Die fünfte Jahreszeit hat begonnen! Mit einem grandiosen Spätschoppen und über vier Stunden Programm startete das Narrengericht an Dreikönig feierlich in die diesjährige Fasnachtssaison, im 672. Jahr nach Hans Kuony.

Mit 47 Tagen wird es eine mittellange Fasnacht, wie Narrenrichter Jürgen Koterzyna ankündigte. Doch es dürfte nach zwei Jahren „närrischer Prohibition“, wie es Koterzyna formulierte, eine umso ausgelassenere werden.

Ein Jubiläum, das doch keins ist

Die Dreikönigssitzung bildete jedenfalls einen würdigen Auftakt. Eigentlich hätte die Veranstaltung in diesem Jahr zehnjähriges Jubiläum feiern können, aber da sie zuletzt ausfallen musste oder nur digital stattfinden konnte, war es erst die achte richtige Dreikönigssitzung.

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„Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich freue“, betonte Koterzyna mit Blick auf den vollen und liebevoll dekorierten Saal des Bürgerhauses Adler Post. Groß war die Freude nicht nur über die Veranstaltung an sich, sondern auch über Gastredner Boris Palmer.

Dank Vermittlung durch Alt-Landrat Frank Hämmerle hatte der Tübinger Oberbürgermeister davon überzeugt werden können, dass es sich bei der Dreikönigssitzung des Narrengerichts um eine seriöse Veranstaltung handle, erklärte Koterzyna und dankte Hämmerle gleichzeitig mit einem Augenzwinkern „für diese kleine Notlüge“.

Boris Palmer sorgt für Begeisterung

Palmer wusste das Stockacher Publikum zu begeistern. Nicht etwa mit einer gereimten Büttenrede oder närrischem Witz, sondern einfach nur mit einem Bericht aus seinen Erfahrungen in der Lokalpolitik. In breitestem Schwäbisch sorgte er für zahlreiche Lacher im Saal.

Tübingens Oberbürgermeister Boris palmer berichtete in breitestem Schwäbisch, wie er in der Praxis mit den Tücken der Bürokratie umgeht.
Tübingens Oberbürgermeister Boris palmer berichtete in breitestem Schwäbisch, wie er in der Praxis mit den Tücken der Bürokratie umgeht. | Bild: Dominique Hahn

Immer wieder stößt der Tübinger Oberbürgermeister auf bürokratische Hürden, die andere vielleicht zum Verzweifeln bringen würden. Bei ihm wecken sie aber nur die Kampfeslust, sich mit fast närrischer List darüber hinwegzusetzen.

Ein närrischer Don Qijote aus Tübingen

So wirkte er wie der närrische Don Quijote im Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie, wenn er etwa davon berichtete, wie er die Verwaltung digitalisieren wollte, indem die Bürger ihre Anwohnerparkausweise online anfordern und selbst ausdrucken können. Ausgerechnet das Ministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur habe ihm dabei jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht.

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Dieses schreibe nämlich vor, dass solche Parkausweise auf dicken Karton gedruckt werden. Palmers pragmatische Lösung „Mir mached des einfach trotzdem“. Deshalb warte er nun auch schon auf den Beschwerdebrief des Regierungspräsidenten.

Säckelmeister Oliver Kaufmann, Laufnarrenvater Michael Zehnle, Narrenrichter Jürgen Koterzyna und Narrenschreiber Marcel Reiser erheben ...
Säckelmeister Oliver Kaufmann, Laufnarrenvater Michael Zehnle, Narrenrichter Jürgen Koterzyna und Narrenschreiber Marcel Reiser erheben ihr Glas auf die neue Fasnachtssaison, die endlich wieder mehr Normalität bringt. | Bild: Dominique Hahn

Gesunder Menschenverstand erwünscht

Dieser hat ihn schon jüngst darauf aufmerksam gemacht, dass er persönlich haftbar sei, wenn er nachts das Licht an Zebrastreifen abschalte und deshalb ein Unfall passiere. Dabei wollte Palmer damit nur Energie sparen, wie er erklärt. Er sei der Auffassung, dass man hier auf den gesunden Menschenverstand setzen muss, und die Leute schauen können, bevor sie die Straße überqueren.

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Egal ob Datenschutz, Brandschutz, Umweltschutz, Denkmalschutz, Boris Palmer holte zum großen Rundumschlag aus und kritisierte auch die Migrationspolitik. Auch der ein oder andere Seitenhieb auf das Narrengericht war mit dabei.

Palmers Fazit: „Mir brauched mehr Gesamtverantwortung, den Blick aufs große Ganze und gsunde Menscheverstand.“ Dafür gab es reichlich Applaus im voll besetzten Saal.

