Der Runde Tisch Mobilität fand kürzlich bereits zum bereits 18. Mal statt. Wieder einmal ging es um Mobilitätskonzepte für den ländlichen Raum, mit denen Ressourcen und Umwelt geschont werden sollen, sowie um Alternativen für den ÖPNV. Doch diesmal war auch ein besonders Modell Thema.

Zum Einstieg in die Veranstaltung erläuterte Hans Steisslinger, der Vorsitzende der BUND-Ortsgruppe Bodman-Ludwigshafen-Stockach, dass der Runde Tisch Mobilität eng verzahnt sei mit einer aktuellen Initiative namens „Ländle leben lassen“ gegen den Flächenfraß in Baden-Württemberg. Danach berichtete als geladener Gast Clemens Deyerling, der Gründer des bayerischen Verkehrsunternehmens Omobi, den im Umweltzentrum Stockach anwesenden Zuhörern per Videoübertragung über die Projekte, Ideen, Pläne und Ziele von Omobi.

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Clemens Deyerling, einer der beiden Gründer des bayerischen Verkehrsunternehmen Omobi, berichtete beim jüngsten Runden Tisch Mobilität im Stockacher Umweltzentrum über den On-Demand-Verkehr in Murnau. | Bild: Stefanie Sedlak

Besonders berichtete Deyerling über den flexiblen, digitalen On-Demand, also auf Abruf fahrenden, Ortsbus in Murnau. Seit Juli 2020 ergänze der den regulären ÖPNV in der knapp 13.000 Einwohnern starken oberbayerischen Gemeinde im Landkreis Garmisch-Partenkirchen.

Digitalisierung als Chance für ÖPNV auf dem Land

Zum Einstieg erzählte Deyerling rückblickend, dass er schockiert darüber gewesen sei, wie schlecht der Verkehr im ländlichen Raum sei. Wirklich gute Mobilität gebe es mit Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen oder Carsharing eigentlich nur in den Großstädten. In den meisten ländlichen Gegenden jedoch sei der ÖPNV keine wirkliche Alternative zum Auto. So habe die Firma Omobi ein digitales Konzept entwickelt. Denn, heißt es auf deren Internetseite: „Wir sind davon überzeugt, dass die Digitalisierung uns die Möglichkeit gibt, die Mobilität auf dem Land neu zu denken und zu revolutionieren.“

Als eines von sehr wenigen Verkehrsunternehmen in Deutschland beschäftige sich Omobi ausschließlich mit dem ländlichen Raum. Und so kann Clemens Deyerling, der Omobi im Jahr 2019 zusammen mit Robert Schotten gründete, so einige Erfahrungen weitergeben.

Wie funktioniert das Konzept in Murnau?

Ganz nach individuellem Bedarf kann der Ortsbus in Murnau entweder telefonisch oder via App bestellt werden, berichtete Deyerling. Er habe weder einen festen Fahrplan noch eine feste Route. Auch feste Haltestellen gebe es nicht. Diese seien virtuell, könnten sich also ändern und entsprechend angepasst werden. Ein intelligenter Algorithmus des Systems bündele die Anfragen der Fahrgäste. Diesen Vorgang nenne man Ridepooling. So könnten alle Fahrgäste dann schnellstmöglich und nachhaltig an ihr gewünschtes Ziel gebracht werden.

Ein zusätzlicher Vorteil sei, dass die Fahrgäste durch mehr als 300 virtuelle Haltepunkte im Betriebsgebiet nie weit zu laufen hätten. Die Murnauer, so berichtete Deyerling, seien Feuer und Flamme für den On-Demand-Bus. Er bedeute für sie eine große Steigerung der Lebensqualität und eine große Erleichterung – und zwar unabhängig davon, ob Menschen zum Einkaufen, zum Arzt oder auch zur Arbeit fahren möchten, oder ob er Eltern beim Bringdienst ihrer Sprösslinge entlaste.

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Wie wird das Buskonzept finanziert?

Die Anwesenden im Umweltzentrum waren von dem Konzept positiv angetan – und hatten etliche Fragen. Hier stand zunächst einmal die Frage nach den Kosten eines solchen On-Demand-Verkehrs im Raum. Man fragte sich, ob ein On-Demand-Verkehr, der etwas koste, gegen kostenlose oder kostengünstige Alternativen des ÖPNV, wie zum Beispiel das 49-Euro-Ticket, überhaupt konkurrieren könne. Hierzu sagte Deyerling: „Ein System, das nicht funktioniert, wird auch dann nicht besser funktionieren, wenn es kostenlos ist.“

Natürlich sei der Preis immer ein wichtiger Faktor. Deyerling fügte aber hinzu: „Ich kann Ihnen nur aus meiner Erfahrung sagen: das Teuerste, was ein Staat machen kann, ist ein ÖPNV-System, das keiner nutzt.“ Dazu brauche es dringend eine Alternative.

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Im Übrigen gebe es laut Deyerlings Erfahrung wohl unglaublich viele Kommunen, die überhaupt nicht wüssten, wie viel sie eigentlich für den ÖPNV bezahlen. Denn die Kosten seien irgendwo in der Landkreisumlage versteckt. Allerdings seien nach Deyerlings Kenntnis alle Mobilitätsprojekte, die „wirklich gut auf die Straße gekommen sind und die gut funktionieren“, ohne den Landkreis realisiert worden.

Es sei eine Entscheidung, die die Verwaltung jeder Kommune treffen müsse, ob sie hier mit dem Landkreis zusammen arbeiten möchte oder nicht. Jedoch vermutete Deyerling, dass wohl jede Kommune 15.000 bis 20.000 Euro für ein kleines Konzept in Beratungsleistungen längst irgendwo budgetiert haben dürfte.

Rund 35.000 Fahrgäste pro Jahr in Murnau

In Murnau liegen die jährlichen Kosten für den On-Demand-Verkehr laut Deyerling bei 90.000 bis 100.000 Euro. Dafür gebe es zwei Busse, die Montag bis Freitag von 6 bis 20 Uhr fahren, Marketingbetreuung, Software und telefonischen Support während der Betriebszeiten. Hiervon ziehe man die Fahrteinnahmen ab, welche abzüglich der Förderung und abzüglich der ÖPNV-Zuweisung auch an die Kommune gingen.

In Murnau fahren täglich 140 Personen damit, also pro Woche 700, und pro Monat 2800 Personen pro Monat. Das mache pro Jahr 35.000 Personen, die diese Art von Mobilität nutzen.

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Darüber, dass es riesigen Handlungsbedarf und ein riesiges Potenzial bei der Personenbeförderung gibt, waren sich alle Anwesenden bei der Veranstaltung einig. Und da auch die neue Stockacher Bürgermeisterin Susen Katter bereits großes Interesse am Vorantreiben solcher oder ähnlicher Projekte wie On-Demand-Bussen geäußert habe, schlug Hans Steisslinger vor, in naher Zukunft und nach genauerer Planung mit Clemens Deyerling hiermit im Gemeinderat vorstellig zu werden. Bald könnte sich als auch dieser mit dem Konzept beschäftigen.