Die AfD erreicht von Woche zu Woche neue Höchstwerte in den Umfragen. Zuletzt verbesserte sie sich beim ARD-„Deutschlandtrend“ um zwei Punkte und kommt nun auf 20 Prozent. Das ist der höchste Wert, der für die AfD im „Deutschlandtrend“ je gemessen wurde. Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, wäre die Partei damit zweitstärkste Kraft. Im Thüringischen Sonneberg ist der Partei der Sprung in ein wichtiges kommunales Amt gelungen.
Woran liegt das? Die Gründe für den Erfolg sind vielfältig, doch diese fünf stechen heraus:
1. Der Osten hat ein Demokratieproblem
Dass die AfD gerade im thüringischen Sonneberg eine Landratswahl gewonnen hat, kommt nicht von ungefähr. Eine Umfrage der Uni Leipzig hat gerade ergeben, dass jeder Zweite in den ostdeutschen Ländern der Aussage zustimmt, dass Deutschland eine „starke Partei“ brauche, die die „Volksgemeinschaft“ verkörpere.
Auch wenn 24,9 Prozent nur latent oder teilweise zustimmen, spricht das Bände, auch weil gleichzeitig nur 42,6 Prozent damit zufrieden sind, wie Demokratie in Deutschland läuft. Wer so wenig an die Demokratie glaubt, ist anfällig für autoritäre Angebote.
2. Die Krisenhaftigkeit unserer Zeit macht sich bemerkbar
Und das ist nicht nur ein Problem des Ostens. Der Ukraine-Krieg, die Energiekrise, Klimakrise, Flüchtlingskrise, dazu die Inflation, Sorge um Jobs und Wohlstand, die anstehenden wirtschaftlichen Transformationen – all das bedeutet Unsicherheit.

Dagegen setzt die AfD Vergangenheitssehnsucht: Weg mit dem komplizierten Gendern, zurück zu einer Gesellschaft, in der die biodeutsche Familie noch aus Vater, Mutter, Kind bestand, wo der Sonntagsbraten nicht verpönt war, der Stolz der Familie in der Garage stand und die deutsche Autoindustrie damit gerettet werden kann, dass man die CO2-Bepreisung und den Trend zum E-Auto einfach nicht mitmacht. Die faktischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden schlicht ignoriert.
3. Die AfD kann Steilvorlagen nutzen
Die größte lieferte die Ampel-Koalition mit dem Heizungsgesetz. Nicht die wochenlangen Streitereien sind das Hauptproblem, sondern die damit verbundenen finanziellen Risiken für die Bürger. Dass der Klimaschutz zu einer deutlichen Entwertung des eigenen Häuschens führen könnte, brachte auch Menschen in Aufruhr, die ihr Kreuz nie bei der AfD machen würden.
Während sich alle anderen Parteien zumindest in der Theorie dem Ziel der Klimaneutralität verschrieben haben, bietet die AfD das klarste Gegenangebot: Klimaschutz ist aus ihrer Sicht eh nicht nötig, der menschengemachte Klimawandel angeblich nicht existent. Und wenn in Deutschland die Hausbesitzer Geld verlieren, bringt das dem globalen Klimaschutz ohnehin wenig. Womit sie sogar einen wunden Punkt trifft.
4. Das Migrationsthema ist wieder da
Die AfD hat ihr Nummer-eins-Thema zurück, seither geht es steil bergauf. Zwar sind die Fakten anders gelagert als 2015/16, aber wieder beherrschen volle Flüchtlingsunterkünfte die Schlagzeilen. Und die Frage, wie das weitergehen soll, wie Europa in Zukunft damit umgehen soll, ist nicht geklärt. Wieder ein wunder Punkt, bei dem die AfD einhaken kann.
Sie blendet hier alle moralischen Fragen und praktischen Probleme, zum Beispiel in der Zusammenarbeit mit anderen EU-Staaten, aus: Null Migration ist ihre Ansage. Ob dieses Gebot irgendwie der Realität standhalten kann, ob Flüchtlinge nicht schlicht dennoch kämen, ist gleichgültig. Offenbar ist das auch etlichen Wählern egal, die sich angesichts des seit Jahren schwelenden Migrationsthemas überfordert fühlen.
5. Die Ausgrenzung ist gescheitert
Im Osten profitiert die AfD sogar von ihrem Schmuddelkind-Status nach dem Motto: Wir gegen die da oben. Dass der thüringische AfD-Chef Björn Höcke und sein Landesverband vom Verfassungsschutz beobachtet werden, dass er rechtsextreme Parolen ausgibt, schreckt viele im Osten nicht – und auch im Westen scheinen sich immer mehr Menschen nicht daran zu stören. Die nationalistischen, fremdenfeindlichen Töne kommen an – auch bei der AfD-Veranstaltung vor wenigen Tagen im schwäbischen Rottweil.