Die Handschriften wirken sehr verschnörkelt und kunstvoll. Doch was da in zahlreiche Bände gebunden ist und in Regalen des Stadtarchivs Stockach steht, sind keine Briefe, sondern Ratsprotokolle aus verschiedenen Jahrhunderten. Bis 1935 seien sie von Hand geschrieben worden, erzählt Johannes Waldschütz, Leiter des Stadtmuseums und Stadtarchivs. Ab dann sei auf die Schreibmaschine umgestellt worden. Manche der Handschriften seien nicht so einfach zu lesen.

Im Rahmen des Förderprojekts Wissenswandel, für das Waldschütz Bundeszuschüsse gewinnen konnte, machen die Stockacher Ratsprotokolle den Sprung von der Papierseite in die digitale Welt: Rund 85.000 Seiten werden bis 2022 eingescannt. Mehr noch: Mit einer speziellen Handschriftenerkennung soll es möglich sein, nach Begriffen suchen zu können. Das sei sehr spannend, werde aber auch noch eine Herausforderung, sagt Waldschütz.
Das Programm Transkribus könne Handschriften erkennen – auch in Kurrentschrift, in der manche Buchstaben anders geschrieben werden als heute. Die Kosten betragen rund 43.500 Euro, davon sind 39.000 Euro Zuschüsse.
Und wem nützt das alles?
Interessierten und Heimatforschern, sagt Waldschütz. „Es lässt sich etwas über Vereine oder Beschlüsse der Stadt, zum Beispiel das Krankenhaus, herausfinden.“ Zudem stünden in den Ratsprotokollen auch amüsante Episoden aus den Zeiten, als der Stadtrat noch die Funktion der Gerichtsbarkeit hatte.
Waldschütz erzählt auch, dass ein früherer Archivleiter, Hans-Günther Bäurer, einmal begonnen habe, handschriftliche Ratsprotokolle in aktuelle Schrift zu übertragen. Das solle auch in das Programm eingelesen werden. Transkribus sei noch nicht oft von Stadtarchiven angewendet worden. Man müsse daher schauen, ob die Texte sorgfältig genug geschrieben wurden, damit es funktioniere. Es werde aber eine Grundlage ergeben, auch wenn vielleicht nicht jedes Wort stimme. Mit einem relativ geringen Aufwand könne sehr viel erreicht werden.