„Das Tal der Tränen ist überwunden“, sagt Erkan Yildirim. Seit rund einem Jahr ist der gebürtige Flensburger Geschäftsführer der Rheinmetall Soldier Electronics GmbH, die ihren Sitz im interkommunalen Gewerbegebiet Blumhof hat. Der 39-Jährige hat das Ruder in stürmischen Zeiten übernommen. Kurzarbeit und sogar Entlassungen waren angesagt. Doch nun sei die Zeitenwende, die Bundeskanzler Olaf Scholz im Jahr 2022 mit Blick auf das Thema Aufrüstung angekündigt hat, auch in Stockach angekommen.
Aktuell arbeiten hier rund 100 Mitarbeiter für die Rheinmetall Soldier Electronics GmbH. Darunter sind auch zehn Auszubildende. 20 bis 40 neue Arbeitsplätze sollen hier laut Yildirim in den kommenden Jahren wieder neu entstehen. „Der Standort hat viel Potenzial. Wir haben eine sehr engagierte und hochkompetente Belegschaft und die gesamte Fertigungstiefe im Haus. Wir befinden uns in allen Bereichen auf Wachstumskurs“, sagt Yildirim.
Konzern investiert in den Standort
Er sehe allerdings noch viele Verbesserungsmöglichkeiten, was die Optimierung von Prozessen angeht. So habe das Unternehmen erst vor kurzem eine große Investition getätigt, um mehr Automation in der Produktion zu ermöglichen. „Dabei geht es aber nicht darum, Mitarbeiter zu ersetzen, sondern sie zu unterstützen“, sagt Yildirim. Schließlich gehe es bei der Produktion der elektro-optischen Systeme um Präzision im Mikrometerbereich.
Die Soldier Electronics GmbH fertigt unter anderem Bauteile für Nachtsichtgeräte, Kameraoptiken und Laser-Module, die anschließend in Panzern oder etwa beim neuen Sturmgewehr der Bundeswehr zum Einsatz kommen. Für letzteres wird in Stockach ein Laser-Lichtmodul gefertigt und genau dieses hat dafür gesorgt, dass das Unternehmen im vergangenen Jahr unruhige Zeiten erlebt hat.
Es gebe einen Rahmenvertrag mit der Bundeswehr über die Produktion von 130.000 Einheiten davon. Die Produktion konnte allerdings noch nicht beginnen, da noch nicht klar war, für welches neue Sturmgewehr sich die Bundeswehr entscheiden wird. Ein Rechtsstreit zwischen zwei Herstellern und der Bundeswehr habe dafür gesorgt, dass sich der Entscheidungsprozess in die Länge gezogen habe. „Erst nach finaler Auswahl des Sturmgewehrs konnte unser Laser-Lichtmodul im Gesamtsystem neues Sturmgewehr getestet werden“, erklärt Yildirim. Deshalb habe man bisher noch nicht in die Produktion einsteigen können.
Abruf der Bundeswehr-Bestellung könnte bald beginnen
Aktuell seien die Tests allerdings in der Endphase. „Wir haben allerdings schon viele positive Rückmeldungen von unserem Kunden bezüglich unseres Laser-Lichtmoduls erhalten und rechnen mit einem Abruf der ersten Bestellung zum Ende des Jahres oder Anfang 2025“, so Yildirim. Doch auch so ist die Produktion schon voll ausgelastet. „Wir konnten bereits im Juni eine hundertprozentige Auslastung für den Rest des Jahres sowie für das erste Quartal 2025 vermelden“, betont der Geschäftsführer. 2023 habe man lediglich eine Auslastung von 70 Prozent erreicht.

Mit dem Abruf der 130.000 Laser-Lichtmodule für die Bundeswehr, sei die Auslastung auch für die kommenden Jahre gewährt. „Wir werden weiter wachsen. Die Auftragslage und die weiteren Potenziale geben das definitiv her“, sagt Erkan Yildirim und fügt hinzu: „Unsere Kunden schätzen unsere Produkte und Technologien.“ Insgesamt habe man in Stockach 20 bis 30 große Kunden, die momentan für volle Auftragsbücher sorgen. Das schlage sich auch in den Zahlen nieder.
Umsatzplus von 40 Prozent
„Konzernweit rechnen wir in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von rund 40 Prozent. Das ist beachtlich“, sagt Unternehmenssprecher Oliver Hoffmann. Erkan Yildirim fügt hinzu, dass diese Quote am Standort Stockach voraussichtlich sogar noch übertroffen werde. Laut Hoffmann spiegle sich darin, die von Kanzler Scholz angekündigte Zeitenwende wider. Sowohl die Unterstützung für die Ukraine als auch die eigene Aufrüstung in Deutschland kommen dem Konzern zugute.
Rheinmetall teilt sich in vier Divisionen auf. Drei davon sind im militärischen Bereich tätig, eine befasst sich mit zivilen Produkten, insbesondere für die Automobilbranche. Insgesamt betrachtet zähle Stockach zu den kleineren Standorten des Unternehmens. „Aber es ist eine Perle im Konzern, da die Rheinmetall Soldier Electronics GmbH sehr spezialisiert ist. Das haben wir sonst nirgends“, sagt Hoffmann und fügt hinzu: „Ohne Sichtsystem ist ein Panzer blind.“ Deshalb habe der Standort Stockach ein hohes Renommee im Konzern.
Fachkräftemangel ist auch hier spürbar
Eine bauliche Erweiterung sei derzeit indes nicht geplant. Die bestehenden Gebäude bieten laut Erkan Yildirim noch ausreichend Raum für Wachstum. „Aktuell arbeiten wir zum Beispiel noch im Einschichtbetrieb. Hier wäre zunächst eine Aufstockung auf Zweischichtbetrieb denkbar“, erklärt er. Zunächst gelte es allerdings geeignete Mitarbeiter zu finden.
Auch bei Rheinmetall spüre man nämlich den Fachkräftemangel. Gerade in der Bodenseeregion mit ihren zahlreichen Industriebetrieben gestalte sich dies mitunter als schwierig. „Konzernweit bekommen wir derzeit rund 180.000 Bewerbungen pro Jahr. Diese Zahl ist sehr hoch. Aber je spezifischer eine Aufgabe ist, desto schwieriger ist es, jemanden dafür zu finden“, erklärt Oliver Hoffmann.