Jubiläen werden oftmals genutzt, um den Blick in die Vergangenheit zu richten. Doch die Pestalozzi-Stiftung Wahlwies nutzt ihren 25. Geburtstag dazu, in die Zukunft zu schauen. Denn sie will Kindern und Jugendlichen eine Perspektive geben und dauerhafte Hilfe leisten, um die Arbeit des Pestalozzi Kinder- und Jugenddorfes langfristig zu sichern.

Im Kinderdorf leben bis zu 140 Kinder und Jugendliche nach sozialer Not. Ein pädagogisch qualifiziertes Paar und bis zu sechs Kinder wohnen dann in einem Haus. Dort erleben die Kinder und Jugendlichen eine familienähnliche Struktur mit Wärme, Wertschätzung und Verlässlichkeit im Alltag.

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Im Gespräch mit dem SÜDKURIER erzählen Bürgermeister Rainer Stolz, Gründungsmitglied und langjähriger Vorsitzender der Stiftung, sein Nachfolger Jürgen Fürst und Bernd Löhle, Geschäftsführer des Pestalozzi Kinderdorfs sowie Vorstandsmitglied der Stiftung, warum ihnen die Stiftung am Herzen liegt.

Rainer Stolz erinnert sich dabei an die Zeit, als er nach Stockach gekommen ist. Er habe sich zunächst einen Eindruck über die Infrastruktur verschafft. „Im sozialen Bereich sind mir zwei außergewöhnliche Angebote aufgefallen: das Krankenhaus Stockach als von der Stadt getragene Einrichtung und das Kinderdorf mit seiner besonderen Angebotsform der Familienbetreuung.“ Über lange Zeit habe er gesehen, dass es dort eine hervorragende Betreuung gebe und sich die Unterstützung lohne.

Früh gab es kritische Stimmen

Schon als Bürgermeisterkandidat habe er allerdings verschiedene Diskussionen und kritische Äußerungen zum Kinderdorf vernommen. Da habe er beschlossen, dem Kinderdorf persönlich zur Seite zu stehen und klar zu machen, dass es wichtig sei, diese Einrichtung zu erhalten.

So sieht es im Pestalozzi Kinderdorf aus (Archivbild).
So sieht es im Pestalozzi Kinderdorf aus (Archivbild). | Bild: Pestalozzi Kinderdorf

Nach der Entscheidung, eine Stiftung zu gründen, sei es laut Stolz zunächst darum gegangen, die vorhandenen Mittel anzulegen. Dann habe man klären müssen, wie Spenden und Stiftungsmittel verwendet werden. Ein weiterer Punkt: Wie man die Stiftung bekannter machen kann, um mehr Gelder zusammenzubekommen.

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Zwei Lagebesprechungen pro Jahr

Die Stiftung treffe sich zweimal im Jahr, wie Rainer Stolz erklärt: „Da wird berichtet, was im Kinderdorf abläuft, welche neuen Herausforderungen und Entwicklungen es gibt und wie sich die finanzielle Lage darstellt.“

Der Kinderdorf-Geschäftsführer mache Vorschläge zu zukunftsorientierten Projekten, die den Kindern und Jugendlichen direkt zu Gute kommen sollen. „Wir haben uns diese im Vorstand sorgfältig angeschaut und sie dem Kuratorium vorgetragen.“ Das Kuratorium habe dann beschlossen, ausgewählte Projekte im Kinderdorf für ein bis drei Jahre finanziell aus den Erträgen des Stiftungskapitals und aus Spenden zu unterstützen, erinnert sich Stolz.

Finanzen waren zuletzt nicht so prächtig

Da Projekte mit den jährlichen Ausschüttungen aus den Kapitalerträgen realisiert werden müssen, waren die vergangenen Jahre schwierig gewesen, weil es praktisch keine Zinsen gab. Bernd Löhle sagt, eine Zustiftung sei nicht mehr so attraktiv wie in den vergangenen Jahren, erhöhe jedoch das Grundstockkapital der Stiftung und leiste einen werterhaltenden Beitrag.

Bis zu sieben Kinder leben gemeinsam mit einem pädagogisch qualifizierten Paar in einem Familienhaus (Archivbild). Die Kinderdorfeltern ...
Bis zu sieben Kinder leben gemeinsam mit einem pädagogisch qualifizierten Paar in einem Familienhaus (Archivbild). Die Kinderdorfeltern sind „soziale Eltern auf Zeit“ und begleiten die Kinder und Jugendlichen auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. | Bild: Ilja Mess

Jürgen Fürst machte aber klar: „Wir dürfen das Stiftungskapital nicht riskant anlegen. Das Stiftungsvermögen muss erhalten bleiben. Aktien würden dem beispielsweise widersprechen.“ Im Kuratorium sei auch diskutiert worden, ob das Vermögen in Zeiten einer hohen Inflation nominal oder sogar real erhalten werden müsse.

Familienhaus ist im doppelten Sinne sinnvoll

Das jüngste große Projekt der Stiftung war die Finanzierung eines Familienhauses. Jürgen Fürst erläuterte: „Das Kinderdorf zahlt marktübliche Mieten, sodass die Stiftung eine entsprechende Rendite hat, die sie dann ausschütten kann.“ Man habe hier nicht nur Geld in Betongold verwandelt, sondern im Kinderdorf fürs Kinderdorf gebaut, also gewissermaßen eine doppelte Zuführung erreicht.

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Doch bei der Pestalozzi-Stiftung geht es nicht allein ums Geld: „Man muss das Angebot persönlich mittragen und bereit sein, hinzustehen“, beschreibt Rainer Stolz die Aufgabe des Stiftungsvorsitzenden. „Für mich ist es ein förderungswürdiges Angebot. Das ist eine persönliche Frage: Was ist mir wichtig?“ Diese Aufgabe sehe er nicht nur durch die Stockacher Brille.

Als klar war, dass Rainer Stolz sein Amt abgeben würde, habe Bernd Löhle verschiedene Kuratoriumsmitglieder gefragt, ob sie die Nachfolge antreten wollten, erzählt Jürgen Fürst. „Das Kinderdorf-Konzept, dass Kinder Ersatzeltern haben und nicht nur Betreuer, hat mir sehr gut gefallen. Deshalb war ich damals sofort im Kuratorium dabei. Ich wollte mich gern einbringen und das Modell soweit wie möglich unterstützen.“

Nächster Schritt: ein jüngeres Kuratorium

Nun geht es auch um die Zukunft der Stiftung, denn das Kuratorium soll allmählich verjüngt werden. Neue Kuratoren seien bisher immer einstimmig ins Gremium gewählt worden. Man wolle Frauen und Männer mit breiter Expertise aus verschiedenen Bereichen vereinen, die Vorschläge machen und Rückmeldungen geben, unter anderem im Bereich Marketing. Rainer Stolz betonte, es sei gut, wenn über lange Zeit eine Gemeinschaft wachse. So entstehe Verlässlichkeit.

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