Erst CDU-Generalsekretärin, dann CDU-Parteivorsitzende, dann Beklagte des Stockacher Narrengerichts: Das gab es doch schon einmal. Nämlich bei Angela Merkel. Sie erschien 2001 vor den Schranken des Hohen Grobgünstigen Narrengerichts zu Stocken – und wurde 2005 zum ersten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt.
Eine Zukunft als Kanzlerin?
Nun könnte sich Geschichte wiederholen. Denn in diesem Jahr ist Annegret Kramp-Karrenbauer die Beklagte. Dies gab das Narrengericht bei seiner gestrigen Dreikönigssitzung bekannt. Kramp-Karrenbauer, auch AKK genannt, war ebenfalls Generalsekretärin der CDU und ist jetzt Parteivorsitzende.
Da drängt es sich praktisch auf, dass die Saarländerin eine Zukunft als Kanzlerin vor sich hat – und dass Stockach einmal mehr eine entscheidende Station auf dem Weg in ein höchstes Staatsamt ist. Frank Walter Steinmeier (SPD, Beklagter 2011) ist immerhin mittlerweile Bundespräsident.
Doch auch sonst gab es selten so viele Verbindungen zwischen einer aktuellen und früheren Beklagten des Narrengerichts. Denn Kramp-Karrenbauer ist nicht nur wegen Heiner Geißler (CDU, Beklagter 2013) in die CDU eingetreten, wie das Personenarchiv Munzinger zu berichten weiß. Sie war auch Nachfolgerin von Peter Müller (CDU, Beklagter 2005) als Ministerpräsidentin des Saarlandes, den sie schon aus gemeinsamen Zeiten bei der Jungen Union des Saarlandes kennt.
Zusage schon im August
Dass es das Narrengericht mit einer CDU-Vorsitzenden zu tun bekommen würden, war indes noch keineswegs ausgemacht, als die Einladung aus dem Südbadischen ausgesprochen wurde. Denn das war schon im August, so Narrenrichter Jürgen Koterzyna auf Anfrage.
Da war Kramp-Karrenbauer noch Generalsekretärin ihrer Partei und Merkel die Vorsitzende. Erst Ende Oktober 2018 hat Merkel erklärt, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren, nachdem die Union bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen viele Stimmen verloren hatte.
Eine Zusage von AKK habe es schon im August unmittelbar nach der Einladung gegeben, so der Narrenrichter weiter. Sie setzt damit die Reihe der Saarländer vor dem Narrengericht fort, denn nicht nur Peter Müller kam aus dem kleinen Bundesland an der französischen Grenze, sondern auch Peter Altmaier (Beklagter 2015). Und auch bei den Ex-Generalsekretären der CDU kann man schon von einer Reihenbildung sprechen. Nicht nur Merkel gehört in diese Reihe, sondern auch Heiner Geißler.

Doch auch wenn das Narrengericht seine diesjährige Beklagte als „Muttis Nachlassverwalterin“ ankündigt, ging bei AKK manches schneller als es ihre Vorgängerin Merkel hinlegte. Denn nach einer langen Zeit als Ministerin und Ministerpräsidentin im Saarland ging plötzlich alles ziemlich rasch.
Drei Anklagepunkte - wie immer
Mit einer Amtszeit von etwa neuneinhalb Monaten kann Kramp-Karrenbauer locker als Kurzzeit-Generalsekretärin ihrer Partei durchgehen – Merkel harrte etwa ein Jahr und fünf Monate in diesem Amt aus. Und Parteivorsitzende war Merkel schon etwa elf Monate, als sie in Stockach erschien. AKKs Wahl in dasselbe Amt wird zum Zeitpunkt der Verhandlung nicht einmal drei Monate zurückliegen.
Und vielleicht ist das auch schon ein erster Ansatzpunkt für Kläger Wolfgang Reuther, der nach dem Abschied von Thomas Warndorf in diesem Jahr zum ersten Mal in dieser Rolle auf der Bühne in der Jahnhalle erscheinen wird. Er könnte den Schweinsgalopp aufs Korn nehmen, mit dem Kramp-Karrenbauer in der jüngsten Zeit die hohen CDU-Ämter durchläuft – gewissermaßen ein kometenhaftes Wesen.
Doch egal welche Gedanken sich der Kläger macht: Das Narrengericht stellt wieder drei Anklagepunkte in Aussicht – über die allerdings wie immer im Vorfeld der Verhandlung geschwiegen wird. Nur eins dürfte relativ klar sein: Eine Weinstrafe in der Verhandlung ist äußerst wahrscheinlich. Denn beim Narrengericht selbst ist vom feinen saarländischen Wein die Rede.
Narrengericht 2019: Die Beklagte und die Verhandlung
- Person: Annegret Kramp-Karrenbauer wurde am 9. August 1962 in Völklingen im Saarland geboren. Ihr Vater war Sonderschulrektor und ihre Mutter Hausfrau. Laut dem Personenarchiv Munzinger hat Kramp-Karrenbauer fünf Geschwister. Nach dem Abitur 1982 studierte sie Rechts- und Politikwissenschaft an den Universitäten in Trier und Saarbrücken. Einen Magister-Abschluss machte sie in den Fächern Politikwissenschaft und Öffentliches Recht. Mit 19 Jahren trat sie in die CDU ein. Von 1991 bis 1998 arbeitete sie als Grundsatz- und Planungsreferentin in der Landesgeschäftsstelle der CDU Saar. Von 1999 bis 2018 saß sie im saarländischen Landtag, von 2000 bis 2011 hatte sie verschiedene Ministerämter im Bundesland inne. 2011 wurde sie nach dem Abschied von Peter Müller (ebenfalls CDU) als dessen Wunschkandidatin Ministerpräsidentin – zunächst während der Legislaturperiode per Wahl durch den Landtag. Das Amt hat sie zweimal bei Landtagswahlen verteidigt. Im Februar 2018 wurde Kramp-Karrenbauer Generalsekretärin der Bundes-CDU, im Dezember 2018 deren Vorsitzende. Bekannt ist sie auch durch ihre fasnächtlichen Auftritte im Saarland in der Rolle der Putzfrau Gretel, die den Landtag aufräumt. Sie ist mit dem Bergbauingenieur Helmut Karrenbauer verheiratet, das Paar hat drei erwachsene Kinder. Kramp-Karrenbauer wohnt in Püttlingen, wo sie zur Grundschule ging und viele Jahre im Gemeinderat saß.
- Schmotziger Dunschtig: Der Tag der Verhandlung am Donnerstag, 28. Februar, beginnt für Annegret Kramp-Karrenbauer mit dem Empfang des Narrengerichts im Bürgerhaus Adler Post um 11 Uhr. Um 13 Uhr wird sie vor dem Bürgerhaus der Öffentlichkeit vorgestellt, um 13.30 Uhr beginnt der Umzug, bei dem auch der Narrenbaum gesetzt wird.
- Verhandlung: Die eigentliche Verhandlung gegen die Beklagte beginnt am Schmotzigen Dunschtig, 28. Februar, um 17 Uhr in der Stockacher Jahnhalle. Eintrittskarten gibt es ab Samstag, 19. Januar, 10 Uhr im Kulturamt im Alten Forstamt und im Internet auf der Seite www.stockacher-narrengericht.de. Der Verkauf beginnt jeweils gleichzeitig.