Nach Monaten der Planung ist er nun endlich da: Seit August macht Avicenne Ruhanama aus Burundi im Stockacher Krankenhaus eine Pflegeausbildung. „Ich freue mich sehr über diese Chance. Das ist eine große Aufgabe und ich lerne jeden Tag dazu“, sagt der 32-Jährige, der in seiner Heimat ein Medizinstudium abgeschlossen sowie als Allgemeinmediziner in Krankenhäusern gearbeitet hat und sehr gutes Deutsch spricht, bei seiner Vorstellung.

„Ich bin mir sicher, er ist der erste Auszubildende, der durch ein solches Projekt aus Burundi nach Baden-Württemberg gekommen ist. Wir freuen uns sehr, das ist etwas ganz Besonderes“, so Alt-Bürgermeister Rainer Stolz, der das Projekt auf den Weg gebracht hatte.

Denn bei einem Besuch im Namen des Städtetags in Burundi im vergangenen Jahr anlässlich von 40 Jahren Partnerschaft zwischen dem afrikanischen Land und Baden-Württemberg wollte Stolz eigentlich eine Städtepartnerschaft besprechen. Dies habe sich aber als „nicht vernünftig umsetzbar“ für die kommenden Jahre erwiesen. „Ich fand es aber dennoch wichtig, dass es einen Austausch zwischen den Menschen gibt“, so Stolz. Seither habe man dauerhaft in engem Austausch gestanden.

Win-Win-Situation für alle Beteiligten

Herausgekommen ist nun das Projekt zur Kooperation bei der Ausbildung junger Menschen. Sie sollen nach Stockach kommen, hier Lücken auf dem Arbeitsmarkt schließen, selbst dazulernen – und nach einigen Arbeitsjahren in Stockach gut ausgebildet in ihr Heimatland zurückkehren. Von einer „Win-Win-Situation“ für alle Seiten sprach daher Bürgermeisterin Susen Katter, die das Projekt von Stolz geerbt hat und laut eigener Aussage „voll dahinter steht“.

„Das Ziel ist, unser Haus so zu erhalten, wie es jetzt ist, und dafür braucht es gute Fachkräfte wie Avicenne Ruhanama“, sagt Rainer Stolz.
„Das Ziel ist, unser Haus so zu erhalten, wie es jetzt ist, und dafür braucht es gute Fachkräfte wie Avicenne Ruhanama“, sagt Rainer Stolz. | Bild: Löffler, Ramona

Um an dem Projekt teilnehmen zu können, müssen die Azubis Deutsch auf mindestens B2-Niveau sprechen. An einer Universität in Burundi lernen derzeit etwa 2000 Menschen die Sprache, die Kurse bis B2 werden bezahlt. Denn die Sprache ist für sie eine große Chance, angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 60 Prozent einen Arbeitsplatz im Ausland zu finden. Ruhanama selbst spricht Deutsch sogar auf C1-Niveau. „Die Zusatzkurse hat er aus eigenem Antrieb absolviert“, erklärt Rainer Stolz.

Erfolgreicher Start im Krankenhaus

Für den 32-jährigen Ruhanama ist im Stockacher Krankenhaus vieles noch neu, trotz seiner Ausbildung zum Arzt in Burundi: Andere Technologien, moderne Geräte sowie die Strukturen und Abläufe. „Aber ich lerne jeden Tag dazu, das Krankenhaus ist sehr gut ausgestattet“, berichtet Ruhanama über seine ersten beiden Wochen. Vor sich hat er nun eine dreijährige Ausbildung zum Krankenpfleger, in der sich Praxisphasen im Krankenhaus und Schulwochen in der Pflegeschule auf der Mettnau blockweise abwechseln.

Neben Technik und Abläufen im Krankenhaus ist für Ruhanama auch alles andere neu – das Land, die Stadt, die Kultur und die Regeln. „Der Anfang war natürlich nicht leicht, aber ich fühle mich im Krankenhaus und in Stockach schon sehr wohl“, sagt Ruhanama, dessen Ehefrau noch in Burundi lebt. Der größte Kulturschock? „Die Mülltrennung in Deutschland, das kannte ich so nicht“, sagt er lachend.

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Familie Stolz hilft bei der Integration

Eine große Hilfe für den Azubi sind Rainer Stolz und seine Partnerin Ursina Vaterlaus. Sie begleiten den 32-Jährigen und helfen ihm, sich in Stockach einzufinden. Von einer „integrativen Begleitung“ spricht der ehemalige Bürgermeister. „Wir sind fast jeden Tag zusammen“, sagt er. Zuletzt war man zusammen in der Kirche, nun wolle man Ruhanama, der gerne joggt und schwimmt, helfen, die Vereine im Ort kennenzulernen und Anschluss zu finden. Aber, sagt Stolz: „Avicenne Ruhanama ist ein erwachsener Mann, der unsere Sprache spricht. Er wird sich hier schnell alleine zurechtfinden.“

Zudem bekommt der 32-Jährige eine städtische Wohnung gestellt. Noch lebt er dort alleine, allerdings sollen die weiteren Azubis aus Burundi ebenfalls einziehen und eine Wohngemeinschaft gründen.

Projekt soll mehrere Jahre laufen

Für das Krankenhaus, das seit vier Jahren selbst Fachkräfte ausbildet, ist das Projekt eine große Chance, berichten Verwaltungsleiter Bernd Zimmermann und Personalchefin Simone Weil. „Das Ziel ist, unser Haus so zu erhalten, wie es jetzt ist, und dafür braucht es gute Fachkräfte wie Avicenne Ruhanama“, so Stolz.

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Eigentlich sollten im August zwei Pflegerinnen und ein Arzt eine Ausbildung im Krankenhaus beginnen. Doch die Erfüllung von Visa-Kriterien und die Anerkennung der Abschlüsse aus Burundi sei kompliziert, es gebe viel Papierkram, so Bernd Zimmermann. Zunächst startet Avicenne Ruhanama daher alleine, weitere Azubis sollen in den kommenden sechs Monaten folgen – im Krankenhaus und auch bei der Firma Eto.

Das Projekt soll laut Susen Katter dann für vier Jahre laufen, sodass auch diejenigen, die erst in nächsten Monaten nach Stockach kommen, ihre dreijährige Ausbildung beenden können. „Die weitere Entwicklung danach ist noch offen“, so Katter.