Wenn man das Wort Polier hört, denkt man zuerst an die Berufsbezeichnung im Bauwesen für den Leiter der gewerblichen Mitarbeiter auf einer Baustelle. Er fungiert als Bindeglied zwischen den Arbeitern und der Bauleitung. Und diese Funktion übt in Stockach Jürgen Stetter bei der Zimmerergilde auch aus – genau wie im richtigen Leben, wo er als staatlich geprüfter Polier seinem Broterwerb nachgeht.

Dieses Fachwissen braucht er auch während der närrischen Tage, an denen er einen sehr wichtigen Posten im närrischen Personalgefüge inne hat. Er leitet natürlich keine klassische Baustelle – nein, sein Arbeitsareal liegt in der Stockacher Hauptstraße direkt neben dem Hans-Kuony-Brunnen vor dem Bürgerhaus Adler Post. Dort befindet sich das Narrebomm-Loch, welches an der Stockemer Fasnet eine bedeutende Rolle spielt. Dort steht vom Schmotzigen Dunschtig bis Lätare Stockachs Stammbaum aller Narren.

Narrenbaum-Setzen am Schmotzigen Dunschtig 2022.
Narrenbaum-Setzen am Schmotzigen Dunschtig 2022. | Bild: Löffler, Ramona

Dass dieser Prachtbaum „kerzegrad“, wie im Narrenbaumlied erwähnt, steht, liegt mit in der Verantwortung des Poliers, der als ein gewisses Bindeglied zwischen Zimmerermoschter und den gemeinen Zimmerern wirkt.

Eigentlich begann er als Reiter

Aber wie wurde Jürgen Stetter Polier in der närrischen Zimmerergilde? „Meine erste fastnächtliche Aktivität hatte mit den Zimmerern nichts zu tun“, erzählt Stetter. Denn er habe als begeisterter Reiter in der Standarten-Gruppe, die jahrelang hoch zu Ross die Stockacher Straßenfastnacht anführte, begonnen. Erst im Alter von 21 Jahren habe er sich bei der Zimmerergilde beworben und ist seither 38 Jahre im berühmten Leder-Häs.

Seit vier Jahren hat er die Leitungsposition des Poliers inne und ist neben dem Moschter der wichtigste Mann beim Setzen des Narrenbaums. „Man erkennt mich an meinen Schulterklappen, an meinem schwarzen Hut mit braunen Federn und am Senkel“, erklärt Stetter.

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Er blickt auf seine insgesamt 38-jährige Zimmererkarriere mit etwas Wehmut zurück, denn er muss dieses Jahr aus der Gilde austreten, da er das 60. Lebensjahr erreicht hat. „Ich möchte keine Stunde missen“, ergänzt er. Jetzt freue er sich auf den Alt-Ehren-Stand in der Gilde.

1988 brach der Narrenbaum ab

„Ich hatte viele großartige Erlebnisse während meiner Zeit“, erinnert er sich. Dazu zählt für ihn die Schifffahrt zum Narrentreffen nach Lindau, wo die Zimmerer auf dem Schiff einen Narrenbaum gesetzt haben. Gern erinnert er sich auch an das Narrentreffen in Bad Cannstatt, wo die Zimmerer den Baum am dortigen Bahnhof gesetzt haben. Sehr gut in Erinnerung geblieben ist ihm auch das Jahr 1988 als Arbeitsminister Norbert Blüm Beklagter vor dem Narrengericht war und vor dessen Augen der Narrenbaum während des Setzens abgebrochen war.

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Jetzt freut er sich zum Schluss seiner aktiven Karriere auf die Berlin-Fahrt, denn dort wird er mit seinen Mannen vor der Baden-Württemberg-Vertretung einen Narrenbaum setzen. „Nein, wir nehmen keinen Baum von hier mit nach Berlin“, erklärt Stetter schmunzelnd. Dieser werde von Alt-Ehren-Geselle Andreas Renner vor Ort organisiert.