Der närrische Endspurt hat begonnen: Obwohl mit dem Gedenkgottesdienst an die Verstorbenen Narren und dem Uffwirm Kaffee am Fasnetmäntig schon langsam das Ende der Fasnacht in Sicht kommt, trübte diese Aussicht in keinster Weise die Stimmung der Narrenschar, die sich in diesem Jahr im Goldenen Ochsen versammelt hat.
Im vergangenen Jahr hatte der Uffwirm Kaffee für viele Narren in der Corona-Teststation stattgefunden, scherzte Narrenrichter Jürgen Koterzyna bei der Begrüßung. Dieses Jahr jedoch haben die meisten durchgehalten und die Stimmung hätte kaum besser sein können.
Gleich mehrere Abschiede in Sicht
Und das obwohl gleich mehrere Abschiede in Sicht sind. Da wäre etwa Bürgermeister Rainer Stolz, der vor Kurzem zum Ende des Jahres seinen Rücktritt angekündigt hat und damit am Schmotzigen zum letzten Mal von den Narren abgesetzt wurde.
Jürgen Koterzyna hatte dem Bürgermeister und Vizepräsidenten des Baden-Württembergischen Städtetages schon bei dieser Gelegenheit daran erinnert, dass der einzige Titel, der ihm am Ende bleibt, der des Stockacher Laufnarren sein wird.
Stolz revanchierte sich nun beim Uffwirm Kaffee damit, dass er das Narrengericht daran erinnerte, dass alles endlich ist. Sowohl die Fastnacht, wie auch seine Amtszeit. Was er allerdings feststelle ist, dass die Welt immer verrückter werde.
Kulturelle Aneignung in der Stockacher Fasnacht?
So habe er bei der Lektüre der Samstagszeitung darüber lachen müssen, dass dem SÜDKURIER inzwischen auch aufgefallen ist, dass es keine Frauen im Narrengericht gibt. Doch allgemein stelle er fest, dass der Grat, auf dem sich die Narren manchmal bewegen, immer schmaler gemacht wird.
Seine Befürchtung: „Wahrscheinlich dürfen wir in Zukunft keine Alt-Stockacherinnen mehr haben, weil sich irgendwann die Österreicher über kulturelle Aneignung beschweren“, scherzte Stolz und malte gar das Bild eines zensierten und auf den Index verbannten Narrenmarsches an die Wand.
Der Bürgermeister singt
Dieser Verrücktheit konterte der Rathauschef mit gleich zwei Gesangseinlagen, begleitet von Werner Gaiser am Piano. Anschließend schwor er die Narren auf guten Zusammenhalt ein. „Was ihr vor anderthalb Wochen in Berlin gemacht habt, war fantastisch“, lobte Stolz und sprach in diesem Zusammenhang von einer „gelebten Einheit“.
Eine solche sei auch entscheidend für die Zukunft der Stockacher Fasnacht, die er liebe und auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt weiter unterstützen und fördern wolle.
Die Letzte Generation Gerichtsnarren
Narrenschreiber Marcel Reiser machte sich als Gerichtsnarr der Letzten Generation Sorgen um die Zukunft. „Klima und Fasnacht sollen so bleiben wie vor 600 Jahren“, betonte er. Das Aufforstungsprogramm der Zimmerer sei zwar löblich, aber ein einzelner Stamm in der Oberstadt werde nicht reichen, um das Klima zu retten.
So teilte Reiser seine Gedanken zu möglichen Protestaktionen mit dem begeisterten Publikum. Am Ende entschied er sich dazu, sich an der Theke festzukleben.

Als Uwe Eckardt, Manfred Engelmann und Günter Kratzer im Jahr 1963, zusammen mit insgesamt 106 weiteren Männern, zu Stockacher Laufnarren geschlagen wurden, hat man sich über solche Dinge natürlich noch keine Gedanken gemacht. Für ihre 60 Jahre als Laufnarren bekamen sie von Ordensmeister Markus Vollmer eine Urkunde überreicht.

Natürlich wurde auch so gleich für Nachschub gesorgt. Ralf Mayer, der Ortsvorsteher des Radolfzeller Ortsteils Möggingen, ist seit dem Uffwirm Kaffee das neueste Mitglied in der Riege der Stockacher Laufnarren.
Eine Frauenquote braucht es nicht
Dass diese Ehre nur Männern offen steht, war einer der Punkte, den Vera und Lea Ossola von den Alt-Stockacherinnen in ihrem Vortrag zum Thema „Fasnet isch ä ernschte Sach“ auf. Sie sind allerdings der Überzeugung, dass es eine Frauenquote in der Stockacher Fasnacht nicht braucht.
Dabei nahmen sie alle Nörgler und Meckerer auf die Schippe und stellten unter anderem klar: Allen, denen man es an der Fasnacht nicht recht machen kann, sollen erst mal zeigen, wie es besser geht. Die Bänkelsänger der Aktiven Laufnarren besangen im Anschluss den Hemdglonker, die schönen Mädchen aus Zizenhausen und brachten die Gäste sogar zum Mitschunkeln.
Der Unterschied zwischen Männern und Frauen
Dass Männer und Frauen unterschiedlich sind, das hat der Aktive Laufnarr Mario Lovecchio herausgefunden und erhielt viele Lacher zu seinen näheren Erläuterungen über die verschiedenen Denkweisen.
Für Heiterkeit sorgte auch HANA-AG der Uni Konstanz mit Jens Apitz, Kanzler der Uni Konstanz, Professor Bernhard Schink und Helmut Hengstler, ehemaliger Vizekanzler der Uni Konstanz, die gemeinsam die Stockacher Fasnacht besangen.
Zweiter Abschied in eigenen Reihen
Nicht nur für Rainer Stolz ist es die letzte Fasnacht in Amt und Würden: Auch Siegfried Endres verabschiedet sich zur kommenden Saison aus seinem Amt als Gerichtsnarr.

Beim Uffwirm Kaffee lief er aber nochmals zu Hochform auf und hielt seinen Gerichtskollegen den Spiegel vor, während er die Frage abarbeitete, was wohl wäre, wenn Frauen ins Narrengricht dürften. Diese Frage habe ihm seit dem Schmotzigen Dunnschtig schon schlaflose Nächte bereitet, scherzt er.
Schließlich gibt es von unterschiedlichen Seiten immer wieder Kritik am Aufnahmeverbot für Frauen. Endres‘ Fazit: „Wenn ich eine Frau wär, wäre ich glaub hinter mir her.“ Vor diesem Hintergrund dürfte eine theoretische Mitgliedschaft für Frauen im Narrengericht ab dem kommenden Jahr sowieso deutlich unattraktiver werden. Schließlich ist er dann nicht mehr dabei.