Laufnarrenschlag für Boris Palmer Video: Dominique Hahn

Hans Kuony Post wird kürzer

Natürlich war noch einiges mehr an Programm geboten. So stellte Gerichtsnarr Rainer Vollmer die Hans-Kuony Post vor, die einmal mehr gerade rechtzeitig zum Fasnachtsbeginn fertig geworden ist. In diesem Jahr umfasst sie allerdings aufgrund der gestiegenen Energiekosten nur 60 statt wie im vergangenen Jahr über 90 Seiten.

Außerdem kann das Heft, das auch optisch viel hermacht, inzwischen auf eine 30-jährige Geschichte zurückblicken, berichtete Vollmer. Dort gibt es auch einen großen Bericht zum diesjährigen beklagten Wolfgang Kubicki, der ebenfalls im Rahmen der Sitzung angekündigt wurde (der SÜDKURIER berichtete).

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Für gute Stimmung sorgten zahlreiche närrische Beiträge von Rednern, die an diesem Abend eine Ehrung erhalten hatten, wie auch von Kläger Wolfgang Reuther. Auf dessen Beitrag hatte sich der Narrenrichter besonders gefreut, war er doch in jüngerer Zeit vor allem außerhalb Stockachs als Närrischer Redner in Singen, Radolfzell und Langenstein in Erscheinung getreten.

Beste Stimmung herrschte im vollbesetzten Saal des Bürgerhauses Adler Post.
Beste Stimmung herrschte im vollbesetzten Saal des Bürgerhauses Adler Post. | Bild: Dominique Hahn

„Mit bleibendem Eindruck“, wie Koterzyna betonte. In Langenstein wurde danach der Mietvertrag für das Fasnachtsmuseum gekündigt, Radolfzell musste einen neuen Oberbürgermeister wählen und in Singen ist die Scheffelhalle abgebrannt. „Ich bin gespannt, was Stockach nun blüht“, scherzte der Narrenrichter nach Reuthers Beitrag.

So kommt eine Frau aufs Titelblatt

Das diesjährige Narrenbuch-Titelblatt wurde von der Künstlerin Sybille Trefflich gestaltet. Es zeigt eine Altstockacherin, die eine Friedenstaube entsendet. „Die Altstockacherin steht für das Weibliche in der Stockacher Fasnacht. Sie entsendet eine Friedenstaube in der Hoffnung, dass 2023 ein besseres Jahr wird als das letzte“, erklärte Trefflich.

Pritschenmeister Helmut Lempp und Künstlerin Sybille Trefflich bei der Präsentation des Narrenbuch-Titelblatts. Es zeigt eine ...
Pritschenmeister Helmut Lempp und Künstlerin Sybille Trefflich bei der Präsentation des Narrenbuch-Titelblatts. Es zeigt eine Altstockacherin, die eine Friedenstaube entsendet. | Bild: Dominique Hahn

Eine Premiere ist die Technik, in der das Bild entstanden ist. Erstmals wurde ein Narrenbuch-Titelblatt mit Airbrush-Technik erstellt, erklärte Jürgen Koterzyna. Natürlich durften sich noch am selben Abend noch einige frisch geschlagene Laufnarren in dem Buch verewigen.

Neben Ehrengast Boris Palmer wurden Wolfgang Widmann, der Leiter des Stockacher Polizeireviers, Helmut Rauch, CEO der Firma Diehl Defence, Stadtbaumeister Lars Heinzl und Dominik Grömminger, Säckelmeister der Narrenzunft Engen, zu Stockacher Laufnarren geschlagen.

Personelle Veränderungen: Neue Narrenbolizei

Viel hat sich im Hinblick auf die Personalien nicht getan im hohen grobgünstigen Gremium. Gerichtsnarr Stefan Keil verließ den Posten des Narrenschreibers und übergab ihn bereits 2021 an Marcel Reiser. Keil kümmert sich zukünftig um den Närrischen Nachwuchs.

Ein einschneidender Wechsel wurde indes in der Position der Narrenbolizei. Hubert Reiser übergab im Rahmen der Dreikönigssitzung Säbel und Glocke an den aktiven Laufnarren Thomas Burgbacher. Reiser, der die Stockacher Narren bei rund 100 Narrentreffen angeführt hat, bleibt jedoch Gerichtsnarr.

Narrenbolizei Hubert Reiser (rechts) übergibt seinen Säbel an seinen Nachfolger Thomas Burgbacher.
Narrenbolizei Hubert Reiser (rechts) übergibt seinen Säbel an seinen Nachfolger Thomas Burgbacher. | Bild: Dominique Hahn

Seinen Abschied angekündigt hat indes Siegfried Endres. Er wird noch dieses Jahr Aktives Mitglied des Narrengerichts bleiben und bei der nächsten Dreikönigssitzung dann aus dem Amt verabschiedet.

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