In Heimen wie dem Zentrum für Betreuung und Pflege am Osterholz heißt es nach einer langen Zeit mit strengen Kontaktbeschränkungen etwas aufatmen. Besuche von Verwandten sind wieder möglich. Die Auflagen sind aber hoch und für Bewohner und Personal ist es nach wie vor nicht einfach.
Die Angestellten haben mehr zu tun als sonst. In der Corona-geprägten Zeit leisten die Mitarbeiter noch mehr, als sie ohnehin schon tun. Dieses Mehr gleicht aus, was fehlt, wenn die Bewohner monatelang keine Besuche von Angehörigen oder Freunden empfangen können und keine körperliche Nähe erfahren.

„Die Arbeit ist im Grunde fast die gleiche, aber es ist viel mehr Stress, weil wir den Bewohnern immer wieder erklären müssen, warum es so ist“, sagt Inge Micul, die Pflegedienstleiterin der Einrichtung. „Man kann es nicht greifen oder begreifen. Viele verstehen es nicht.“ Aus Unverständnis komme es auch zu verbalen Aggressionen weil Bewohner, deren Konstitution dies sonst zulassen würde, nicht einkaufen gehen dürfen.
„Würden sie dies tun, müssten sie für zwei Wochen in Quarantäne, was noch schlimmer wäre“, erklärt sie. Wenn mal Bewohner ins Krankenhaus mussten, so wurden sie bei ihrer Rückkehr auf Corona getestet, so dass eine Quarantäne vermieden werden konnte.
Jede Berührung ist wichtig
Inge Micul erzählt, dass sie vor Kurzem allen 99 Pflegeheimbewohnern selbst die Haare geschnitten habe. Eine andere Mitarbeiterin haben den Senioren die Fußnägel geschnitten. Das sei nicht nur notwendig gewesen, sondern auch in emotionaler Hinsicht essenziell: Jede Berührung, und sei sie auch noch so klein, zähle.
Die 87-jährige Bewohnerin Johanna König, die aus einem Zuhause mit 14 Geschwistern kommt, sagt über früher: „Da war man sich immer nah und wir waren auch immer draußen in der Natur, die ich so liebe.“ Es fehle ihr sehr, draußen unterwegs sein zu können. Dann holt sie sich ihre Umarmung von Inge Micul ab, der sie, während sie sie ganz fest hält, ins Ohr flüstert: „Ich hab Dich lieb.“

Die Mitarbeiter bemühen sich, die Bewohner bei Laune zu halten, zum Beispiel mit Spielen zu zweit oder Vorlesen, so wie das Pflegerin Christine Stupnink für Pflegeheimbewohnerin Herta Bettendorf gern tut. Die Mitarbeiter wurden angewiesen, ihre sozialen Kontakte außerhalb der Arbeit zu minimieren, damit sie keine Gefahr für die Pflegeheimbewohner darstellen.
Inge Micul und ihre Stellvertreterin sind eigentlich von der Pflege freigestellt, pflegen aber momentan mit. Die Einrichtungsleiterin Angelika Jauch, und Diana Jauch, die für das betriebliche Gesundheitsmanagement zuständig ist, stehen bei Bedarf ebenso zur Verfügung wie psychisch betreuende Sozialpädagogen und ein Notfalltelefon, falls Mitarbeiter das Gespräch suchen.
Laut den aktuellen Lockerungen der Corona-Verordnung dürfen die Heimbewohner inzwischen wieder Besucher empfangen, was den Mitarbeitern auch Mehrarbeit abverlangt. Es ist immer nur der Besuch eines angemeldeten und registrierten Angehörigen für eine halbe Stunde möglich. Hierfür wurde eigens ein Zimmer frei geräumt, das sowohl vor als auch nach dem Besuch gründlich gereinigt und desinfiziert werden muss.
Besuch nur alle drei Wochen möglich
Die Besucher müssen eine Maske tragen und den Abstand von 1,5 Metern zum Bewohner einhalten – was schwierig für die Senioren ist, die sich so nach Nähe und Kontakt sehnen. Pro Tag sind nur fünf Besuche möglich, also in der Woche 35 Besuche. Somit braucht es beinahe drei Wochen bis jeder Bewohner ein Mal für eine halbe Stunde Besuch hatte. Der Mitarbeitermangel in der Pflegebranche fällt durch Zusatzaufgaben derzeit noch mehr ins Gewicht.
Inge Micul wünscht sich, dass die Akzeptanz der Altenpflege und ihrer Mitarbeiter mehr honoriert, gewürdigt und gefördert würde. „Es wird immer nur so viel Negatives gezeigt, dabei gibt es auch so viel Positives“, sagt sie. „Ich mag alle meine Bewohner. Und unsere Mitarbeiter sind Gold wert.“
Für ihren Einsatz und ihr Engagement dankte Angelika Jauch den Mitarbeitern am Tag der Pflege, der am 12. Mai stattfand. In einer kleinen Feier gab es für das Personal Blumen und eine Torte.