Vorneweg: Sie mögen Stockach. Mögen es wirklich. Doch wenn es um ihre Lieblingsplätze geht, sind die Jugendlichen zurückhaltend. „Da gibt es nicht viel“, sagt etwa Marlene. „Da gibt es keinen Ort, von dem ich sagen könnte, hier würde ich Stunden verbringen.“ Wenn die 11-Jährige an ihre Stadt denkt, kling das wie trauriges Martyrium. Der schönste Ort? „Ist noch meine Schule“, sagt sie – die Stockacher Realschule.
Ein Filmprojekt im Ferienprogramm
Marlene ist eine der Jugendlichen, die im Rahmen des Ferienprogramms in einem Kooperationsworkshop von Stadtjugendpflege und dem Stadtmuseum lernen, wie man Filme produziert – und über ihre Lieblingsplätze auch gleich einen eigenen drehen. Keine einfache Aufgabe, wenn es aus ihrer Sicht an Plätzen für die Jugend mangelt. Und wenn man das Filmemachen erst noch lernen muss.
Und so leuchtet und blinkt es am Bildschirm ihrer Workshopleiterin Ines Stadie, die den Jugendlich zeigt, wie sie die gedrehten Filmschnipsel anordnen könnten. Gebannt schaut Jonas zu. Er hat als Kameramann aufgezeichnet, was Stadie sortiert. Und er ist auch kein blutiger Anfänger. „Ich filme auch sonst“, sagt der 11-Jährige. Immer, wenn er in der Natur unterwegs sei.
Jonas mag nicht einfach so durch Wald und Wiesen streifen, sondern will die schönen Momente, die sich ergeben, festhalten. Ein spezielles Licht zwischen den Bäumen. Die Ruhe am See. Kein Wunder also, dass sein Lieblingsplatz ein naturbelassener ist: Ein Teich in Hindelwangen. Und kein Wunder, dass Jonas, wenn er groß ist, nur eins werden möchte: „Ein Mediengestalter für Bild und Ton.“
Auch Marlene entdeckte schon früh ihre Liebe für Film und Geschichten. Mit ihrer Cousine drehe sie regelmäßig Krimis, „stundenlange Tatort-Filme, wo das Drehen und Schneiden oft Monate geht“, wie sie sagt. Vielleicht sei ihre Mutter deshalb auf die Idee gekommen, sie für den Filmworkshop anzumelden. „Sechs Wochen Sommerferien können eine Ewigkeit sein“, sagt Marlene. „Und ich glaube, meine Mutter wusste, wie sehr mir das Filmen fehlt.“
Während Jonas und Stadie die letzten Sequenzen schneiden, erzählt Marlene davon, was sie alles gelernt hat, aus welchen Perspektiven man eigentlich filmen könnte – sie spricht von Vogel- und Froschperspektiven, von nahen und halbnahen Filmeinstellungen – und auch davon, dass man selbst für Dokumentarfilme ein Drehbuch schreiben müsse. Und schließlich von den Lieblingsplätzen.
Kaum Orte für die Jugend
Das sind neben der Realschule und dem Teich in Hindelwangen auch der Stadtgarten, eine Hütte am Eisweiher – und die Stockacher Rampen. Also die Skateanlage im Osterholz, die, wie Jonas erzählt, „aber nicht mehr schön aussieht. Ein Teil der Anlage ist sogar kaputt.“ Jonas sagt das fast gleichgültig. Nicht trotzig, nicht empört. Und doch sagt er auch: „In Stockach gibt es halt nicht viel.“ Kaum Orte für die Jugend.
Und das ist im Rahmen des Filmprojekts längst nicht nur ihm aufgefallen. Auch Johannes Waldschütz, der den Workshop vom Stadtmuseum begleitete, merkt: „Das sind alles Orte, die auch Lieblingsplätze von Erwachsenen hätten sein können. Keine klassischen Jugendplätze.“ Und der Schulhof? Nun: „Zu meiner Zeit, wäre das nicht der chilligste Ort gewesen“, sagt Waldschütz. „Als Jugendlicher sucht man ja was Ungestörtes.“