Isolation, Sorgen, Verluste – die Corona-Pandemie hat auf viele Arten für große Belastung gesorgt. Und das hat Folgen: Erst kürzlich hatte die Psychologische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern des Landkreises Konstanz von einer Zunahme psychischer Erkrankungen oder Auffälligkeiten berichtet.
Aber auch in anderen Bereichen gibt es negative Auswirkungen. So erklärt die Suchtberatung Konstanz, die auch eine Außenstelle in Stockach hat und dort ebenfalls aktiv ist, es zeige sich eine deutliche Zunahme suchtbedingter und depressiver Symptome.
Warum die Zahlen trotzdem niedriger sind
Zwar liegt die Zahl der Beratungsanfragen im Jahr 2021 mit 802 sowie 2020 mit 799 leicht unter dem von 2019, damals waren es 852 Anfragen. Wie Anette Schlobinski-Duscher, Leiterin der Suchtberatung Konstanz, erklärt, hänge das aber mit den Corona-Einschränkungen zusammen. Denn wegen zum Teil geschlossener Institutionen habe es im Lockdown weniger Zuweisungen von Suchtkranken an die Suchtberatung gegeben.
Normalerweise würden Betroffene etwa über Gerichte, die Führerscheinstelle, die Jugendgerichtshilfe oder andere Einrichtungen an die Suchtberatung verwiesen. Allerdings seien auch Ämter geschlossen gewesen, so Schlobinski-Duscher.
In der ersten Jahreshälfte des vergangenen Jahres seien daher viele Anfragen ausgeblieben, allerdings habe die Arbeit dafür in der zweiten Jahreshälfte stark zugenommen. „Da ist eine zeitliche Verzögerung zu spüren“, so die Leiterin der Suchtberatung. Außerdem vergehe auch eine Zeit, bis Suchtkranke überhaupt erst Hilfe suchen: „Es dauert eine Weile, bis man selbst merkt, dass etwas nicht stimmt.“ Auch dem Umfeld der Betroffenen falle Suchtverhalten nicht gleich auf.
Die Suchtproblematik wird nicht gleich erkannt
Und gleichzeitig vergehe auch Zeit, bis etwa offizielle Stellen darauf aufmerksam werden – damit zum Beispiel ein Gericht oder eine Führerscheinstelle an die Suchtberatung verweist, müsse der Suchtkranke schließlich erst einmal vor Gericht landen oder in eine Polizeikontrolle geraten. Daher sei auch weiterhin noch abzuwarten, wie groß die Problematik noch werde.
Trotzdem lässt sich laut Anette Schlobinski-Duscher schon eine Auswirkung der Pandemie bemerken. „Es sind durch Corona Leute in die Sucht hineingerutscht“, sagt sie. „Und Fälle, bei denen Leute schon in Behandlung waren, sind schlimmer geworden.“ Die Zahl der stationären Therapien habe daher auch zugenommen, 2021 sei die Zahl der stationären Vermittlungen auf einem nie da gewesenen Höhepunkt gewesen.
Sorgen, Isolation, Aussichtslosigkeit
Die Gründe für die zunehmende Suchtproblematik sind unterschiedlich. Eine Rolle spiele etwa die soziale Isolation und damit verbunden eine Vereinsamung. Auch die Angst vor einer Infektion sei eine große Last. „Die Endlichkeit des Lebens wird stärker bewusst“, so Schlobinski-Duscher. Zudem hätten Menschen, die ihren Arbeitsplatz durch die Krise verloren haben, mit Aussichtslosigkeit und Existenzängsten zu kämpfen.
Und dann seien bei vielen Menschen auch Routinen weggefallen, weil etwa Veranstaltungen und Treffen nicht mehr möglich waren. Das habe zum Beispiel auch bei Schülern Auswirkungen gehabt. Als die Schulen geschlossen waren, habe das Thema Medienmissbrauch zugenommen. Durch das Fehlen der typischen Tagesstruktur hätten viele vermehrt Filme geschaut und Computerspiele gespielt. Zum Teil auch während des eigentlichen Unterrichts, weil sie im Homeschooling bereits am Computer saßen.
Das Beratungsteam hat alle Hände voll zu tun
Im Übrigen hat nicht nur die Corona-Pandemie Auswirkungen auf das Suchtverhalten der Menschen in der Region. Wie die Leiterin der Suchtberatung Konstanz berichtet, habe auch der Ukraine-Krieg Folgen: „Wer da schon im Vorfeld pessimistisch ist, für den stellt das eine Belastung dar.“
Für das Team der Suchtberatung haben die Entwicklungen Folgen: Nehme man sämtliche Aufgaben, also auch die Präventionsarbeit, zusammen, so sei es an der Grenze der Auslastung, sagt Anette Schlobinski-Duscher. „Wir sind bemüht, innerhalb von kurzer Zeit Termine zu vergeben, aber es gibt jetzt schon gewisse Wartezeiten.“ Und: „Wenn da noch viel mehr kommen, müssen wir schauen, wie wir das gestemmt kriegen.“