Egal ob ganz traditionell, mit Verzicht auf Fleisch, Süßigkeiten oder Alkohol oder ganz modern in Form eines Verzichts auf allzu viel Zeit in den sozialen Netzwerken: Am Aschermittwoch begann für Christen wieder die Fastenzeit und damit die Zeit des Verzichts. Doch die Regeln für diese Zeit sind deutlich weniger streng als in vergangenen Zeiten und die Kirchen bieten ein umfangreiches Begleitprogramm an. Wer in der Fastenzeit nicht auf sich allein gestellt sein will, wird in Stockach fündig.
„Christen fasten in der Passionszeit, die mit dem Aschermittwoch beginnt und bis Karsamstag dauert. Diese Wochen dienen der Erinnerung an das Leiden und Sterben Jesu Christi und der Vorbereitung auf Ostern“, erklärt Ulf Weber, der neue evangelische Pfarrer von Stockach. Doch die Fastenzeit ganz bewusst zu leben, kann auch ganz konkrete Auswirkungen auf das Leben haben. „Es ist wichtig, Hochzeiten im Leben bewusst wertzuschätzen. Das geht aber nur wirklich, wenn man auch den Verzicht kennt. Wer immer versucht, in Hochzeiten zu leben, der hat es schwerer, diese zu genießen“, sagt Weber.
Fasten soll den Horizont weiten
Fasten bedeute zudem, einen Schritt zur Seite zu machen und neue Perspektiven zu entdecken. „Es lädt ein, das Gewohnte hinter sich zu lassen und den Horizont zu weiten. Die evangelische Fastenaktion ‚Sieben Wochen Ohne‘ fordert nicht nur zum Verzicht auf, sondern dazu, Raum für Veränderung zu schaffen“, erklärt er. So sieht es auch Gemeindepädagogin Heike Heckmann. Die Fastenzeit könne eine Möglichkeit sein, sich von Ballast zu befreien. „Verzicht öffnet den Blick auf das Wesentliche“, sagt sie.
Sieben Wochen ohne Panik
Die Gemeindepädagogin möchte allen, die diese Zeit bewusst erleben wollen, eine Hilfestellung bieten. Ab Donnerstag, 6. März, wird es an jedem Donnerstag der Fastenzeit um 19 Uhr in der Melanchtonkirche Lichtgedanken zur Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland geben. Diese steht unter dem Motto „Luft holen – Sieben Wochen ohne Panik“.
„Für jede der sieben Wochen gibt es ein eigenes Thema mit einer passenden Bibelstelle“, sagt Heckmann. Los geht es bei den Lichtgedanken nach dem Glockenläuten. Danach gibt es eine kurze Hinführung zum Thema mit der jeweiligen Bibelstelle, sowie Impulsfragen zum jeweiligen Wochenthema. „Damit jeder ankommen kann und Raum hat, sich über sich selbst Gedanken zu machen“, erklärt Heckmann. Auch Raum für Gesang und Atemübungen soll es geben und wer möchte, kann sich mit den anderen Kirchenbesuchern über die eigenen Fastenerfahrungen austauschen.
Positive Rückmeldungen zu früheren Fastenaktionen
Heike Heckmann und Ulf Weber haben dieses Konzept bereits an ihren früheren Wirkungsstätten umgesetzt und viele positive Rückmeldungen dazu bekommen, wie sie berichten. „Viele haben es sehr wertgeschätzt, diese eine Stunde in der Woche als Zeit für sich zu einem festen Termin zu haben“, sagt Heckmann. Eine Anmeldung zu den Lichtgedanken ist nicht notwendig. Auch ist es nicht erforderlich, dass man zwingend jede Woche dabei ist.
Neben den festen Programmpunkten donnerstagabends wird die Kirche auch in der Fastenzeit täglich geöffnet sein und über das neue Multimediasystem können digitale Inhalte zur Fastenzeit abgerufen werden. „Zusätzlich werden wir den Kalender zur diesjährigen Fastenaktion in der Kirche auslegen“, sagt Heike Heckmann. So kann jeder Kirchenbesucher seine Fastenzeit individuell gestalten.
„Die sieben Wochenthemen geben Anregungen für eine bewusste Gestaltung der Fastenzeit. So kann am Ende der Fastenzeit Ostern aufleuchten – die Auferstehung, das Leben nach dem Tod. Der Verzicht macht Appetit auf das Leben“, fasst Ulf Weber zusammen.
Auch von der katholischen Kirche gibt es eine Aktion
Ähnlich formuliert es sein katholischer Amtskollege Thomas Huber im aktuellen Pfarrbrief: „Die Fasnacht lässt uns spüren, wie schön es ist, miteinander zu lachen, zu feiern und in Gemeinschaft Verbundenheit zu erfahren. Doch gerade in der Freude dürfen wir erkennen, dass alles Gute, das wir empfangen, ein Geschenk ist – nichts ist selbstverständlich. Jeder Augenblick des Glücks, jeder Moment des Lachens ist ein Grund zur Dankbarkeit“, so Huber.
Die Erzdiözese Freiburg verweist auf ihrer Internetseite ebenfalls auf ein Begleitprogramm zur Fastenzeit. Es steht unter dem Titel: 40 Tage aufmerksam. Das Fastenprojekt soll die Teilnehmer auf eine Entdeckungsreise in ihr eigenes Umfeld schicken, heißt es dort. Es gibt einen täglichen Impuls aus der Bibel oder von sozial engagierten Personen.
Verzicht heute weniger streng
Neben den speziellen Gebets- und Meditationsangeboten, die die beiden großen Kirchen anbieten, geht es natürlich auch heute in der Fastenzeit noch zentral um das Thema Verzicht. „Während früher strenge Fastenregeln galten, lehnte Martin Luther die Vorstellung ab, dass Verzicht Heil bringt. Für ihn war Fasten keine Pflicht, sondern eine persönliche Übung. Heute verstehen evangelische Christen es als Zeit der Besinnung und Umkehr. Es erinnert an Jesu 40-tägiges Fasten in der Wüste und hilft, sich bewusst auf Gott auszurichten“, erklärt Ulf Weber.
Regeln für das Fasten
Auch in der katholischen Kirche sind die Regelungen für die Fastenzeit heute deutlich weniger streng als in früheren Zeiten. Explizit genannt werden in einer entsprechenden Anweisung der Deutschen Bischofskonferenz der Aschermittwoch und der Karfreitag. Dabei handelt es sich um besondere Fast- und Abstinenztage. „Der katholische Christ beschränkt sich an diesen Tagen auf eine einmalige Sättigung (Fasten) und verzichtet auf Fleischspeisen (Abstinenz)“, heißt es in dem Schreiben der katholischen Bischöfe.
Dazu komme noch die Pflicht zum Fastenopfer. „Christen sollen je nach ihrer wirtschaftlichen Lage einmal im Jahr, am besten zum Ende der Fastenzeit, ein spürbares Geldopfer für Hungernde und Notleidende geben“, heißt es auf katholisch.de, dem Internetportal der katholischen Kirche in Deutschland.