Er hatte es angekündigt. Er wollte angreifen und das tat er, vor Publikum, im Fernsehen. Wolfgang Kubicki, FDP-Mann, Anwalt, Frauenheld, musste sich am Schmotzigen Dunschtig vor dem Stockacher Narrengericht rechtfertigen, unter anderem wegen Sexismus.

Vorwürfe, die der 70-Jährige mit Nachdruck zurückwies: „Wenn ich mir das Narrengericht so anschaue – keine einzige Frau im Kollegium.“ Der Schlag saß. Denn tatsächlich reihen sich auf der Bühne der Jahnhalle die 20 Mitglieder des Narrengerichts, alle männlich, Richter Jürgen Koterzyna sitzt ihnen vor. Wo also sind all die Frauen, Herr Richter?

Es ist schon immer so gewesen

Die Debatte ist nicht neu, die Fasnacht gilt vielerorts als angestaubt, ein bisschen verkrustet. Das Narrengericht in Stockach geht auf das Jahr 1351 zurück. Jürgen Koterzyna sagt, die Zusammensetzung aus Männern sei hier schon immer so gewesen, sie sei historisch bedingt. „In den Satzungen und Ordnungen ist das festgeschrieben.“

Kubicki vor den Richtern: Eine Szene aus dem Narrengericht.
Kubicki vor den Richtern: Eine Szene aus dem Narrengericht. | Bild: Löffler, Ramona

Tradition, meint der Richter. Warum sollte man etwas so Schönes ändern? Dass die Geschlechter unter sich bleiben, sei in der Stockacher Fasnacht ohnehin so. Die Zimmerergilde, die Hänsele, die Laufnarren – Männer. Die Marketenderinnen, die Altstockackerinnen – Frauen. „Alle feiern geschlechtergetrennt in der eigenen Gruppe, in der Zunft dann aber zusammen.“

Die schlüpfrigen Herrenwitze auf der Bühne bleiben weiter den Männern vorbehalten, während die Frauen hier nur schmückendes Beiwerk auf der Bühne der Narren sind. Ist das noch zeitgemäß? Was ist so eine Tradition wert in einer Welt, die anders tickt als damals?

Lea Ossola ist Leiterin der Alt-Stockacherinnen, der älteste Frauengruppe der Stockacher Fasnacht. Sie erzählt, dass sich genau hier schon vor Jahrzehnten eine kleine Revolution vollzogen hat. Den Alt-Stockacherinnen sage man nach, dass sie Anfang der 1930er auf die Barrikaden gegangen sind, weil sie von der Fasnacht ausgeschlossen waren. Ihre Mittel, teils ungewöhnlich: Sogar in den Sex-Streik sind sie den Anekdoten zufolge gegangen. Offenbar mit Erfolg. „Aus diesem Grund hat sich unsere Gruppe gegründet.“

Männer bestimmten, was Frauen zu tragen haben

Wobei das männliche Geschlecht schon damals über das Erscheinungsbild der Frauen entschieden habe: ein Trachtenkleid, knöchellang, dazu eine Radhaube. Fromm, ein bisschen bigott, keine Maske. Lea Ossala sagt: „Wir dürfen uns nicht maskieren, denn sobald man eine Maske trägt, ist man verkleidet, was nur Männer dürfen.“ Das war früher so, das ist heute so.

Sie selbst betrachtet das eher konservativ, wie sie erklärt. „Für mich persönlich habe ich nicht den Anspruch, in das Narrengericht aufgenommen zu werden.“ Demgegenüber gebe es allerdings Frauen in den Reihen der Alt-Stockacherinnen, die dieses Spiel der Narren durchaus kritisch sehen, die gerne eine Frau im Gericht sitzen sähen. „Es gibt beide Seiten.“

Das Problem ist, wie so häufig bei diesen Debatten, ein strukturelles. Das Narrengericht ist kein Verein, in den man per Antrag aufgenommen werden kann. Wer hineinwill, muss Laufnarr sein, zu dem wiederum nur Männer gemacht werden können.

Die 20 Mitglieder suchen sich aus allen Laufnarren eine Person aus, die einstimmig in das Gremium gewählt wird. Was bedeutet: Solange dieser Kreis aus Männern besteht, die offenbar gerne unter sich sind, wird es eine Männerdomäne bleiben.

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Wehrle sagt: Das wird sich ändern

Irgendwann, sagt Roland Wehrle, werde sich das ändern. Er ist Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narren, zu der auch das Narrengericht gehört.

Er sagt: Die Zeiten verändern sich. Er sagt aber auch: Man müsse die Historie respektieren, aus der heraus die Fasnacht entstanden ist. Man dürfe nicht krampfhaft versuchen, überall Frauen in die einzelnen Gruppen zu hieven.

Zumal es auch um die Identität der Gruppen gehe. „Es gibt umgekehrt viele Frauengruppen, die sicher keinen Mann bei sich akzeptieren.“ Insgesamt aber, sagt er, werde sich die Fasnacht mehr öffnen müssen. Es gebe viele kompetente, engagierte Frauen, die Führungsaufgaben übernehmen möchten.

Koterzynas ironische Bemerkung

Zeitgemäß ist ein rein männliches Narrengericht nicht mehr, das weiß auch Jürgen Koterzyna. Trotzdem soll es so bleiben. „Wir würden uns sonst auch dieser wiederkehrenden Debatte berauben“, meint der Richter und Vorsitzende, im närrisch-ironischen Ton, versteht sich. Frei von Sexismus ist das Narrengericht nicht.

Wer aber im Glashaus sitzt, der kann natürlich nicht mit Steinen werfen. Auch nicht auf Wolfgang Kubicki. Der Liberale wurde des Sexismus also freigesprochen. Gudrun Heute-Bluhm, CDU-Politikern und Mitglied des Bundesvorstands, meinte dazu im SWR: Rechtlich betrachtet seien Frauen im Narrengericht dringend notwendig. „Aber, ob sich Frauen das antun wollen?“ Bleibt abzuwarten.

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