Cem Özdemir ließ sich vom Narrengericht Stockach nicht zu seiner Strafwein-Zahlung drängen. Knappe anderthalb Jahre nach seinem Urteil brachte er jetzt den Wein in Stockach vorbei. Das geht deutlich länger. Keiner hat sich so lange zur Begleichung seiner Strafe Zeit gelassen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sage und schreibe acht Jahre brauchte, um ihre damalige Strafe zu begleichen, und das erst nach mehrmaliger Aufforderung durch diverse Stockacher Stellen. Sie musste dann allerdings einen saftigen Strafzins zahlen.
180 Liter Wein für das Narrengericht
Dem Beklagten Özdemir blieb der Strafzins erspart, denn seine Verspätung erachtete Narrenrichter Jürgen Koterzyna noch als „im Rahmen des Möglichen.“ Der Beklagte Özdemir, wie ihn das Hohe Grobgünstige Narrengericht zu Stocken nennt, wurde in der Gerichtsverhandlung am 20. Februar 2020 in der Jahnhalle zu einer saftigen Weinstrafe von drei Eimern Wein zu je 60 Litern verurteilt.

Ein Urteil, das damals viele Jahnhallenbesucher als sehr hart empfunden haben. Bis heute betont der Politiker grüner Couleur, dass er das Urteil für einen groben Justizirrtum, ja sogar für einen Justizskandal, halte. Özdemir wörtlich: „Justizskandal bleibt Justizskandal.“ Diesen Satz unterstrich auch Michael Nadig, der in der damaligen Verhandlung Cem Özdemirs als Fürsprech gegen die den heftigen Angriffe des Klägers Wolfgang Reuther beistand.
Letztendlich ergab sich Özdemir dem Schicksal und brachte dieses Wochenende schweren Herzens die geforderten 180 Liter Wein nach Stockach. „Wir haben diesmal den Wein, entgegen bisheriger Gepflogenheiten, selbst ausgesucht, da wir das Risiko einer Trollinger-Lieferung seitens des Beklagten nicht eingehen wollten“, erklärte Narrenrichter Koterzyna in seiner launigen Rede zu diesem besonderen Anlass. Cem Özdemir ist Bundestagsabgeordneter der Grünen im Wahlkreis Stuttgart, da wäre eine Trollinger-Lieferung nahegelegen. Die Auswahl diverser Bodenseeweine kam auch dem Gast aus Berlin entgegen, denn wie er betonte: „Ich habe ich viel Durst mitgebracht und werde Euch vieles von dem Wein streitig machen.“

„Natürlich bin ich gern nach Stockach zurückgekommen“, gestand Özdemir. Er traf verspätet ein, da er kurz zuvor in Stuttgart von Ministerpräsident Winfried Kretschmann den Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg überreicht bekam. „Das ist für mich eine Ehre und Verpflichtung zugleich“, erklärte der Geehrte. Er mischte in seine Rede etwas Politik. „In letzter Zeit ist das Narrengericht pandemiebedingt ausgefallen, das sollte aber nicht heißen, dass die Politik die Narretei übernehmen sollte wie jüngst geschehen, als ein AFD-Politiker in den baden-württembergischen Verfassungsgerichtshof gewählt wurde“, sagte Özdemir.