Ein musikalisches Großereignis in Stockach und Winterthur wirft seine Schatten voraus: Für die Aufführung von Karl Jenkins‘ „Stabat Mater“ am Samstag, 2. November, in der Parkarena in Winterthur und am Sonntag, 3. November, in der Jahnhalle in Stockach fasst Dirigent Helmut Hubov seine beiden permanenten Orchester, das Sinfonische Blasorchester Stockach und die Stadtharmonie Winterthur-Töss, zu einem Projektorchester mit mehr als 100 Musikern zusammen. Wie läuft die Probenarbeit und welche Herausforderungen müssen überwunden werden?

Nicht zum ersten Mal

Es ist das vierte gemeinsame Großprojekt der Orchester. Hinzu kommen bei „Stabat Mater“ der Chor Alpha-capella der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften unter der Leitung von Jens Hoffmann und Vocal-track-Chor der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Winterthur-Töss, den Carmen Reverdin leitet, sowie zwei international bekannte Solistinnen.

Schon vor zehn Jahren präsentierten beide Orchester gemeinsam das Werk. Jochen Fischer, der Vorsitzende der Stadtmusik Stockach, erinnert sich: „Das war damals ein großer Erfolg. Wir haben immer wieder darüber gesprochen. Und die Schweizer Musikkollegen haben sich eine Neuauflage gewünscht.“ Helmut Hubov bestätigt: „So ist es. Als ich diese Idee in Stockach vorgestellt habe, waren alle gleich dabei.“

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Er habe zu Jenkins „Stabat Mater“ eine besondere Verbindung, sagt Hubov: „Es ist ein ganz tolles Werk mit sehr vielen musikalischen Einflüssen – es verbindet geistliche Chormusik und ethnische Orchesterklänge. Deshalb freut es mich sehr, dass wir es wieder zur Aufführung bringen und auch viele jüngere Musiker und Musikerinnen es kennenlernen, die vor zehn Jahren noch nicht dabei waren.“ Werke dieser Größenordnung führe man schließlich auch nicht so häufig auf.

Nach den Sommerferien begann die Probenphase

Direkt nach den Sommerferien begannen die Proben. An den ersten Abenden gab es einen Durchlauf aller zwölf Sätze. Jeder Spieler hatte vorher die Noten bekommen, um sich vorzubereiten. Nach den Anspielproben folgten zwei getrennte Proben für Holz und Blech. Im Oktober stehen drei Gesamtproben an, in denen Helmut Hubov punktuell auf wichtige Dinge eingeht. Jochen Fischer beschreibt es so: „In der Mitte der Probenphase werden Sätze oder Satzteile geprobt, die Helmut für nötig hält. Feinarbeit ist angesagt.“

Schon in der Probe ist die Energie des Werks „Stabat Mater“ spürbar – auch wenn die Musiker unter Leitung von Helmut Hubov (rechts) ...
Schon in der Probe ist die Energie des Werks „Stabat Mater“ spürbar – auch wenn die Musiker unter Leitung von Helmut Hubov (rechts) jeweils nur einige Takte anspielen. | Bild: Claudia Ladwig

Tatsächlich sind die Orchestermitglieder im Probelokal hoch konzentriert bei der Sache, während der Dirigent besondere Stellen erläutert und einzelne Musiker zum erneuten Vorspielen auffordert. Er spart nicht mit Lob, setzt hier ein „Bravo“, dort ein „Sehr schön. Das kommt immer besser“, ein, um die Spieler zu motivieren.

Üben für den Feinschliff

Altsaxofonistin Sarah Stengele hat vor zehn Jahren schon mitgespielt. Sie erklärt: „Das Üben ist etwas anders als bei anderen Konzerten. Es geht weniger um das Einstudieren technischer Herausforderungen, sondern vielmehr um den Feinschliff im Zusammenspiel. Das bedeutet, dass wir gezielt daraufhin proben, perfekt aufeinander zu hören und uns als Ensemble klanglich auszubalancieren.“ Die Kraft, die durch das Zusammenspiel von Orchester und Chor entsteht, fasziniere sie heute genauso wie damals. „Es ist einfach ein unvergessliches Erlebnis, Teil eines so großen und harmonischen Ganzen zu sein.“

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Ähnlich empfindet Michael Schönberger. Er sagt: „Ich war auch beim ersten Mal dabei und auch damals am Kontrafagott. Mir gefällt an diesem Werk besonders die monumentale Größe, sowohl, was die Musik selbst betrifft, als auch die Größe des ganzen Ensembles. Meine Herausforderung ist eine gute Intonation, insbesondere bei den leisen Stellen.“

Wie ein Puzzle, das zusammengefügt wird

Gegen Ende der Probenphase geht es darum, die verschiedenen Elemente zu vereinen. Für Helmut Hubov ist es wie ein Puzzle, bei dem nach und nach alle Teile zusammengeführt werden. „Der musikalische Gedanke und die Vorstellung vom Werk sind gleich und das transportiere ich in den Proben auf beide Orchester.“ Die Proben in Stockach und Winterthur laufen also sehr ähnlich ab. Hubov sagt, er mache sich schon früh Gedanken darüber, wer die Solis spielt und wie der Klangausgleich ist und sein wird. Im Hinterkopf müsse er dann noch die Sängerinnen und den Chor haben.

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Am letzten Oktober-Wochenende proben in Winterthur allen Beteiligten gemeinsam. Am Samstagvormittag findet eine Orchesterprobe statt. Dann kommen auch das armenische Rohrblasinstrument Duduk sowie das arabische Schlagwerk Riqq zum Einsatz. Nachmittags wird mit den Chören zusammengespielt und am Sonntag sind die Solistinnen dabei. „Ich kenne Angela Kerrison und Christin Maho schon viele Jahre, das sind ganz tolle Kolleginnen“, schwärmt Hubov. Beide freuten sich sehr auf das gemeinsame Projekt. Christin Maho hatte übrigens auch bei den ersten Aufführungen den orientalischen Solopart (Ethnosopran) übernommen.

Helmut Hubov dirigiert über 200 Personen

Bei den Auftritten sitzen und stehen über 200 Mitwirkende vor Helmut Hubov. Wie schafft er es, alle zu erreichen? „Ich muss sie über den Gesichtsausdruck, meine Körpersprache und mein Dirigat abholen. Aber ich habe schon einige Großprojekte dirigiert, das ist für mich nichts Neues.“

Die große Herausforderung sei, auf den Gesamtklang zu reagieren, der sich bis zu den Gesamtproben immer ändere. Hinzu kämen dann noch die akustischen Verhältnisse in der Parkarena Winterthur und der Jahnhalle. Doch Helmut Hubov ist überzeugt: „Musik ist immer ein Ist-Zustand – eigentlich wie das ganze Leben. Man reagiert auf das Hier und Jetzt.“