Knapp 100 Katholiken versammelten sich am vergangenen Freitag im Pallottiheim in Stockach – und fassten historische Entscheidungen, die etwa 30.000 Katholiken in der Region betreffen. Denn unter den Anwesenden waren die Pfarrgemeinderäte (PGR) der Seelsorgeeinheiten Stockach, Radolfzell, Höri, See-End, Hohenfels und Krebsbachtal.

Ihr Ziel: Den Mitgliederschwund zu stoppen und die dafür nötigen Veränderungen anzustoßen. Gelingen soll dies mit der Errichtung der Pfarrei Neu, in der die bisherigen sechs Gemeinden ab dem 1. Januar 2026 zusammengefasst sein werden.

Gegensätze werden deutlich

In der ersten Vollversammlung stellten die sechs Räte nun die Weichen auf dem Weg zur neuen Pfarrei: Sie diskutierten, teils sehr emotional, über deren künftigen Namen, den Sitz, das Patronat und die Form der weiteren Zusammenarbeit. Doch diese erste Zusammenkunft offenbarte gleich: Der Wunsch nach Einigkeit ist zwar da, aber es gibt auch Gegensätze in diesem so heterogenen Gebiet zwischen Bodenseeufer und Hegau.

Zum Hintergrund

Der Radolfzeller Pfarrer Heinz Vogel und Christine Derschka vom Bildungszentrum Singen moderierten das Treffen. Sie wiesen mehrfach daraufhin, wie groß der Druck sei, sich zu einigen, da auf Wunsch der Erzdiözese bis August alles entschieden sein müsse. Bleibe man uneins, müsse sich die Versammlung erneut in voller Größe treffen oder eine Mediation der Erzdiözese nutzen.

Pfarrer Heinz Vogel moderierte gemeinsam mit Christine Derschka die Vollversammlung. Er könnte künftig auch der leitende Pfarrer der ...
Pfarrer Heinz Vogel moderierte gemeinsam mit Christine Derschka die Vollversammlung. Er könnte künftig auch der leitende Pfarrer der neuen Pfarrei werden. | Bild: Mario Wössner

Zunächst stand die Aufstellung des neuen Gremiums auf dem Plan. Zum Vorsitzenden der Versammlung wählten die Pfarrgemeinderäte Hermann Schwörer aus der Seelsorgeeinheit Höri. Er setze sich knapp gegen Jürgen Brecht aus Stockach durch, der anschließend jedoch zum Stellvertreter gewählt wurde. Doch das sollte nur ein Vorgeschmack sein auf die späteren, deutlich emotionaleren Abstimmungen.

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Denn schon beim zweiten Tagesordnungspunkt konnten sich die sechs Gemeinden nicht einigen. Es ging um die künftige Form der Zusammenarbeit – also ob sich für alle weiteren Entscheidungen bis 2026 immer wieder die Vollversammlung oder ein Ausschuss mit delegierten aus jeder Gemeinde treffen soll.

See-End blockiert Bildung einer Teilversammlung aus Delegierten

Die Projektleitung für die neue Pfarrei empfahl, auf eine Teilversammlung aus Delegierten zu setzen. Doch dazu wird es nicht kommen. Zwar stimmte die Mehrheit der Anwesenden deutlich dafür. Doch die Regularien verlangten eine doppelte Mehrheit: Sowohl der gesamten Vollversammlung, als auch innerhalb jedes einzelnen Pfarrgemeinderats.

Mit roten und grünen Karten simulierten die Pfarrgemeinderäte immer wieder Probeabstimmungen, um die Stimmung zu testen. Die offiziellen ...
Mit roten und grünen Karten simulierten die Pfarrgemeinderäte immer wieder Probeabstimmungen, um die Stimmung zu testen. Die offiziellen Wahlen fanden geheim statt. | Bild: Mario Wössner

Während fünf der sechs Gemeinden deutlich für die Teilversammlung votierten, sprachen sich die Räte aus dem See-End klar dagegen aus. Sie fürchteten um die demokratische Legitimierung und hofften auf ein besseres gegenseitiges Kennenlernen durch weitere Vollversammlungen. So müssen weiterhin jedes mal alle Pfarrgemeinderäte anrücken.

Stockach oder Radolfzell? Hier hat die neue Pfarrei ihren Sitz

Auch die Entscheidung um den künftigen Sitz war emotional. Zur Debatte standen Stockach oder Radolfzell als zentraler Ort der künftigen Verwaltung und als Dienstsitz des Pfarrers. Klar war: Der Ort braucht Platz für die Verwaltung, sollte zentral im neuen Pfarreigebiet liegen und eine gute Anbindung haben. Schnell wurde klar, dass Radolfzell die etwas besseren Voraussetzungen bietet.

Dunkle Wolken über St. Oswald: Welche Folgen hat die Vergabe des Sitzes nach Radolfzell für den Standort Stockach?
Dunkle Wolken über St. Oswald: Welche Folgen hat die Vergabe des Sitzes nach Radolfzell für den Standort Stockach? | Bild: Löffler, Ramona

In einer Probeabstimmung stimmten die Mehrheit und fünf der sechs Pfarrgemeinderäte für Radolfzell. Doch Stockach war dagegen – obwohl der Stockacher Pfarrer Thomas Huber sich zuvor „nach langer Überlegung“ für Radolfzell ausgesprochen hatte.

Wird Stockach zur Außenstelle degradiert?

Denn die Stockacher fürchteten, zur Außenstelle abgewertet zu werden. Sie machten klar: Man habe sich vorgenommen gehabt, sich für Stockach einsetzen zu wollen, aber auf keinen Fall als Blockierer aufzutreten, wenn die Mehrheit für Radolfzell sein sollte. Doch dann sei man in der Versammlung unfair behandelt worden, die Projektleitung habe die eigenen Argumente lächerlich gemacht.

Der Stockacher Pfarer Thomas Huber votierte nach langem Überlegen für Radolfzell als neuen Sitz der Pfarrei.
Der Stockacher Pfarer Thomas Huber votierte nach langem Überlegen für Radolfzell als neuen Sitz der Pfarrei. | Bild: Marinovic, Laura

So hatte Stockach zum Beispiel eingebracht, um beide Kirchenstandorte zu sichern, sollte der Sitz in den Bedrohteren der beiden, also nach Stockach vergeben werden, um den langfristigen Erhalt von St. Oswald zu garantieren, was für Gelächter unter einigen Mitgliedern gesorgt hatte. Nach minutenlanger Beratung stimmte dann doch auch Stockach für Radolfzell – mit nur drei Gegenstimmen.

Neue Pfarrei soll Bodensee-Hegau heißen

Nach diesem kurzen Zwist herrschte jedoch wieder Einigkeit: Zum Patronat der neuen Pfarrei wählten die Mitglieder auf Vorschlag von Christoph Stadler nahezu einstimmig den heiligen Zeno von Verona, der schon Radolfzeller Hausherr ist. Er setzte sich gegen den Vorschlag „Unsere Liebe Frau“ durch.

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Zuletzt stimmten die Pfarrgemeinderäte über den Namen der neuen Pfarrei ab. Offen war, ob sie Hegau-Bodensee oder Bodensee-Hegau heißen solle. Die zweite Variante setzte sich durch, da bereits viele Organisationen in der Region den anderen Namen tragen würden, so das Argument.