeitig brauche man immer wieder Ruhe, um den Argumenten der anderen zuzuhören. Er wies auf die Kommunalwahlen im nächsten Jahr hin. „Ab 16 Jahren dürft ihr wählen und kandidieren. In Baden-Württemberg hat man ganz früh die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Stürzt euch ins Getümmel. Davon lebt die Demokratie.“
Welche Themen beschäftigen die Schüler?
Die Umfrageergebnisse der AfD beunruhigten die Schüler. „Wie weit hat die Demokratie die Pflicht und die Möglichkeit, eine rechte Gefahr zu bekämpfen oder zu beschränken?“, fragte einer. Als Vizepräsident müsse er sein Amt neutral ausführen, sagte Born. „Ich arbeite mit dem Landtag zusammen, den das Volk gewählt hat. Auch AfD-Abgeordnete haben ein Rederecht, dürfen Anträge einbringen und für sich argumentieren.“
Er sagte aber auch, dass beispielsweise der Landesverband Thüringen erwiesen rechtsextrem eingestuft worden sei. „Diese Einstufung durch den Verfassungsschutz haben wir nur bei der AfD.“

Born verwies auf die Verantwortung der Gesellschaft. Die erste Demokratie sei von Faschisten zerstört worden. Die zweite Demokratie habe man genutzt. Deutschland sei eins der erfolgreichsten Länder der Welt und biete viele Chancen für alle. „Das Größte ist, dass unsere Nachbarn, die von uns im Zweiten Weltkrieg überfallen wurden, mit uns eine gemeinsame Union bilden. Mehr Glück kann man nicht haben.“ Es gelte alles daran zu setzen, dass die Demokratie bestehen bleibt.
Abgeordnete rufen zum Wählen auf
Klaus Burger fügte an, viele AfD-Wähler seien Protest-Wähler. „Die regierenden Parteien haben manches nicht verstanden, was zu tun ist.“ Hans-Peter Storz sagte, bei der AfD seien am Schluss immer die Flüchtlinge schuld. „Es lohnt sich, genau hinzugucken, nachzufragen: Was wollt ihr eigentlich oder seid ihr immer nur gegen alles?“
Verfassungsschutz, die Fünf-Prozent-Hürde und die Wähler selbst seien wichtig. „Die AfD hat es geschafft, Nicht-Wähler zu mobilisieren. Wenn alle demokratisch Verantwortlichen wählen gehen, haben Extreme weniger Chancen“, so Storz.
Schüler diskutieren über Rolle der Medien
Born sagte, über die sozialen Medien würden oft Pseudorealitäten verbreitet und nannte ein Beispiel: „Wir müssen nicht darüber streiten, ob der Klimawandel da ist. Bestimmte Wahrheiten sind da, die können wir nicht zur Diskussion stellen, sonst kommen wir nicht weiter.“
Die Rolle der Medien und die Verbreitung von Nachrichten beschäftigten die Schüler ebenfalls sehr. Daniel Born bestätigte: „Wir alle haben nicht mit Krieg in Europa gerechnet. Unsere Welt ist unsicher und kompliziert. Es gibt viele Menschen, die ganz einfache Antworten suchen.“ Politische Bildung sei notwendig, um prüfen zu können, welche Quellen den Informationen zugrunde liegen. „Demokratie ist total anstrengend, aber sie ist jede Anstrengung wert.“
Mit Blick auf die Aufstände in Frankreich fragten die Schüler, ob so etwas auch bei uns passieren könne. Daniel Born sprach über das deutsche Verhältnis- und das französische Mehrheitswahlrecht. Bei uns seien viele Bausteine so angelegt, dass sich möglichst viele Menschen widerspiegelten und auf unterschiedlichen Ebenen ins Gespräch kämen. Das helfe, Lösungen über Verhandlungen zu finden.
So können junge Menschen mitbestimmen
Dass Politik oft von älteren Personen gemacht werde, relativierte Daniel Born. „Altersmäßig sind wir die Mitte des Landes, genauso viele sind jünger und älter.“ Wichtig sei, verschiedene Stimmen zusammenzubringen. Man habe einen Jugendlandtag eingeführt, es gebe den Landesschülerbeirat, Jugendgemeinderäte, Jugendorganisationen der Parteien, man habe das Wahlalter gesenkt und das Wahlrecht geändert, um eine bessere Durchmischung zu ermöglichen.
Auch zu Klimaklebern fragten die Schüler nach. Hans-Peter Storz sagte: „Fridays for Future war anfangs sehr herausfordernd, aber wichtig und gut: Wir sind inzwischen aufgewacht.“ Problematisch werde es, wenn Eigentum anderer zerstört werde. Er erläuterte: „Es war über Jahrzehnte gesellschaftlicher Konsens, dass wir wirtschaftliches Wachstum wollen. Wir merken, wir haben übertrieben und müssen jetzt Lösungen finden.“
Daniel Born wies auf Zielkonflikte hin. In Baden-Württemberg müssten wissenschaftlich erwiesen bis 2025 485.000 Wohneinheiten gebaut werden. Gleichzeitig sollten nicht noch mehr Grünflächen zugemacht werden. Und bei Aufstockung von Häusern kämen zum Teil Vogelflugrouten ins Spiel – man müsse verschiedenste Erkenntnisse zusammenbringen.
Born bat die Jugendlichen eindringlich: „Ihr lebt in einer Demokratie, habt ein Protestrecht. Ihr könnt nicht nur eure Meinung sagen, sondern ein Stück weit für eure Generation die Stimme zu erheben. Auf der südlichen Halbkugel ist die Klimakatastrophe schon direkt spürbar. Ich bitte euch: Sorgt dafür, dass eure Stimme gehört wird.“