Stockach ist Kunststadt. Das steht nicht nur für Bürgermeisterin Susen Katter fest. Auch alle Besucher der Vernissage zur Sonderausstellung „Dalí – Paradies und Paranoia“ im Bürgerhaus Adler Post können sich vermutlich diesem Urteil anschließen. Man habe das Glück, die Sammlung Wagner 2016 als Leihgabe erhalten zu haben, so Katter. Darin seien die Werke Dalís die zweitgrößte Sammlung. Die Bürgermeisterin bekannte, für sie sei Dalí einer der faszinierendsten, aber auch kontroversesten Künstler des 20. Jahrhunderts.
Er sei nicht nur künstlerisch unglaublich gut, sondern auch ein Mann der Selbstinszenierung und ein Meister der Selbstdarstellung gewesen. „Das fand ich damals schon spannend und es ist etwas ganz Besonderes, dass wir in Stockach eine Ausstellung über Dalí machen können. Ich finde es einfach mega“, sagte Susen Katter.
Auch der Künstler verstand nicht immer seine Werke
Sie zitierte den Künstler: „Dass ich selbst während des Malens die Bedeutung meiner Bilder nicht verstehe, heißt nicht, dass diese Bilder keine Bedeutung haben. Im Gegenteil, sie haben so eine tiefe, komplexe, zusammenhängende, ungewollte Bedeutung, dass sie sich der einfachen Analyse, einer logischen Intuition einfach entziehen.“
Das drücke es sehr perfekt aus, so Katter. Dalís berühmtestes Werk „Die Beständigkeit der Erinnerung“ mit den fließenden Uhren sei zwar im Stadtmuseum nicht zu sehen, aber das kenne ja sowieso jeder.

Ihr großer Dank galt Museumsleiter Julian Windmöller und seinem Team, die mit viel Leidenschaft und Hingabe diese Ausstellung möglich gemacht hätten. Sie wünschte allen Gästen einen inspirierenden Abend voller faszinierender Eindrücke. „Lassen Sie sich alle von dieser wunderbaren surrealen Welt des Salvador Dalí verzaubern.“
Ein Stück für Dalí
Ein Ensemble der Musikschule Stockach eröffnete den Abend feierlich mit der „Hommage à Salvador Dalí“ von Ernesto Halffter. Dann erklangen ungewohnte Töne. Musikdirektor Helmut Hubov hatte für diesen Abend ein zeitgenössisches Stück zu Dalí komponiert.

Mit dem Rücken zum Publikum benutzten die Trompeter Florian Bender, Julian Ivlev, Noah Schramm und Finn Künstner zunächst nur ihre Mundstücke. Später setzte Jacob Pfaff am Schlagzeug ein. Die skurrilen Klänge wechselten sich ab mit harmonischen Sequenzen – den Lichtblicken, die Hubov im Titel „Dalli, Dalli, Dalí ….. Lichtblicke“ angedeutet hatte. Kaum war der letzte Ton gespielt, klebte in jedem Musikergesicht der markante Dalí-Bart.

Eine Einführung in die Ausstellung gab es durch Museumsleiter Julian Windmöller. Er nannte in seiner Rede Dalís Kunst im besten Sinne zugänglich und voller Tiefe, fantasievoll und kreativ. Der Schwerpunkt der Ausstellung liege auf Dalís Druckgrafiken, vor allem auf den vom Künstler selbst favorisierten Kaltnadelradierungen. Diese seien sehr facettenreich und das werde in der Ausstellung erfahrbar.
Zwei Begriffe stünden im Zentrum: Paradies und Paranoia. Beide hätten die Kraft, starke Bilder hervorzurufen. Er erklärte: „Paradies, das ist das Behütete, Harmonische, Sorglose. Es hat konkreten Bezug zu Dalís christlich-religiöser Thematik, kann sich aber öffnen für andere Themen.“ Paranoia dagegen sei das Verrückte, Unberechenbare, Kreative. „Es ging ihm auch darum, die Zwänge der Realität hinter sich zu lassen und zu überwinden.“
Die Ausstellung und ihre begleitenden Veranstaltungen sprächen alle Sinne an. Es gebe unter anderem eine originale Druckplatte von Dalí, Fühlproben und Werkzeuge zum Anfassen sowie Medien- und Mitmachstationen.
Ein Audioguide via App
Viele Besucher, die beim Stehempfang durch die Marketenderinnen bewirtet wurden, nutzten anschließend die Chance, sich einen ersten Eindruck der Ausstellung zu verschaffen. Und dieser fiel durchweg positiv aus.
Was erwartet Besucher in der Sonderausstellung? Auf zwei Stockwerken informieren Tafeln über die verschiedenen Kapitel und kurze Texte über die einzelnen Werke. Ein Kinderpfad führt zu ausgewählten Exponaten. Zusätzlich liefert der Audioguide, der über die App des Stadtmuseums Stockach genutzt werden kann, viele spannende Hintergrundinformationen für Kinder und Erwachsene. Die Mitmachstationen sind dank des großen Hand-Symbols sofort erkennbar. Wer den wunderschönen Blick auf das Cap de Creus in Katalonien, wo Salvador Dalí ein Haus und Atelier hatte, auskosten möchte, kann in einem bequemen Sessel Platz nehmen.

Viele Besucher waren beeindruckt vom Dalí-Erlebnis: Hinter einem Vorhang tauchten sie mit Dalís sechsteiliger Grafikserie in die Geschichte „Der alte Mann und das Meer“ ein. Blaues Licht erzeugt auf den blaubezogenen Bänken ein glitzerndes Wellenmuster, es ist ruhig und kühl. Manch ein Besucher verspürte sogar eine Meeresbrise – die schlicht von der Klimaanlage stammt.
Yvonne Istas, eine der Vorgängerinnen von Julian Windmöller als Museumsleiter, sparte nicht mit Lob: „Toll gemacht. Man spürt den neuen Wind.“ Auch die andere Vermittlungsebene durch das „Dalí-Erlebnis“ gefiel der Leiterin des Hesse-Museums Gaienhofen sehr. Willi Zöller von der Bürgerstiftung Stockach war ebenfalls sehr angetan. Vor allem die Mitmach-Stationen seien wieder schön umgesetzt. Es sei wichtig, Kinder schon an Kunst heranzuführen.

Als rundum gelungenen Abend empfand Simone Fecht-Groffmann die Vernissage. Sie sagte: „Ich bin sehr beeindruckt, wie viel Organisation von vielen Seiten dahintersteckt.“ Schon der Empfang sei sehr natürlich, authentisch und überzeugend gewesen. Und die wunderbare Musik habe sie so wirklich nicht erwartet. Sie werde wiederkommen und alles ganz in Ruhe anschauen.
Im Gästebuch gab es schon Einträge. Familie Wagner schrieb: „Sehr schöne Ausstellung, tolles Konzept. Gut gemacht, sehr vielschichtig und interessant. Es steckte sicher viel Arbeit dahinter; wir haben viel über Dalí erfahren – dank auch der persönlichen Führung.“
Das Stadtmuseum hat Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr geöffnet, ebenso an Feiertagen. Der Eintritt kostet 7 Euro, der Audio-Guide 2 Euro, es gibt diverse Ermäßigungen etwa für Schüler und Studierende.